Gesetzestext
(1) Der Berufungskläger kann die Berufung bis zur Verkündung des Berufungsurteils zurücknehmen.
(2) 1Die Zurücknahme ist dem Gericht gegenüber zu erklären. 2Sie erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes.
(3) 1Die Zurücknahme hat den Verlust des eingelegten Rechtsmittels und die Verpflichtung zur Folge, die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten zu tragen. 2Diese Wirkungen sind durch Beschluss auszusprechen.
A. Allgemeines.
Rn 1
Wie die Zulässigkeit des Verzichts auf die Berufung (§ 515) ist auch die der Zurücknahme des Rechtsmittels ein Ausdruck des Dispositionsgrundsatzes. Der Berufungskläger (§ 511 Rn 53 ff) hat es in der Hand, noch nach der Einlegung des Rechtsmittels das Berufungsverfahren zu beenden. Die Zustimmung des Gegners ist dafür nicht notwendig. Entsprechende Anwendung findet die Vorschrift auf die Rücknahme der Revision (§ 565) und des Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil (§ 346) sowie gegen einen Vollstreckungsbescheid (§§ 700 Abs 1, 346), auf die Rücknahme einer Anschlussberufung nach § 524, einer sofortigen Beschwerde nach § 567, einer Rechtsbeschwerde nach § 574, einer Erinnerung nach § 573 und eines Widerspruchs gegen Arrest und einstweilige Verfügung nach § 924.
B. Berufungsrücknahme.
I. Inhalt.
Rn 2
Die Zurücknahme der Berufung ist die Erklärung, das mit der Einlegung des Rechtsmittels zum Ausdruck gebrachte Verlangen nach Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils nicht weiter verfolgen zu wollen. Demnach kann eine Zurücknahme nur angenommen werden, wenn in der Erklärung, die nicht ausdrücklich als ›Zurücknahme der Berufung‹ bezeichnet sein muss, klar und eindeutig zum Ausdruck kommt, dass der Berufungskläger (§ 511 Rn 53 ff) das Berufungsverfahren nicht mehr fortsetzen und ohne Entscheidung des Berufungsgerichts beenden will (BGH NJW-RR 06, 862, 863 [BGH 15.03.2006 - IV ZB 38/06]). Dieser Erklärungsinhalt, der auch in einem konkludenten Verhalten liegen kann, muss ggf durch Auslegung ermittelt werden.
II. Form.
Rn 3
Die Zurücknahme der Berufung kann entweder in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht oder in einem Schriftsatz erklärt werden. Die mündlich abgegebene Erklärung bedarf zu ihrer Wirksamkeit nicht der Protokollierung. Es gilt Anwaltszwang (§ 78). Allerdings kann die von der Partei selbst oder von einem bei dem Berufungsgericht nicht zugelassenen Rechtsanwalt eingelegte – unzulässige – Berufung auch von diesen zurückgenommen werden (BGH NJW-RR 94, 759). Im Übrigen gelten für die anwaltliche Rücknahmeerklärung die Ausführungen in § 515 Rn 9 entsprechend. Die Erklärung wird mit dem Zugang bei dem Berufungsgericht wirksam.
III. Zeitpunkt.
Rn 4
Die Berufung kann bis zur Verkündung des Berufungsurteils zurückgenommen werden (Abs 1). Mit der Normierung dieses späten Zeitpunkts soll der Berufungskläger (§ 511 Rn 53 ff) in die Lage versetzt werden, noch nach der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht seine Prozesstaktik dem Verhandlungsergebnis anzupassen, um der Zurückweisung des Rechtsmittels zu entgehen. ›Berufungsurteil‹ idS ist nur das die Instanz abschließende Endurteil, kein Zwischenurteil (BGH NJW 06, 2124 [BGH 30.03.2006 - III ZB 123/05]). Demnach kann die Berufung auch noch nach dem Erlass eines Vorbehaltsurteils (§ 302) oder eines Grundurteils (§ 304) zurückgenommen werden, weil diese Entscheidungen nicht das Berufungsverfahren beenden. Etwas anderes gilt für das Teilurteil (§ 301). Es ist ein Endurteil, weil es die Berufungsinstanz hinsichtlich des Teils des Berufungsgegenstandes beendet, über den entschieden worden ist. Insoweit kann die Berufung nur bis zur Verkündung des Teilurteils zurückgenommen werden. Nach dem Erlass eines Versäumnisurteils (§ 539) kann die Berufung nur zurückgenommen werden, wenn rechtzeitig Einspruch eingelegt wurde (§ 539 III iVm § 342). Der Rücknahmezeitraum ist wieder eröffnet, wenn das Revisionsgericht die Endentscheidung des Berufungsgerichts aufhebt und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweist (§§ 562, 563 I).
Rn 5
Wird die Berufungsinstanz nicht durch Urt, sondern durch Beschl beendet, wie in dem Fall der Verwerfung der Berufung nach § 522 I, kann die Berufung bis zur Zustellung (§ 329 II 2) dieser Entscheidung zurückgenommen werden (BGH NJW 06, 2124, 2125 [BGH 30.03.2006 - III ZB 123/05]).
IV. Adressat.
Rn 6
Anders als der Verzicht (§ 515 Rn 9 ff) kann die Zurücknahme der Berufung nur ggü dem Berufungsgericht erklärt werden (Abs 2 S 1). Diese Erklärung ist auch dann notwendig, wenn sich die Parteien vertraglich über die Zurücknahme geeinigt haben. Verstößt der Berufungskläger (§ 511 Rn 53 ff) gegen diese Einigung und gibt er die Erklärung nicht ab, kann der Berufungsbeklagte (§ 511 Rn 57) die Erklärungspflicht einwenden mit der Folge, dass die Berufung als unzulässig zu verwerfen ist (BGH NJW-RR 92, 567, 568 [BGH 27.11.1991 - IV ZR 267/90]). Die dem Prozessgegner ggü abgegebene Erklärung ist unwirksam; sie kann allenfalls als Verzicht auf die Berufung (§ 515) ausgelegt werden.
V. Rechtsnatur.
Rn 7
Die Erklärung der...