Gesetzestext

 

(1) 1Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes für mindestens drei Jahre nach der Geburt Unterhalt verlangen. 2Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. 3Dabei sind die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen.

(2) Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich darüber hinaus, wenn dies unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht.

A. Normzweck.

 

Rn 1

Die Vorschrift ist Ausdruck der gemeinsamen Elternverantwortung. Sie dient dazu, die persönliche Betreuung des Kindes trotz Trennung seiner Eltern wenigstens durch einen Elternteil zu ermöglichen, um auch Kindern aus geschiedenen Ehen gleichmäßige Entwicklungschancen zu geben (BVerfG FamRZ 07, 965). Der berechtigte Elternteil muss ein gemeinschaftliches Kind betreuen.

Der Anspruch nach § 1570 ist in mehrfacher Hinsicht privilegiert (§ 1609: Rang; § 1577 IV 2: späterer Vermögensverfall; § 1586a: Wiederaufleben; §§ 1578b, 1579: erschwerte Begrenzung, Befristung und Verwirkung, eingeschränkte Disponibilität (BGH FamRZ 07, 1310; vgl auch § 47 SGB VI). § 1570 I kennt keinen Einsatzzeitpunkt (BGH NJW 85, 909 [BGH 16.01.1985 - IVb ZR 59/83]). Der Anspruch nach § 1570 II kann jedoch nur im unmittelbaren Anschluss an die Kindesbetreuung nach § 1570 I geltend gemacht werden. Der Anspruch entsteht originär, wenn wegen einer notwendigen Kindesbetreuung eine Erwerbstätigkeit nicht oder nur teilw ausgeübt werden kann. Der Anspruch kann jederzeit wiederaufleben, wenn ein Kind betreuungsbedürftig wird oder auch erst lange Zeit nach der Scheidung entstehen (BGH FamRZ 85, 357). Die Ansprüche nach § 1570 I und nach § 1570 II bilden einen einheitlichen Unterhaltsanspruch (BGH FamRZ 10, 357; FamRZ 09, 770). Vater und Mutter sind als sorgeberechtigte Elternteile gleich zu behandeln (Karlsr FamRZ 98, 560).

 

Rn 2

Durch das UÄndG 2008 wurde der Betreuungsunterhaltsanspruch neu strukturiert. Der betreuende Elternteil hat Anspruch auf einen ›Basisunterhalt‹ während der ersten drei Lebensjahre des Kindes mit der Möglichkeit, im Anschluss daran Unterhalt aus Billigkeitsgründen zu erlangen. Die Drei-Jahresfrist ist im Regelfall mit dem Kindeswohl vereinbar (BVerfG FamRZ 07, 965). Der betreuende Elternteil kann sich auch dann, wenn eine Versorgung durch Dritte möglich wäre, frei dafür entscheiden, das Kind selbst zu betreuen. Dieser ›Basisunterhalt‹ ist nach § 1570 I 2 u II zu verlängern, soweit und solange dies der Billigkeit entspricht (BGH FamRZ 09, 1391). Der betreuende Elternteil kann danach auch die erstmalige Zahlung von Betreuungsunterhalt fordern, wenn das zu betreuende Kind im maßgeblichen Zeitpunkt bereits älter als drei Jahre ist. Maßstab für eine Verlängerung sind in erster Linie kindbezogene Gründe. Die Belange des Kindes können etwa einer Fremdbetreuung entgegenstehen, wenn das Kind unter der Trennung besonders leidet und der persönlichen Betreuung durch einen Elternteil bedarf. Soweit es das Kindeswohl erfordert, hat das Prinzip der Eigenverantwortung zurückzustehen. In dem Maße, in dem eine kindgerechte Betreuungsmöglichkeit besteht, kann von dem betreuenden Elternteil eine Erwerbstätigkeit erwartet werden (vgl Rn 10). Im Interesse des Kindeswohls ist kein abrupter Wechsel von der elterlichen Betreuung zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit erforderlich (BGH FamRZ 12, 1040; 11, 1375). Nach Maßgabe der im Gesetz genannten kindbezogenen (§ 1570 I 3) und elternbezogenen (§ 1570 II) Gründe ist ein gestufter Übergang von der elterlichen Betreuung über eine Teilzeittätigkeit bis hin zu einer Vollzeittätigkeit möglich und oftmals angemessen (vgl BTDrs 16/6080; BGH FamRZ 10, 1050; 10, 444; FamRZ 09, 1124). Nach § 1570 II, der sich gleich einem ›Annexanspruch‹ an den Betreuungsunterhaltanspruch nach § 1570 I anschließen kann, wird eine Verlängerung des Unterhaltsanspruchs allein aus Gründen ermöglicht, die ihre Rechtfertigung in der Ehe haben. Maßgeblich ist dabei das in der Ehe gewachsene Vertrauen in die vereinbarte und praktizierte Rollenverteilung und die gemeinsame Ausgestaltung der Kindesbetreuung (elternbezogene Gründe). Die konkreten ehelichen Lebensverhältnisse und die nachwirkende eheliche Solidarität finden hier ihren Niederschlag und können eine Verlängerung rechtfertigen. So kann etwa einem geschiedenen Ehegatten, der im Interesse der Kindererziehung seine Erwerbstätigkeit dauerhaft aufgegeben oder zurückgestellt hat, ein längerer Anspruch auf Betreuungsunterhalt eingeräumt werden als einem Ehegatten, der von vornherein alsbald wieder in seinen Beruf zurückkehren wollte (BGH FamRZ 10, 1880; 10, 1050). Der Anspruch nach § 1570 II kann nicht zu jedem beliebigen Zeitpunkt nach der Scheidung geltend gemacht werden, sondern knüpft stets an den ›Basisunterhalt‹ nach § 1570 I an. Mit der Neuregelung des § 1570 wird eine Harmonisieru...

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