Leitsatz (amtlich)

Aus den im Rahmen von § 36 Abs. I Nr. 3 ZPO zu berücksichtigenden Gründen der Prozessökonomie und der Verfahrensbeschleunigung kann es geboten sein, trotz Vorliegens eines gemeinschaftlichen Gerichtsstandes eben diesen als zuständiges Gericht zu bestimmen, wenn dadurch ein Verweisungsverfahren vor dem Landgericht vermieden werden kann.

 

Normenkette

ZPO § 36

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Aktenzeichen 4 O 83/17)

 

Tenor

Als das örtlich zuständige Gericht wird das Landgericht Flensburg bestimmt.

 

Gründe

I. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 19.01.2017 (Bl. 1 ff. d. A.) vor dem Landgericht Darmstadt Klage gegenüber den Beklagten zu 1) und 2) erhoben, mit der er von der Beklagten zu 1) Lieferung eines mangelfreien Pkw und von beiden Beklagten als Gesamtschuldnern Schadensersatz verlangt.

Mit Kaufvertrag vom 10.06.2010 kaufte der Kläger bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1), einer A-Vertragshändlerin, ein Neufahrzeug der Marke A1 zu einem Kaufpreis von 22.816,51 EUR.

Der Wohnsitz des Klägers und der Sitz der Beklagten zu 1) befinden sich im Bezirk des Landgerichts Flensburg, die Beklagte zu 2) hat ihren Sitz im Bezirk des Landgerichts Darmstadt.

Der Kläger behauptet, der streitgegenständliche Pkw A1 sei mangelhaft. Der Pkw sei mit einer Software versehen, die die Stickoxidwerte bei Abgasmessungen verändere, um die gesetzlichen Abgaswerte im Prüfstandlauf einzuhalten, wodurch die Überschreitung der Abgaswerte im Normalbetrieb des Fahrzeugs verschleiert werde. Die Beklagte zu 2) sei Herstellerin und Garantiegeberin des streitgegenständlichen Pkw. Sie habe die unerlaubte Software wissentlich und willentlich in die betreffende Modellreihe eingebaut.

Der Kläger ist der Ansicht, er habe gegenüber der Beklagte zu 1) einen Anspruch auf Lieferung eines mangelfreien Pkw gemäß §§ 433, 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 2. Alt. BGB und einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 6.844,98 EUR gemäß §§ 280 Abs. 1, 437 Nr. 3 BGB. Die Beklagte zu 2) hafte gemäß §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB gesamtschuldnerisch für den Schadensersatzersatzanspruch in Höhe von 6.844,98 EUR.

Mit Schriftsatz vom 08.03.2017 (Bl. 64 ff. d. A.) hat die Beklagte zu 1) die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Darmstadt gerügt. Örtlich zuständig für die Beklagte zu 1) sei das Landgericht Flensburg, in dessen Bezirk die Beklagte zu 1) ihren Sitz habe.

Mit Verfügung vom 10.03.2017 (Bl. 71 R d. A.) hat das Landgericht Darmstadt darauf hingewiesen, dass es die Ausführungen der Beklagten zu 1) im Schriftsatz vom 08.03.2017 für zutreffend halte, und angeregt, das Landgericht Flensburg im Verfahren nach §§ 36, 37 ZPO als zuständiges Gericht bestimmen zu lassen.

Mit Schriftsatz vom 24.03.2017 (Bl. 86 ff. d. A.) hat der Kläger Antrag bei dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main gestellt, gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO das "Landgericht für 24837 Schleswig" als das zuständige Gericht zu bestimmen.

Mit Schriftsätzen vom 18.04.2017 (Bl. 91 ff. d. A.) und vom 11.05.2017 (Bl. 101 ff. d. A.) hat sich die Beklagte zu 1) dem Antrag angeschlossen.

Schließlich hat sich auch die Beklagte zu 2) mit Schriftsatz vom 13.06.2017 (Bl. 108 ff. d. A.) mit einer "Verweisung" an das Landgericht Flensburg einverstanden erklärt.

II. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main ist gemäß § 36 Abs. 1 ZPO als das im Rechtszug zunächst höhere Gericht zur Entscheidung über den Antrag berufen.

Die Voraussetzungen für eine Bestimmung des Gerichtsstands gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen im Ergebnis vor.

Zwar erfolgt nach der vorgenannten Vorschrift eine Bestimmung des Gerichtsstands grundsätzlich nur, wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist. Ist ein gemeinsamer Gerichtsstand zuverlässig feststellbar, scheidet eine Gerichtsstandsbestimmung demgegenüber in der Regel aus (OLG Frankfurt am Main, Beschluss v. 30.07.2012, 11 AR 142/12, juris Rn. 7; Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. A. 2016, § 36 Rn. 15). Maßgeblich ist insoweit der Vortrag des Klägers; eine Prüfung der Zulässigkeit oder Schlüssigkeit der Klage findet im Verfahren der Zuständigkeitsbestimmung nicht statt (Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. A. 2016, § 36 Rn. 15).

Im Streitfall ist allerdings ein gemeinschaftlicher Gerichtsstand für beide Beklagten feststellbar, und zwar beim Landgericht Flensburg, und nicht etwa, wie der Kläger zunächst vertreten hat, beim Landgericht Darmstadt. Eine örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Darmstadt ist vielmehr für die gegenüber der Beklagten zu 1) geltend gemachten Ansprüche nicht ersichtlich. Insbesondere ergibt sich eine solche nicht aus der Regelung des § 35 ZPO, da diese ein zuständiges Gericht voraussetzt.

Hinsichtlich der Beklagten zu 1) ist das Landgericht Flensburg gemäß §§ 12, 17 ZPO örtlich zuständig, weil sie ihren Sitz im Gerichtsbezirk des Landgerichts Flensburg hat. Für die Beklagte zu 2) ist ein besonderer Gerichts...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge