Gesetzestext

 

1Der unterhaltspflichtige geschiedene Ehegatte haftet vor den Verwandten des Berechtigten. 2Soweit jedoch der Verpflichtete nicht leistungsfähig ist, haften die Verwandten vor dem geschiedenen Ehegatten. 3§ 1607 Abs. 2 und 4 gilt entsprechend.

 

Rn 1

Nach § 1584 S 1 haftet der unterhaltspflichtige geschiedene Ehegatte vor den Verwandten des Unterhaltsgläubigers (Vorranghaftung). Nach S 2 haften die Verwandten, wenn der geschiedene Ehegatte nicht oder nur beschränkt leistungsfähig ist (Ausfallhaftung). Nach S 3 haften die Verwandten ersatzweise, wenn der Schuldner teilw oder insgesamt leistungsfähig ist, der Unterhalt jedoch nicht erreicht werden kann (Ersatzhaftung). Insoweit verweist § 1584 auf die Legalzession des § 1607 II mit dem Verbot des Forderungsübergangs zum Nachteil des Berechtigten (§ 1607 IV).

Die Primärhaftung des Ehegatten beruht auf dem Grundsatz nachehelicher Solidarität.

Bei Aufhebung der Ehe gilt § 1318, bei vor dem 1.7.77 geschiedenen Ehen § 63 EheG.

 

Rn 2

Der geschiedene Ehegatte haftet vor Verwandten des Gläubigers auch, wenn diese in äußerst guten wirtschaftlichen Verhältnissen leben, während sich der Schuldner mit relativ geringem Einkommen bescheiden muss. Der geschiedene Ehegatte haftet auch vorrangig, wenn sich der andere noch in Ausbildung befindet, selbst wenn die Verwandten noch verpflichtet wären, Ausbildungsunterhalt (§ 1610 II) zu leisten. § 1584 regelt nicht das Rangverhältnis zwischen den Ansprüchen aus § 1570 und 1615l. Insoweit besteht entspr § 1606 III 1 eine anteilige Haftung der Väter (BGH FamRZ 08, 1739; 07, 1303), grds orientiert am Maßstab der jeweiligen Einkommens- und Vermögensverhältnisse, die im Einzelfall jedoch wertend zu korrigieren sind, etwa im Hinblick auf Anzahl, Alter, Entwicklung oder Betreuungsbedürftigkeit der jeweiligen Kinder (BGH FamRZ 08, 1739).

§ 1584 gilt auch für alle vertraglichen Ansprüche, die den gesetzlichen Unterhaltsanspruch näher ausgestalten, nicht aber bei novierenden Vereinbarungen (zur Differenzierung vgl BGH FamRZ 15, 734; 14, 912). Ein Unterhaltsverzicht der Eheleute zu Lasten nachrangig haftender Verwandter ist diesen ggü unwirksam. Ein derartiger Verzicht verstößt gegen die guten Sitten, wenn er im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu einer evident einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt (grundl BGH FamRZ 04, 601; vgl auch BVerfG FamRZ 01, 343, 985). Der Verzicht kann auch sittenwidrig sein, wenn er zwangsläufig zur Folge hat, dass die Unterhaltspflicht einen nachrangigen Verwandten trifft, selbst wenn dessen Benachteiligung nicht beabsichtigt war (Hamm FamRZ 96, 116; BGH FamRZ 83, 137). Der Verzicht hindert die Inanspruchnahme des Verwandten allerdings nicht, wenn die Bedürftigkeit erst längere Zeit nach Vertragsschluss eingetreten ist und dies nicht vorhersehbar war. Hier wird es jedoch oftmals an den maßgeblichen Einsatzzeitpunkten der §§ 1571 ff fehlen.

 

Rn 3

Die Leistungsunfähigkeit des geschiedenen Ehegatten hat sich am eheangemessenen Selbstbehalt zu orientieren (BGH FamRZ 16, 1142). IRd § 1584 handelt es sich um eine Billigkeitsregelung zwischen dem geschiedenen Ehegatten und den Verwandten des Berechtigten. Im Verhältnis zu den Verwandten soll sich der Verpflichtete nicht auf den Schutz eines höheren eheangemessenen Unterhalts berufen können. Ist der Schuldner nicht leistungsfähig, haften die Verwandten originär. Ist der Ehegatte tw leistungsfähig, bleibt es insoweit bei seiner vorrangigen Haftung, die sich aus dem Wort ›soweit‹ ergibt, Die Verwandten haften sodann nur für den Rest.

Ein Forderungsübergang ist ausgeschlossen. Ist der Ehegatte nur begrenzt leistungsfähig, haften die Verwandten nur für den verbleibenden Rest. Der Umfang der Haftung bestimmt sich nach allg Grundsätzen des Verwandtenunterhalts, nicht nach § 1581. Die Haftung der Verwandten erfasst nicht den Vorsorgeunterhalt iSd § 1578 III. Ist ein nachehelicher Unterhalt wegen grober Unbilligkeit nach § 1579 begrenzt oder ausgeschlossen, können sich die Verwandten hierauf nur berufen, wenn der Ausschlussgrund zugleich auch die Voraussetzungen des § 1611 erfüllt.

 

Rn 4

Ist der geschiedene Ehegatte leistungsfähig, kann der Gläubiger jedoch seinen Unterhaltsanspruch gegen ihn nicht durchsetzen, haften die Verwandten anstelle des geschiedenen Ehegatten. Diese Konstellation ist etwa gegeben, wenn die Rechtsverfolgung im Inland ausgeschlossen oder erheblich erschwert ist (Bsp: ständig wechselnder Aufenthalt) oder wenn ein inländischer Titel im Ausland vollstreckt werden müsste. Die Ersatzhaftung löst aufgrund der Legalzession des § 1603 II einen Ersatzanspruch gegen den unterhaltspflichtigen Ehegatten aus. Leistet hingegen ein nichtunterhaltspflichtiger Dritter freiwillig an den unterhaltsberechtigten geschiedenen Ehegatten, kann der Dritte ggf Ersatzansprüche aus GoA (§§ 677 ff) oder aus ungerechtfertigter Bereicherung (§§ 812 ff) geltend machen. Der Forderungsübergang kann nicht zum Nachteil des Unterhaltsgläubigers erfolgen (§ 1584 S 3 iVm § 16...

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