Gesetzestext

 

(1) 1Wegen der Unterhaltsansprüche, die kraft Gesetzes einem Verwandten, dem Ehegatten, einem früheren Ehegatten, dem Lebenspartner, einem früheren Lebenspartner oder nach §§ 1615l, 1615n des Bürgerlichen Gesetzbuchs einem Elternteil zustehen, sind das Arbeitseinkommen und die in § 850a Nr. 1, 2 und 4 genannten Bezüge ohne die in § 850c bezeichneten Beschränkungen pfändbar. 2Dem Schuldner ist jedoch so viel zu belassen, als er für seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten gegenüber den dem Gläubiger vorgehenden Berechtigten oder zur gleichmäßigen Befriedigung der dem Gläubiger gleichstehenden Berechtigten bedarf; von den in § 850a Nr. 1, 2 und 4 genannten Bezügen hat ihm mindestens die Hälfte des nach § 850a unpfändbaren Betrages zu verbleiben. 3Der dem Schuldner hiernach verbleibende Teil seines Arbeitseinkommens darf den Betrag nicht übersteigen, der ihm nach den Vorschriften des § 850c gegenüber nicht bevorrechtigten Gläubigern zu verbleiben hätte. 4Für die Pfändung wegen der Rückstände, die länger als ein Jahr vor dem Antrag auf Erlass des Pfändungsbeschlusses fällig geworden sind, gelten die Vorschriften dieses Absatzes insoweit nicht, als nach Lage der Verhältnisse nicht anzunehmen ist, dass der Schuldner sich seiner Zahlungspflicht absichtlich entzogen hat.

(2) Mehrere nach Absatz 1 Berechtigte sind mit ihren Ansprüchen in der Reihenfolge nach § 1609 des Bürgerlichen Gesetzbuchs und § 16 des Lebenspartnerschaftsgesetzes zu berücksichtigen, wobei mehrere gleich nahe Berechtigte untereinander den gleichen Rang haben.

(3) Bei der Vollstreckung wegen der in Absatz 1 bezeichneten Ansprüche sowie wegen der aus Anlass einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu zahlenden Renten kann zugleich mit der Pfändung wegen fälliger Ansprüche auch künftig fällig werdendes Arbeitseinkommen wegen der dann jeweils fällig werdenden Ansprüche gepfändet und überwiesen werden.

A. Normzweck.

 

Rn 1

Als vollstreckungsrechtliches Strukturkennzeichen genießen Unterhaltsforderungen einen hohen Schutz und deswegen eine privilegierte Stellung. Dadurch soll der existenzielle Schutz auch der Unterhaltsberechtigten gewährleistet werden. Zugleich wird dem besonderen Näheverhältnis zwischen dem Schuldner und dem Unterhaltsberechtigten Rechnung getragen. Nicht in diesem Zweck, aber bei der Durchführung der privilegierten Vollstreckung bestehen strukturelle Parallelen zu § 850f II.

 

Rn 2

Zugunsten des Schuldners werden bei einer Pfändung des Arbeitseinkommens durch einen Dritten die Pfändungsfreibeträge des Schuldners nach § 850c bei bestehenden Unterhaltspflichten pauschal erhöht. Für den Schutzumfang aus § 850c sind letztendlich die Unterhaltsforderungen gegen den Schuldner maßgebend, wie sich aus den kombinierten Anforderungen der erforderlichen Unterhaltsleistungen (§ 850c Rn 12), der Berücksichtigung eigenen Arbeitseinkommens der Unterhaltsberechtigten (§ 850c Rn 33) sowie den Effekten des erhöhten Pfändungsfreibetrags für den Mehrverdienst (§ 850c Rn 18 f) ergibt. Individuell höhere Unterhaltsforderungen können zudem gem § 850f I, etwa bei krankheitsbedingten Mehraufwendungen für die Unterhaltsberechtigten oder bei einer größeren Zahl von Unterhaltsberechtigten, berücksichtigt werden.

 

Rn 3

Zugunsten bevorrechtigter Unterhaltsgläubiger werden nach § 850d I bei einer Pfändung des Arbeitseinkommens wegen laufender, künftiger und im gewissen Umfang auch wegen rückständiger Forderungen von Unterhaltsberechtigten die Pfändungsfreibeträge des Schuldners aus § 850c herabgesetzt. Nach § 850d I 1 gelten für Zwangsvollstreckungen der betreffenden Unterhaltsgläubiger nicht die Beschränkungen des § 850c. Dem Schuldner ist gem § 850d I 2 HS 1 Alt 1 jedoch so viel von seinem Einkommen pfandfrei zu belassen, wie er für seinen eigenen notwendigen Unterhalt benötigt. § 850d I 2 HS 1 Alt 2 regelt, wie der pfandfreie Betrag zu bestimmen ist, wenn der Schuldner neben dem vollstreckenden Unterhaltsgläubiger auch weiteren Unterhaltsberechtigten zum Unterhalt verpflichtet ist (BGH 18.1.23 – VII ZB 35/20 Rz 19). Zudem wird auf einen Teil der nach § 850a unpfändbaren Einkünfte der Zugriff des Gläubigers zugelassen. Für Pfändungen aufgrund eines Unterhaltstitels eröffnet Abs 1 S 1 bis 3 einen vollstreckungsrechtlichen Vorrechtsbereich der privilegierten Gläubiger unterhalb der Pfändungsgrenze, aber oberhalb des Existenzminimums. Dieses Vollstreckungsprivileg trägt der besonderen Pflichtigkeit des Schuldners ggü Unterhaltsberechtigten Rechnung, verhilft dazu, das Existenzminimum der Unterhaltsgläubiger zu sichern und entlastet die Sozialsysteme. In diesem Einkommenskorridor des Schuldners konkurrieren die Unterhaltsgläubiger lediglich untereinander und mit den Gläubigern der anderen privilegierten Forderungsgruppe aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen.

 

Rn 4

Zugleich ordnet Abs 2 das Rangverhältnis mehrerer Unterhaltsberechtigter untereinander. Sonderregeln betreffen Pfändungen wegen rückständiger Unterhaltsl...

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