Rn 6

§ 36 I Nr 3 erfordert, dass die verklagten oder zu verklagenden Streitgenossen voneinander verschiedene allgemeine Gerichtsstände (§§ 12–19a) haben und dass für den Streitgegenstand kein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand eingreift. Maßgeblich ist der Vortrag des Klägers; eine Prüfung der Zulässigkeit oder Schlüssigkeit der Klage findet im Verfahren der Zuständigkeitsbestimmung nicht statt (Frankf Beschl v 3.7.17 – 13 SV 6/17, Rz 13 – juris; Frank Beschl v 10.8.17 – 11 SV 36/17 –, juris; LAG Berlin-Brandenburg Beschl v 12.6.18 – 7 SHa 533/18, Rz 9 – juris). Eine Amtsermittlung findet im Gerichtsstandsbestimmungsverfahren ebenso nicht statt (Hamm Beschl v 16.12.19 – I-32 SA 68/19, Rz 12 – juris; Zö/Schultzky § 36 Rz 28). Eine Bestimmung nach § 36 I Nr 3 scheidet hingegen grds aus, wenn ein gemeinschaftlicher Gerichtsstand durch bindende Zuständigkeitswahl (§ 35) eines anderen Gerichts verloren gegangen ist (BayObLG Beschl v 24.9.19 – 1 AR 83/19, Rz 15 – juris mwN; Hamm Beschl v 10.8.15 – 32 SA 10/15, Rz 5 – NJW-RR 16, 639; s.a. Rn 7), nach einer Ansicht soll dies selbst dann der Fall sein, wenn bei Klageerhebung noch keine Kenntnis von dem gemeinschaftlichen Gerichtsstand bestand, weil die Klage erst nachträglich auf einen Streitgenossen erweitert wurde (Zö/Schultzky § 36 Rz 23; München Rpfleger 78, 185; grds auch Vossler NJW 2006, 117, 119; aA Köln OLGR 2001, 388). Dem hat sich der BGH nicht angeschlossen: Insoweit sei die Bestimmung eines gemeinsamen Gerichtsstands jedenfalls noch möglich, wenn der Kläger bei Klageerhebung keine Kenntnis von der Existenz weiterer Schuldner hatte und eine solche durch gebotene Nachforschungen auch nicht hätte haben können (BGH Beschl v 14.7.20 – X ARZ 156/20, NJW-RR 20, 1070, Rz 2 ff, 27; Frankf Beschl v 28.4.22 – 11 SV 4/22, Rz 9 – juris; s BayObLG Beschl v 12.9.22 – 101 AR 105/22, Rz. 17 – juris; BeckOKZPO/Toussaint § 36 Rz 19).

Dem Wortlaut nach ist die in Fällen mit Auslandsberührung in Betracht kommende Konstellation, dass einer oder mehrere Streitgenossen zwar keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat/haben, dass aber in Bezug auf ihn/sie (zB nach unionsrechtlichen Zuständigkeitsnormen, BGH MDR 13, 805 ff) ein besonderer Gerichtsstand im Inland besteht, nicht in § 36 I Nr 3 geregelt. Es wäre hinsichtlich des Normzwecks aber nicht einsichtig, wenn in diesem Fall eine Gerichtsstandsbestimmung an dem zu eng geratenen Wortlaut scheitern sollte. Von daher wendet die Rspr in dieser Konstellation § 36 I Nr 3 analog an (BGH NJW 71, 196 [BGH 06.11.1970 - I ARZ 228/70]; BGH MDR 13, 805 ff [BGH 06.05.2013 - X ARZ 65/13]). Der Wortlaut der Norm ist im Hinblick auf den Normzweck auch insoweit zu eng geraten, als er nicht den Fall erfasst, dass die Streitgenossen zwar einen gemeinsamen allgemeinen Gerichtsstand haben, eine gemeinsame Klage an diesem Gerichtsstand aber ausgeschlossen ist, da hinsichtlich des Streitgegenstandes für einen Streitgenossen ein anderweitiger ausschließlicher Gerichtsstand (zB § 29a) besteht (Brandbg OLGR 03, 273; Hamm Beschl v 10.10.17 – 32 SA 50/17, Rz 12 – juris). Auch diese Konstellation ist im Wege extensiv-teleologischer Auslegung unter § 36 I Nr 3 zu subsumieren (Brandbg OLGR 03, 273). Aber auch bei verschiedenartigem allgemeinem Gerichtsstand der Streitgenossen steht der Umstand, dass für einen der Streitgenossen im Hinblick auf den Streitgegenstand ein ausschließlicher Gerichtsstand begründet ist, dem Eingreifen des § 36 I Nr 3 prinzipiell nicht entgegen (BGH NJW 98, 685, 686). Anders liegen die Dinge allerdings dann, wenn der Antragsteller mit einem der Streitgenossen einen ausschließlichen Gerichtsstand vereinbart hat (Art 25 I EuGVVO, § 38 I). Hier gilt der Grundsatz, dass für eine Anwendung des § 36 I Nr 3 kein Raum ist, da der vereinbarte Gerichtsstand dem Vertragspartner nicht entzogen werden und dem anderen Streitgenossen nicht aufgedrängt werden kann (BayObLG Beschluss v 28.10.20 – 1 AR 78/20, Rz 29 – juris; Hamm Beschl v 15.4.20 – I-32 SA 21/20, Rz 13 – juris; München Beschl v 2.5.18 – 34 AR 69/18, Rz 8, 9 – juris; Nürnbg OLGR 07, 147, 148; Zö/Schultzky § 36 Rz 24; Lorenz ZRP 11, 182). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wird lediglich unter der Voraussetzung befürwortet, dass ein gemeinschaftlicher Gerichtsstand mit dem bzw den übrigen Streitgenossen nie bestanden hat, dass das im Verhältnis zu einem Streitgenossen vereinbarte Gericht auch für den bzw die übrigen Streitgenossen gem § 36 I Nr 3 bestimmt werden kann und die Prozessführung im prorogierten Gerichtsstand diesem bzw diesen auch zugemutet werden kann (BayObLG Beschl v 12.9.22 – 101 AR 67/22, Rz 27, 47 ff – juris; BayObLG Beschluss v 28.10.20 – 1 AR 78/20, Rz 30 – juris; BayObLG Beschl v 5.3.20 – 1 AR 2/20, Rz 27 – juris; Hamm Beschl v 15.4.20 – I-32 SA 21/20, Rz 13 – juris; Nürnbg OLGR 07, 147; Zö/Schultzky § 36 Rz 24). Die Prorogation eines Gerichtsstandes mit einem der Streitgenossen (§§ 59, 60 ZPO) hat zur Folge, dass keiner der allgemeinen Gerichtsstände der Antragsgeg...

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