Gesetzestext

 

Unpfändbar sind

1. zur Hälfte die für die Leistung von Mehrarbeitsstunden gezahlten Teile des Arbeitseinkommens;
2. die für die Dauer eines Urlaubs über das Arbeitseinkommen hinaus gewährten Bezüge, Zuwendungen aus Anlass eines besonderen Betriebsereignisses und Treugelder, soweit sie den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen;
3. Aufwandsentschädigungen, Auslösungsgelder und sonstige soziale Zulagen für auswärtige Beschäftigungen, das Entgelt für selbstgestelltes Arbeitsmaterial, Gefahrenzulagen sowie Schmutz- und Erschwerniszulagen, soweit diese Bezüge den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen;
4. Weihnachtsvergütungen bis zu der Hälfte des Betrages, dessen Höhe sich nach Aufrundung des monatlichen Freibetrages nach § 850c Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 4 auf den nächsten vollen 10-Euro-Betrag ergibt;
5. Geburtsbeihilfen sowie Beihilfen aus Anlass der Eingehung einer Ehe oder Begründung einer Lebenspartnerschaft, sofern die Vollstreckung wegen anderer als der aus Anlass der Geburt, der Eingehung einer Ehe oder der Begründung einer Lebenspartnerschaft entstandenen Ansprüche betrieben wird;
6. Erziehungsgelder, Studienbeihilfen und ähnliche Bezüge;
7. Sterbe- und Gnadenbezüge aus Arbeits- oder Dienstverhältnissen;
8. Blindenzulagen.

A. Normzweck.

 

Rn 1

Der weite Begriff des Arbeitseinkommens (§ 850 Rn 12) unterwirft die Einkünfte des berufstätigen Schuldners umfassend dem System der Pfändungsbeschränkungen. Durch die relativen Pfändungsbeschränkungen aus der Tabelle zu § 850c sind allerdings zusätzliche Einkünfte des Schuldners in erheblichem Umfang pfändbar. Da diese Konsequenz nicht stets angemessen erscheint, erklärt § 850a einzelne Bestandteile des Arbeitseinkommens für absolut unpfändbar (vgl Rn 24). Die Gründe dafür sind vielfältig (BAG NJW 17, 3675 Rz 32). Überwiegend soll aus sozialen Gründen ein erhöhter Aufwand ungeachtet der Zwangsvollstreckung gedeckt sein (OVG Berlin-Brandenburg BeckRS 17, 129666). Teils sind die Bezüge wegen eines Mehraufwands zweckgebunden, Nr 3 (BGH ZInsO 18, 92 Rz 9), Nrn 5–8, teils aus sozialen Erwägungen unpfändbar, Nr 2, 4, s.a. Nr 3. Im Einzelfall sollen sie aber auch dem Schuldner hälftig zur Verfügung stehen, Nr 1, um ihm einen ökonomischen Anreiz zur intensiveren Arbeitsleistung zu geben, doch weisen nicht alle Forderungen einen direkten Bezug zum Arbeitsverhältnis auf. Entspr Regelungen enthalten Sondergesetze (MüKoZPO/Smid § 850a Rz 2; Anders/Gehle/Nober ZPO § 850a Rz 1). Darüber hinaus ist eine Erweiterung von § 850a unzulässig (Zö/Herget § 850a Rn 1). Die Pfändungsschranken sind mit unterschiedlichen Beträgen bzw. Grenzen geregelt. Überschreiten die Einkünfte die fixen Grenzen aus Nr 1 und 4 oder die flexiblen Schranken der Nrn 2 und 3, sind sie nach Maßgabe von § 850c pfändbar. Nach der Rspr des BAG erfolgt die Berechnung nach der Nettomethode (BAG NJW 13, 2924 [BAG 17.04.2013 - 10 AZR 59/12] Rz 19; § 850e Rn 5).

B. Absolut unpfändbare Bezüge.

I. Hälftige Mehrarbeitsvergütung (Nr 1).

 

Rn 2

Mehrarbeit iSd vollstreckungsrechtlichen Bestimmung ist die über die gewöhnliche betriebliche oder tarifliche bzw im Arbeitsvertrag festgeschriebene Arbeitszeit hinaus geleistete Arbeit (BGH NZI 14, 773 [BGH 26.06.2014 - IX ZB 87/13] Rz 8; St/J/Würdinger § 850a Rz 6). Von dieser Terminologie weicht die arbeitsrechtliche Begrifflichkeit ab. Arbeitsrechtlich bezeichnen Überarbeit bzw Überstunden die Arbeitszeit, welche die für das Arbeitsverhältnis normale Arbeitszeit überschreitet. Mehrarbeit ist nach arbeitsrechtlichem Verständnis die Arbeitszeit, die über die regelmäßige gesetzliche Arbeitszeit von acht Stunden werktäglich gem § 3 ArbZG hinausgeht (BAG NZA 04, 1219, 1220 [BAG 03.12.2002 - 9 AZR 462/01]; Schaub/Linck § 45 Rz 55).

 

Rn 3

Geschützt wird überobligationsmäßige Arbeit, denn für den Schuldner soll ein Anreiz bestehen, Mehrarbeit zu leisten und für die Gläubiger Mehreinnahmen zu erwirtschaften (St/J/Würdinger § 850 Rz 1; Ahrens ZInsO 2010, 2357). Mehrarbeit ist jede über den üblichen Umfang hinaus geleistete Arbeit, sei es als Überstunden, sei es als nicht regelmäßig geleistete Sonntagsarbeit oder als erlaubte Arbeit bei einem anderen ArbG (BGH NZI 14, 773 Rz 8; LG Wuppertal JurBüro 22, 164; AG Ludwigshafen ZVI 19, 208). Bei einem Selbständigen lässt sich ein üblicher Umfang seiner Arbeit nicht bestimmen, weswegen die tatbestandlichen Voraussetzungen von Nr 1 regelmäßig nicht zutreffen. Überobligationsmäßige Arbeit liegt aber vor, wenn ein Schuldner eine zur Existenzsicherung genügende Altersrente bezieht und zusätzlich als abhängig Beschäftigter oder als Selbständiger erwerbstätig ist (BGH NZI 14, 773 Rz 8, 12; aA VG Wiesbaden ZInsO 14, 796, 797, zu Versorgungsempfänger, der abhängig arbeitet) bzw bei einer Erwerbsunfähigkeitsrente und Einkünften aus geringfügiger Beschäftigung (AG Heidelberg VuR 15, 69 mAnm Kohte). Gesetzgeberisches Leitbild ist das Normalarbeitsverhältnis im üblichen Umfang, das nicht ohne Weiteres auf die Vielfalt möglicher Arbeitsbeziehungen übertragen werden kann. Deswegen und weil durch die Regelung auch die Arbeitsleistung des Schul...

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