Gesetzestext

 

(1) Der Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils oder einer Entscheidung nach Lage der Akten ist zurückzuweisen:

1. wenn die erschienene Partei die vom Gericht wegen eines von Amts wegen zu berücksichtigenden Umstandes erforderte Nachweisung nicht zu beschaffen vermag;
2. wenn die nicht erschienene Partei nicht ordnungsmäßig, insbesondere nicht rechtzeitig geladen war;
3. wenn der nicht erschienenen Partei ein tatsächliches mündliches Vorbringen oder ein Antrag nicht rechtzeitig mittels Schriftsatzes mitgeteilt war;
4. wenn im Falle des § 331 Abs. 3 dem Beklagten die Frist des § 276 Abs. 1 Satz 1 nicht mitgeteilt oder er nicht gemäß § 276 Abs. 2 belehrt worden ist;
5. wenn in den Fällen des § 79 Abs. 3 die Zurückweisung des Bevollmächtigten oder die Untersagung der weiteren Vertretung erst in dem Termin erfolgt oder der nicht erschienenen Partei nicht rechtzeitig mitgeteilt worden ist.

(2) Wird die Verhandlung vertagt, so ist die nicht erschienene Partei zu dem neuen Termin zu laden.

A. Normzweck.

 

Rn 1

§ 335 regelt Sachverhalte, in denen dem Prozessantrag auf Erlass des Versäumnisurteils zwar nicht entsprochen werden kann, wegen der Behebbarkeit der Verfahrensmängel eine die Instanz abschließende Entscheidung jedoch nicht ergehen darf. Der nicht säumigen Partei wird hier ›nur‹ das Recht auf das Versäumnisurteil abgesprochen (Mot zur CPO, 233 = Hahn/Mugdan, Materialien, 296). In der Regel wird eine Vertagung angezeigt sein, die die anwesende Partei seit der Änderung von 1924 (VO v 13.2.24, RGBl I 135) allerdings nur noch unter den in § 227 bestimmten Voraussetzungen verlangen kann.

 

Rn 2

Die ursprüngliche Fassung enthielt nur die in Nr 1 bis 3 geregelten Fälle (Fehlen behebbarer Prozess- oder Sachurteilsvoraussetzungen; Mängel der Ladung, verspätet mitgeteilter Vortrag oder Sachantrag des Kl). Der mit der Vereinfachungsnovelle 1976 (BGBl I, 3281) eingefügte Abs 1 Nr 4 schließt den Erlass eines Versäumnisurteils im schriftlichen Vorverfahren aus, wenn die Hinweise und Belehrungen nach § 276 I, II nicht erfolgt sind (BTDrs 7/2729, 70, 80). Abs 1 Nr 5, eingefügt durch Art 8 RDG vom 12.12.07 (BGBl I S 2840), passt die Voraussetzungen für den Erlass eines Versäumnisurteils an die Neuregelung über das Recht zur Zurückweisung von Bevollmächtigten im Parteiprozess an (BTDrs 16/3655, 91).

B. Gründe für den Ausschluss des Versäumnisurteils (Abs 1).

I. Fehlender Nachweis eines von Amts wegen zu berücksichtigenden Umstands (Nr 1).

 

Rn 3

VAw zu berücksichtigen sind va Zulässigkeitsmängel der Klage – hierzu gehört etwa die Prozessunfähigkeit einer Partei (vgl BGH MDR 21, 1081 [BGH 08.07.2021 - III ZR 344/20]) – oder der fehlende Nachweis einer Prozessvollmacht nach § 88 II. Nicht hierunter fallen die nur auf Rüge zu berücksichtigenden Prozesseinreden (wie eine Schiedsvereinbarung nach § 1032) sowie Parteivereinbarungen über eine Rücknahme der Klage oder über den Ausschluss der Klagbarkeit der Forderung (vgl MüKoZPO/Prütting Rz 5). Eine Sonderstellung nehmen das Verlangen nach Sicherheit für die Prozesskosten (§§ 110, 113) und die Einrede nicht erstatteter Kosten nach früherer Klagerücknahme (§ 269 VI) ein, weil sie den Bekl berechtigen, die Einlassung zu verweigern. Sie sind zu berücksichtigen, wenn ein entsprechender Antrag einmal gestellt worden ist (str wie hier: Musielak/Voit/Stadler Rz 2; Zö/Herget Rz 2; Wieczorek/Schütze/Büscher Rz 5; aA Anders/Gehle/Anders ZPO Rz 4: – vAw zu berücksichtigen: wiederum aA MüKoZPO/Prütting Rz 3 – wie andere Prozesseinreden zu behandeln).

 

Rn 4

Der Verfahrensmangel muss behebbar und die erschienene Partei bereit sein, die geforderten Nachweise zu beschaffen (allgM). Fehlt es daran, ist – nach Erteilung des gem § 139 III gebotenen Hinweises – die Klage durch Prozessurteil abzuweisen (s § 330 Rn 18, 19 und § 331 Rn 23). Geht es um die Prozessfähigkeit einer Partei und ist nach der Prüfung trotz Erschöpfung aller erschließbaren Erkenntnisquellen die Prozessfähigkeit weder klar zu bejahen noch eindeutig zu verneinen, bleiben aber ernsthafte und begründete Zweifel an der Prozessfähigkeit bestehen, scheidet ein Prozessurteil aus. Die Beweislastregel, wie sie im Bürgerlichen Recht hinsichtlich der Voraussetzungen des § 104 Nr 2 BGB gilt, findet bei Entscheidungen über die Prozessfähigkeit keine Anwendung (vgl BGH MDR 21, 1081 [BGH 08.07.2021 - III ZR 344/20] Rz 18 f – auch zum weiteren Vorgehen des Gerichts in diesem Fall).

II. Nicht ordnungsgemäße Ladung der nicht erschienenen Partei (Nr 2).

 

Rn 5

Dieser Zurückweisungsgrund setzt voraus, dass die nicht erschienene Partei nach § 214 zu laden war. Er gilt daher nicht, wenn die Ladung entbehrlich war (§ 218) oder eine zulässige Terminsmitteilung (§ 497 II 1) erfolgte. Bedurfte es – wie stets für den Einspruchstermin nach § 341a (BGH NJW 11, 928, 929 [BGH 20.12.2010 - VII ZB 72/09]) – der Ladung, sind die Einhaltung der Ladungs- und Einlassungsfristen (Hamm NJW-RR 91, 895, 896 [OLG Koblenz 24.10.1990 - 14 W 671/90]) sowie die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung (vgl Zweibr OLGR 01, 389, 391 für eine öffentliche Zustellung; AG Neuruppin NJW-RR 03, 2249, 2250 für eine Ersatzzustellung durch Niederlegung) festzustellen und zu protokollieren. Bei der formlosen Ladung des Kl im amts...

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