Leitsatz (amtlich)

Das Verbot einer Kumulation der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB mit der des § 2069 BGB ist auch im Anwendungsbereich des § 2352 BGB zu berücksichtigen.

 

Verfahrensgang

LG München II (Entscheidung vom 08.06.2006; Aktenzeichen 6 T 4186/05)

AG Garmisch-Partenkirchen (Aktenzeichen VI 77/05)

 

Gründe

I.

Der Erblasser ist am 25.1.2005 im Alter von 83 Jahren verstorben. Seine erste Ehefrau war vorverstorben. Die Beteiligte zu 1 ist seine zweite Ehefrau. Die Beteiligte zu 2 ist Tochter des Erblassers; der Beteiligte zu 3 ist Sohn des vorverstorbenen Sohnes des Erblassers.

Mit seiner ersten Ehefrau errichtete der Erblasser das gemeinschaftliche Testament vom 12.11.1964. Die beiden Testierenden verfügten dahingehend, dass sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. Erben des Letztversterbenden sollten die gemeinsamen Kinder P. und B. (Beteiligte zu 2) unter sich zu gleichen Teilen sein. Das Ehegattentestament enthielt sodann Pflichtteilsstrafklauseln und Anordnungen für bedingte Vermächtnisse im Falle der Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten. Anordnungen zu einer Ersatzerbschaft wurden nicht getroffen. Die erste Ehefrau des Erblassers verstarb am 13.3.1978. Am 3.8.1983 schloss der Erblasser mit der Beteiligten zu 2 und seinem vorverstorbenen Sohn P. einen notariellen Vertrag über eine Erbanteilsübertragung, Übertragung einer Kommanditbeteiligung und einen Zuwendungsverzicht. In Ziff. VI dieser Vereinbarung verzichteten die Beteiligte zu 2 und ihr Bruder mit Rücksicht auf die erfolgten Vermögensübertragungen auf alle Zuwendungen aus dem gemeinschaftlichen Testament ihrer Eltern vom 12.11.1964. Auf das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht nach dem Erblasser verzichteten die beiden Kinder nicht. Zweck dieser Vereinbarung war auch, durch diesen Verzicht die Testierfreiheit des Erblassers wiederherzustellen.

Der Erblasser errichtete am 2.12.1992 ein handschriftlich geschriebenes und unterschriebenes Testament. Sein Inhalt lautet auszugsweise wie folgt:

"Testament

Für den Fall meines Todes treffe ich folgende letztwillige Verfügung:

1.

Meine Erben sollen - unter Berücksichtigung der eventuellen Nacherbfolge gem. Ziff. 2 sein:

Meine Ehefrau I. B. (Beteiligte zu 1) zu zwei Dritteln und meine Tochter B. B. (Beteiligte zu 2) zu einem Drittel. Eventl. weitere Erbberechtigte haben lediglich Anspruch auf den gesetzlichen Pflichtteil, wenn überhaupt ein Anspruch besteht.

Als Ersatzerben bestimme ich: Für den Fall des Wegfalls meiner Ehefrau als Erbin: Meine Tochter B. B. bzw. - sofern meine Tochter B. B. ebenfalls als Erbin wegfallen sollte, deren Abkömmlinge.

Für den Fall des Wegfalls meiner Tochter als Erbin deren etwaige zum Zeitpunkt meines Todes vorhandenen Abkömmlinge. Sofern solche nicht vorhanden sind, soll meine Ehefrau I. Ersatzerbin sein.

2.

Als Nacherben setze ich ein:

a)

Nacherbin nach dem Tod meiner Ehefrau I. soll meine Tochter B. sein.

b)

Nacherben meiner Tochter B. sollen nach deren Tod deren eventl. vorhandenen Abkömmlinge werden. ..."

Der Erblasser testierte ferner, dass die Vorerbinnen jeweils von sämtlichen Beschränkungen und Verpflichtungen befreit sein sollten. Das Testament enthielt des Weiteren Vorausvermächtnisse. Unter Ziff. 5 regelte er die Rechtsnachfolge bezüglich der von ihm gehaltenen Komplementärbeteiligung an einer Kommanditgesellschaft. Die gesamte Ziff. 5, die nahezu zwei Textseiten ausmacht, wurde von dem Erblasser zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt mit vier diagonalen Strichen durchgestrichen und mit der unterschriebenen Bemerkung versehen "entfällt - wurde 2001 verkauft" bzw. "entfällt".

Der Erblasser errichtete ferner am 26.9.2000 eine Ergänzung zum Testament mit dem Inhalt, dass, solange seine Frau I. lebt, seine Tochter B. lediglich Anspruch auf den gesetzlichen Pflichtteil des Erbes habe. Hiervon seien 300.000 DM abzuziehen, die B. bereits beim Übergang eines Unternehmens zuviel erhalten habe bzw. erhalten möchte.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 13.4.2005 beantragte die Beteiligte zu 1 einen Erbschein mit dem Inhalt, dass sie den Erblasser allein beerbt habe. Die Beteiligte zu 2 beantragte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 20.5.2005 unter Anfechtung des Testaments vom 26.9.2000 einen Erbschein dahingehend, dass der Erblasser von der Beteiligten zu 1 zu 2/3 und von der Beteiligten zu 2 zu 1/3 beerbt worden sei.

Das Nachlassgericht erließ am 13.6.2005 einen Vorbescheid, es werde einen Erbschein erteilen, dass der Erblasser von der Beteiligten zu 1 als Alleinerbin beerbt worden und Nacherbin die Beteiligte zu 2 sei. Gegen diesen Vorbescheid richtete sich die Beschwerde der Beteiligten zu 2. Nach Beweisaufnahme vor der Einzelrichterin des Beschwerdegerichts hat dieses mit Beschluss vom 8.6.2006 die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 vom 4.8.2006. Das Nachlassgericht erteilte nach der Beschwerdeentscheidung am 24.7.2006 den angekündigten Erbschein.

II.

1.

Die weitere Beschwerde gegen die landgerichtliche Ent...

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