Rn 5

Das Beschwerdeverfahren richtet sich gem III 1 als volle zweite Tatsacheninstanz nach den Vorschriften des erstinstanzlichen Verfahrens, §§ 23 ff. Infolge Amtsermittlung (§ 26) keine Präklusion. Die durch Hinzuziehung in erster Instanz begründete Beteiligtenstellung sog. Kann-Beteiligter iSv § 7 III besteht in der Beschwerdeinstanz ebenso fort (BGH FamRZ 12, 1049) wie die erstinstanzlich erfolgte Bestellung eines Verfahrensbeistands (§ 158 IV). III 2 erlaubt – vorbehaltlich V (s Rn 5a) – nach pflichtgemäßem Ermessen das Absehen v der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder anderer einzelner Verfahrenshandlungen der §§ 23 ff, wenn diese v FamG bereits ausreichend dokumentiert verfahrensfehlerfrei (BGH FamRZ 21, 1240; 11, 805) durchgeführt worden u eine erneute Vornahme durch das Beschwerdegericht keine neuen Erkenntnisse erwarten lässt. Das Beschwerdegericht ist auch verfassungsrechtlich oder nach Art 8 EMRK nicht gehalten, einen Anhörungstermin durchzuführen, wenn das FamG bereits alle notwendigen Ermittlungen durchgeführt hat u weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, welchen weiteren Erkenntnisgewinn die erneute mündliche Anhörung der Beteiligten im Beschwerdeverfahren haben kann (BVerfG FamRZ 16, 1917, 1921; EuGHMR FamRZ 18, 350). Dies gilt auch, wenn ein Beteiligter trotz Hinweises gem § 34 III 2 unentschuldigt nicht zum Termin erschienen war (BGH FamRZ 21, 1240), u ist selbst gg den ausdr erklärten Willen eines Beteiligten zulässig (BGH FamRZ 17, 1668). Eines vorherigen gerichtlichen Hinweises im Beschwerdeverfahren bedarf es – anders als nach § 117 III in Ehe- u Familienstreitsachen – nicht. Die Gründe für das Absehen sind jedoch in der Beschwerdeentscheidung darzulegen (BVerfG FamRZ 20, 1579; BGH FamRZ 14, 828). Der Vortrag neuer entscheidungserheblicher Tatsachen gebietet demggü idR eine erneute Anhörung der Beteiligten durch das Beschwerdegericht (BGH FamRZ 17, 227). Gleiches gilt bei einer längere Zeit zurückliegenden Kindesanhörung. Hat das FamG eine Verfahrenshandlung wie zB die Kindesanhörung nach § 159 verfahrensfehlerhaft oder überhaupt nicht durchgeführt, sodass diese im Beschwerdeverfahren zu wiederholen bzw erstmals durchzuführen ist, ist dem Beschwerdeführer dennoch VKH zu versagen, wenn die angefochtene Entscheidung zwar formell keinen Bestand haben kann, das materielle Ergebnis sich jedoch nach Korrektur des Verfahrensfehlers voraussichtlich nicht ändern wird, es also an der materiellen Erfolgsaussicht der Beschwerde fehlt (BGH WM 12, 78). Zum Absehen v der Wiederholung einer förmlichen Beweisaufnahme gem §§ 68 III 1, 30 s § 398 ZPO Rn 2 f, 4. Unabhängig v III 2 darf das Beschwerdegericht v Verfahrenshandlungen absehen, die wie zB §§ 30 I, 32 I, 33 I auch in erster Instanz nach pflichtgemäßem Ermessen nicht hätten durchgeführt werden müssen.

 

Rn 5a

Der zum 1.7.21 neu geschaffene V untersagt selbst bei offensichtlich unbegründeten Beschwerden die Verfahrenserleichterungen des III 2, nicht jedoch jene gem §§ 30 I, 32 I (beachte aber den tw vorrangigen § 155 II 1) u 33 I, in besonders grundrechtssensiblen bzw kinderschutzrelevanten Kindschaftssachen im Hauptsacheverfahren. Keine Anwendung findet V für Beschwerden nach § 57, wenn der durch V geschützte Beteiligte insoweit kein Rechtsmittel eingelegt hat (Kobl 29.7.22 – 13 UF 299/22) sowie mangels Sachentscheidung bei Zurückverweisungen (§ 69 I 2, 3; Zweibr FamRZ 22, 1117; Brandbg FamRZ 22, 806) u der Verwerfung der Beschwerde als unzulässig (BTDrs 19/23707, 52). V betrifft insb die Durchführung eines Termins (§ 155 II 1) u Anhörungen nach §§ 159–162 (BTDrs 19/23707, 51f). Demggü nötigt V nicht zur Wiederholung aller erstinstanzlicher Ermittlungen u Beweisaufnahmen. Denn hier erlaubt § 37 I dem Beschwerdegericht weiterhin, seine Überzeugung auch aus dem erstinstanzlichen Akteninhalt zu gewinnen (Witt FamRZ 21, 1510). Da eine vorgeschriebene Kindesanhörung grds im Beschwerdeverfahren zu wiederholen ist (BGH FamRZ 17, 532, 536; s.a. § 159 Rn 3; Ausn: Kind bereits (mehrfach) gerichtlich angehört, letzte Anhörung liegt wenige Monate zurück u gleichbleibende Argumente der übrigen Beteiligten [BVerfG FamRZ 20, 1579 u Hamm FamRZ 09, 1423] oder gem III 2 aF bei klaren Fällen der §§ 1666, 1666a BGB), geht das Erfordernis der Kindesanhörung (inkl Verschaffung eines persönlichen Eindrucks v dem Kind [zB Verhaltens- u Interaktionsbeobachtung, Kischkel FamRZ 21, 1595]) im Beschwerdeverfahren gem des ebf neu gefassten u nunmehr grds zur altersunabhängigen Kindesanhörung verpflichtenden § 159 tw über V hinaus. Insoweit sind ua folgende bedeutsame Konstellationen zu unterscheiden: In Betracht kommt: (1) Tw/vollständiger Entzug der Personensorge gem §§ 1666, 1666a BGB, auch bei Verlängerung bzw Erweiterung solcher Maßnahmen (Hammer FamRZ 22, 1581, 1585) – iGgs zu Auflagen u Geboten nach § 1666 I, III BGB (Witt FamRZ 21, 1510): keine Verfahrenserleichterung (III 2, V Nr 1), Termin gem § 155 II 1 nötig u Absehen v Kindesanhörung nur gem

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