Rn 95

Von der Frage, ob § 765a durch den Kontopfändungsschutz verdrängt wird, ist zu unterscheiden, ob auf einem bestehenden Pfändungsschutzkonto ein Schutz nach § 765a gewährt werden kann. Ausdrücklich ist diese Bestimmung in § 850k IV 2 nicht erwähnt. Wegen ihrer grundlegenden Bedeutung wird aber eine entsprechende Anwendbarkeit zu bejahen sein. Dies geht allerdings nicht, um einen Lottogewinn pfändungsfrei stellen zu lassen (LG Flensburg JurBüro 21, 330). Der Schuldner kann beantragen, die nach § 850a unpfändbaren Beträge pfändungsfrei zu stellen. Dies gilt etwa für das Urlaubs- oder Weihnachtsgeld nach Nr 2 und Nr 4 (BGH NJW 12, 79 [BGH 10.11.2011 - VII ZB 64/10] Rz 8). Von den Maßstäben aus § 850a Nr 4 weicht es ab, wenn eine Jahressonderzahlung des ArbG zum Jahresende, die sowohl von Arbeitgeber und Arbeitnehmer als auch im Allgemeinen als Weihnachtsgeld angesehen wird, dem Schuldner auf Antrag zusätzlich zu seinem monatlichen Freibetrag bis zur Höhe von max. 500,– EUR pfandfrei gestellt werden können soll, obwohl sie weder in der Verdienstbescheinigung noch im Tarifvertrag als Weihnachtsgeld bezeichnet wird (so aber AG Zeitz Rpfleger 21, 372 [AG Zeitz 29.12.2020 - 5 M 195/06]). Das nach § 39 SGB VIII gezahlte Pflegegeld ist gem § 850a Nr 6 wie Erziehungsgeld unpfändbar (LG Essen VuR 17, 155 [OLG München 22.09.2016 - 29 U 2498/16]; AG Konstanz VuR 18, 75; zur Nachzahlung Rn 53).

 

Rn 96

Erstattungen privater Krankenversicherungen sind gem § 850b I Nr 4 unpfändbar (§ 850b Rn 19), weswegen eine Erhöhung des Pfändungsfreibetrags beantragt werden kann (LG Berlin VuR 18, 118, stellt auf § 765a ab; nach AG Reutlingen JurBüro 15, 385, besteht kein Erhöhungsgrund bei Anlasspfändung wegen Medikamentenlieferung). Lottogewinne begründen kein Recht auf Erhöhung des Betrags (LG Flensburg JurBüro 21, 330). Gemäß § 850b II ist der Gläubiger antragsberechtigt, um aus Billigkeitsgründen in die bedingt pfändbaren Einkünfte des Schuldners vollstrecken zu können.

 

Rn 97

Da dem Schuldner zunächst nur der Grundfreibetrag nach den §§ 850k I 1, 850c I 1 belassen wird, kann er die Pfändungsfreiheit des Mehrverdiensts gem § 850c II, III beantragen. Dies gilt auch für den auf unterhaltsberechtigte Personen entfallenden Anteil. Ein vorheriges Aufstockungsverlangen gem § 850k I Nr 1 lit a) ggü dem Drittschuldner ist nicht erforderlich. Unterhaltszahlungen Dritter für ein Kind sind als Leistungen an das Kind nicht geschützt. Leistet der Schuldner trotz Verpflichtung keinen Unterhalt, kann nur das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers oder des Drittschuldners den unpfändbaren Betrag herabsetzen (St/J/Würdinger § 850k Rz 20). Hier ist ggf ein eigenes Konto des Kindes einzurichten. Zu Nachzahlungen Rn 53. Irrtümliche Doppelzahlungen des ArbG rechtfertigen keinen erhöhten Pfändungsfreibetrag (LG Köln ZVI 18, 60). Eine Herabsetzung des unpfändbaren Betrags, weil der Schuldner keine Miete zahlen muss, ist unzulässig (§ 850c Rn 7; aA AG Bamberg JurBüro 21, 331).

 

Rn 98

Auf Antrag des Gläubigers können nach § 850c VI unterhaltsberechtigte Personen mit eigenen Einkünften ganz oder tw bei der Berechnung des unpfändbaren Teils der Einkünfte unberücksichtigt bleiben. Die Entscheidung ist durch das Vollstreckungsgericht zu treffen (Ahrens NJW 2010, 2001, 2004). Der Antrag kann bereits mit dem Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gestellt werden (LG Hagen JurBüro 15, 325). Vom Vollstreckungsgericht ist die dabei nach § 850c VI gebotenen Einzelfallbeurteilung vorzunehmen, weswegen der pauschale Hinweis auf ein eigenes Einkommen des Ehegatten in Höhe von EUR 600,– unzureichend ist (aA AG Lichtenberg JurBüro 13, 216). Bezieht die unterhaltsberechtigte Person eigenes Einkommen ungefähr in Höhe der sozialhilferechtlichen Regelsätze, soll sie bei Berechnung des unpfändbaren Einkommens unberücksichtigt bleiben können (AG Delmenhorst JurBüro 13, 658).

 

Rn 99

Ordnet nicht schon der Pfändungsbeschluss eine bevorrechtigte Vollstreckung des Unterhaltsgläubigers an, kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag eines Gläubigers nach § 850d I eine privilegierte Pfändung zulassen oder gem § 850d II eine vom Prioritätsprinzip abweichende Rangfolge aufstellen. Der Freibetrag ist nach den Maßstäben des § 850d I zu bestimmen (AG Baden-Baden JurBüro 16, 381; § 850d Rn 16 ff).

 

Rn 100

Beantragt werden kann auch nach § 850e vom Schuldner die Freistellung von Leistungen nach Nr 1 und vom Gläubiger insb die Zusammenrechnung mehrerer Arbeitseinkommen gem Nr 2 bzw von Arbeitseinkommen und Sozialleistungen gem Nr 2a bzw mehrerer Sozialleistungen (AG Oranienburg JurBüro 16, 208) sowie die Zusammenrechnung von Geld- und Naturalleistungen, Nr 3. Die Zusammenrechnungen nach Nr 2 und 2a werden allerdings keine große Bedeutung besitzen, weil in das geschützte Guthaben ohnehin alle Einkünfte eingehen. Besitzen Ehegatten je eigene Pfändungsschutzkonten, ist eine Zusammenrechnung der jeweiligen Freibeträge analog § 850e Nr 2 ausgeschlossen. Möglich ist nur ein...

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