Rn 19

Die Regelung schützt Bezüge aus Witwen-, Waisen-, Hilfs- und Krankenkassen, die ausschließlich oder zu einem wesentlichen Teil zu Unterstützungszwecken gewährt werden. Erfasst werden auch Ansprüche auf Kostenerstattung gegen die private Krankenversicherung (BGH NJW-RR 07, 1510 [BGH 04.07.2007 - VII ZB 68/06] Rz 12; NZI 14, 369 [BGH 19.02.2014 - IV ZR 163/13] Rz 16; LG Köln NZI 14, 29; AG Montabaur Rpfleger 13, 464; LSG Thüringen NZI 19, 720; nach AG Reutlingen JurBüro 15, 385, besteht kein Pfändungsschutz bei Anlasspfändung wegen Medikamentenlieferung; s.a. Schlesw ZInsO 15, 802), auf Krankenhaustagegeld (LG Oldenburg JurBüro 83, 779, 782; aA LG Frankenthal ZInsO 16, 866) oder eine private Pflegeversicherung. Einbezogen sind auch die Leistungen einer privaten Zusatzversicherung für privatärztliche Behandlung und Wahlleistungen (LG Hannover Rpfleger 95, 511). Die Bezüge müssen nicht fortlaufend gewährt werden (Gottwald/Mock § 850b Rz 17). Der Schutzzweck der Norm schließt dagegen Bonusleistungen der Krankenkassen nicht ein, die für besondere Bemühungen des Versicherten um seine Gesundheit erbracht werden (AG Hanau ZVI 07, 368, 369). Geschützt ist auch das Sterbegeld aus berufsständischen Versorgungswerken.

 

Rn 20

Unanwendbar ist die Vorschrift bei Leistungen der Sozialversicherungsträger. Ihr Pfändungsschutz richtet sich nach § 54 SGB I (Köln NJW 89, 2956). Auf den Beihilfeanspruch des Beamten ist § 850 I Nr 4 ebenfalls nicht anwendbar (BGH NJW-RR 05, 720, 721 [BGH 05.11.2004 - IXa ZB 17/04]; AG Reutlingen VuR 18, 478, Pfändungsschutz nach § 765a).

 

Rn 21

Schließlich sind nach Nr 4 Ansprüche aus Lebensversicherungen auf den Todesfall des Versicherungsnehmers (Sterbegeldversicherung), deren Versicherungssumme EUR 5.400,– nicht übersteigt, dem Vollstreckungszugriff der Gläubiger entzogen. Der Betrag ist durch das Gesetz zur Verbesserung des Schutzes von Gerichtsvollziehern vor Gewalt sowie zur Änderung weiterer zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften und zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes v 7.5.21 (BGBl I, 850) zum 1.1.22 von EUR 3.579,– auf EUR 5.400,– angehoben worden. Damit soll den gestiegenen Beerdigungskosten und dem Umstand Rechnung getragen werden, dass der Anspruch auf Sterbegeld aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gestrichen wurde (BTDrs 19/27636, 33). Die Gerichte haben den Betrag in einem laufenden Verfahren zu berücksichtigen. Insofern ist es unzutreffend, wenn in einer Entscheidung vom 1.3.22 noch der alte Grenzwert zugrunde gelegt wird (so aber AG Münster ZInsO 22, 1506). Die Versicherung muss ausschließlich auf den Todesfall abgeschlossen sein (BGHZ 35, 261, 263; BVerfG NJW 04, 2585; Braunschw ZInsO 19, 2527, 2531). Begünstigter kann ein Dritter sein, selbst ein Nichtangehöriger, dem die Bestattung des Versicherungsnehmers obliegt (BGH ZInsO 09, 915). Bei dem gesetzlichen Grenzwert von EUR 5.400,– handelt es sich um einen Freibetrag, nicht um eine Freigrenze (Bambg JurBüro 85, 1739; Buchholz Personenversicherungen in der Insolvenz des Versicherungsnehmers, 2016, 83). Bestätigt wird diese Interpretation durch die Ausführungen in den Materialien, wonach eine Pfändungssumme pfändungsgeschützt sein solle, welche die Beerdigungskosten in einer angemessenen Höhe abdecke (BTDrs 19/27636, 33), was auf den geregelten Betrag zutrifft. Übersteigt die Versicherungssumme den Schwellenwert, sind die auf einen Betrag bis EUR 5.400,– bezogenen Ansprüche unpfändbar und nur die über diese Versicherungssumme hinausgehenden Ansprüche nach Maßgabe von Nr 4 pfändbar (BGH NJW-RR 08, 412 Rz 17 = VuR 08, 316 mAnm Kohte/Beetz; aA Anders/Gehle/Nober ZPO § 850b Rz 14). Übersteigt die Versicherungssumme EUR 5.400,–, erreicht aber der Rückkaufswert noch nicht diesen Betrag, kann der anteilige überschießende Anspruch vor Eintritt des Versicherungsfalls nicht verwertet werden (Hartwig InsbürO 15, 524, 525; HK-ZV/Meller-Hannich § 850b Rz 23; aA BeckOK-ZPO/Riedel § 850b Rz 40; HK-PrivatinsolvenzR/Deppe § 850b Rz 22). Insoweit kann auch keine (Teil-)Kündigung des Versicherungsvertrags ausgesprochen werden (aA AG Erfurt NZI 21, 675 mAnm Meller-Hannich). Übersteigen die Versicherungssumme und der Rückkaufswert den Grenzwert, ohne dass bereits die volle Versicherungssumme erreicht ist, kommt wegen des Freibetrags nur eine Pfändung des überschießenden tatsächlichen Betrags, nicht ein quotaler Zugriff in Betracht. Gepfändet werden kann der künftige höhere Auszahlungsanspruch. Eine Pfändung des Kündigungsrechts ist ausgeschlossen, da sich die Kündigung auch auf unpfändbare Ansprüche bezieht und eine Teilkündigung nicht in Betracht kommt. Im Rahmen der Billigkeitsentscheidung spricht gegen die Pfändbarkeit, wenn die Angehörigen des Schuldners bei Pfändung der Ansprüche aus einer auf seinen Todesfall abgeschlossenen Lebensversicherung zur Bestreitung der Bestattungskosten auf Sozialhilfe angewiesen wären (BGH NJW-RR 08, 412 [BGH 12.12.2007 - VII ZB 47/07] Rz 21).

 

Rn 22

Bestehen mehrere Kleinlebensve...

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