Rn 5

Auf der Grundlage des bereinigten Bruttoeinkommens ist sodann das Nettoeinkommen des Schuldners zu bestimmen. Vom Einkommen sind dazu die Beträge abzuziehen, die unmittelbar aufgrund steuerrechtlicher oder sozialrechtlicher Vorschriften zur Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen des Schuldners abzuführen sind, § 850e Nr 1 S 1 Hs 2. Der Drittschuldner muss die gesamten auf dem Arbeitseinkommen ruhenden Abgaben absetzen, also auch die, welche anteilig auf die Pfändungsfreibeträge entfallen. Nicht einzuberechnen sind außerdem nach § 850e Nr 1 S 1 Hs 2 die gem § 850a der Pfändung entzogenen Beträge. Umstritten ist, wie dabei die Steuern und Sozialversicherungsbeträge abzuziehen sind. Nach der jetzt auch in der höchstrichterlichen Rspr vertretenen Ansicht gilt die Nettomethode. (BGH NZI 19, 941 Rz 10; BAG NJW 13, 2924 Rz 19 ff; ArbG Aachen FamRZ 07, 63; St/J/Würdinger § 850e Rz 7; Zö/Herget § 850e Rz 1b; Gottwald/Mock § 850e Rz 5b; Mock Forderungsvollstreckung, § 6 Rz 72; Bauckhage-Hoffer/Umnuß NZI 11, 745, 746; Würdinger NJW 14, 3121, 3122 f; eine Arbeitshilfe bei Grote InsbürO 13, 507; krit Hintzen Rpfleger 14, 117, 118). Danach sind von dem gesamten Bruttoeinkommen zunächst die nach § 850a unpfändbaren Beträge mit dem Bruttobetrag und sodann die auf das restliche Einkommen zu zahlenden Steuern und Sozialversicherungsbeträge abzuziehen. Diese Berechnung ist für den Vollstreckungsgläubiger günstiger, belastet aber den Drittschuldner, weil sie eine nicht einfache hypothetische Berechnung verlangt. Nach der von der höchstrichterlichen Judikatur abgelehnten Gegenansicht sollen dem Schuldner die nach § 850a unpfändbaren Beträge insgesamt verbleiben, weswegen die darauf zu entrichtenden Steuern und Sozialabgaben vom pfändbaren Einkommen abgezogen werden müssen (Bruttomethode). Vom gesamten Bruttoeinkommen des Schuldners sind deswegen zunächst die unpfändbaren Bezüge und sodann die auf dem Gesamtbrutto liegenden Abgaben und Sozialversicherungsbeiträge abzuziehen (LAG Berlin NZA-RR 00, 657 f [LAG Berlin 14.01.2000 - 19 Sa 2154/99]; MüKoZPO/Smid § 850e Rz 2; ThoPu/Seiler § 850e Rz 2). Für den Drittschuldner ist die Abwicklung nach der Bruttomethode einfacher, weil sie keine hypothetische Berechnung erfordert.

 

Rn 6

Abzuziehen sind die Steuern, die der Schuldner unmittelbar von seinem Arbeitseinkommen an den Fiskus zahlt. Dies betrifft die vom ArbG vom Arbeitseinkommen periodisch für Rechnung des Schuldners abgeführten Steuerbeträge nach § 38 III EStG. Erfasst sind die Lohn- und Kirchensteuer sowie der Solidaritätszuschlag. Unberücksichtigt bleiben die vom Schuldner am Ende des Steuerjahres zu leistenden Abschlusszahlungen (BGH NZI 19, 941 Rz 10; BAG DB 80, 835, 837 [BAG 24.10.1979 - 4 AZR 805/77]; NJW 86, 2208) sowie Einkommensteuer- (St/J/Würdinger § 850e Rz 5) oder Umsatzsteuervorauszahlungen. Nicht nach § 850e Nr 1, sondern nur iRv § 850f I sollen die von einem in Deutschland Beschäftigten, aber an seinem ausländischen Wohnsitz gezahlten Steuern eines ArbN berücksichtigt werden (BAG NJW 86, 2208 [BAG 15.10.1985 - 3 AZR 502/83]), was nicht gegen die Rspr des EuGH verstößt (Slg I 2004, I-5763 Rz 36). Dies gilt jedoch nur, soweit die Steuern tatsächlich und für den Schuldner unvermeidlich abgeführt werden (BGH NZI 19, 941 [BGH 19.09.2019 - IX ZB 2/18] Rz 10).

 

Rn 7

Für seine Berechnung muss der Drittschuldner die auf der Steuerkarte eingetragene Steuerklasse bzw die Elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM) und die dort vermerkten anderen steuerlichen Faktoren berücksichtigen. Nimmt der Gläubiger an, der Schuldner habe ohne sachlichen Grund eine ungünstige Steuerklasse gewählt, muss jener nach § 850h vorgehen (§ 850h Rn 21). Unerheblich ist, ob der Schuldner es unterlassen hat, einen nach § 39a EStG möglichen Freibetrag auf der Steuerkarte eintragen zu lassen, da die Überzahlung nach der Veranlagung zurückgezahlt wird (LG Detmold Rpfleger 02, 630f [BayObLG 17.07.2002 - 1 Z AR 74/02]) und dann pfändbar ist. Da die Angaben auf der Steuerkarte, etwa über den Kinderfreibetrag, allein steuerlichen Zwecken dienen, können sie für andere Zwecke, wie die Bestimmung des erhöhten Pfändungsfreibetrags bei Unterhaltspflichten, nicht ohne Weiteres herangezogen werden (§ 850c Rn 28).

 

Rn 8

Als Sozialabgaben sind die Arbeitnehmeranteile auf die gesetzliche Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Unfallversicherung abzuziehen. Unberücksichtigt bleiben die im Gesamtsozialversicherungsbetrag nach § 28d SGB IV enthaltenen Arbeitgeberanteile, da sie der ArbN nicht schuldet. Abzuziehen sind auch die Pflichtbeiträge des ArbN zur VBL (BGH WM 09, 2391). Abzuziehen ist auch der kassenindividuelle Zusatzbetrag gem § 242 I 1 SGB V, der dem Drittschuldner vom Schuldner mitzuteilen ist.

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