Gesetzestext

 

(1) 1Das Gericht hat dem minderjährigen Kind in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, einen fachlich und persönlich geeigneten Verfahrensbeistand zu bestellen, soweit dies zur Wahrnehmung der Interessen des Kindes erforderlich ist. 2Der Verfahrensbeistand ist so früh wie möglich zu bestellen.

(2) Die Bestellung ist stets erforderlich, wenn eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:

1. die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
2. der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder
3. eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Absatz 4 oder § 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

(3) 1Die Bestellung ist in der Regel erforderlich, wenn

1. das Interesse des Kindes zu dem seiner gesetzlichen Vertreter in erheblichem Gegensatz steht,
2. eine Trennung des Kindes von der Person erfolgen soll, in deren Obhut es sich befindet,
3. Verfahren die Herausgabe des Kindes zum Gegenstand haben oder
4. eine wesentliche Beschränkung des Umgangsrechts in Betracht kommt.

2Sieht das Gericht in den genannten Fällen von der Bestellung eines Verfahrensbeistands ab, ist dies in der Endentscheidung zu begründen.

(4) 1Die Bestellung endet mit der Aufhebung der Bestellung, mit Rechtskraft der das Verfahren abschließenden Entscheidung oder mit dem sonstigen Abschluss des Verfahrens. 2Das Gericht hebt die Bestellung auf, wenn

1. der Verfahrensbeistand dies beantragt und einer Entlassung keine erheblichen Gründe entgegenstehen oder
2. die Fortführung des Amtes die Interessen des Kindes gefährden würde.

(5) Die Bestellung eines Verfahrensbeistands oder deren Aufhebung sowie die Ablehnung einer derartigen Maßnahme sind nicht selbständig anfechtbar.

A. Allgemeines.

 

Rn 1

Für die am Kindeswohl zu orientierende Entscheidung ist von besonderer Bedeutung, dass das Interesse des regelmäßig nicht formell am Verfahren beteiligten Kindes in einer Weise in das Verfahren eingebracht wird, die seiner grundrechtlichen Position hinreichend Rechnung trägt (vgl bereits BVerfG NJW 81, 217; zuletzt BVerfG FamRZ 18, 826). Durch das am 1.7.98 in Kraft getretene Kindschaftsrechtsreformgesetz (BGBl I, 2942) wurde in § 50 FGG aF zur Wahrung der Kindesinteressen erstmals der Verfahrenspfleger geregelt (vgl hierzu BTDrs 13/4899, 129). Der Verfahrensbeistand ist an die Stelle des Verfahrenspflegers getreten; die Bezeichnung ›Verfahrensbeistand‹ soll Aufgabe und Funktion im Verfahren deutlicher zum Ausdruck bringen; als ausschließlich verfahrensrechtliches Institut handelt es sich nicht um eine Beistandschaft iSv §§ 1712 ff BGB (BTDrs 16/6308, 238). Wurde der Verfahrensbeistand in einem Verfahren zur Regelung des Umgangs nach § 1684 bestellt, ist er nicht zugleich auch Umgangspfleger gem § 1684 III BGB.

 

Rn 2

Der Begriff des Verfahrenspflegers wurde nur für den Bereich der Kindschaftssachen geändert; für das Verfahren in Betreuungs- und Unterbringungssachen wurde er grds beibehalten (vgl § 317), um die unterschiedliche Ausgestaltung der verschiedenen Rechtsgebiete zu unterstreichen (BTDrs 16/6308, 238); § 167 I 2 bestimmt aber ausdrücklich, dass bei der freiheitsentziehenden Unterbringung Minderjähriger an die Stelle des Verfahrenspflegers der Verfahrensbeistand tritt, da auch diese Verfahren nach § 151 Nr 6, 7 Kindschaftssachen sind. Die Vorschriften der §§ 174, 191 ermöglichen es dem Gericht weitergehend, einem minderjährigen Beteiligten auch in Abstammungs- und Adoptionssachen einen Verfahrensbeistand nach § 158 zu bestellen.

 

Rn 3

Mit der Neuregelung in § 158 sollten auch Streit- und Zweifelsfragen im Zusammenhang mit der bisherigen Regelung gesetzlich geklärt werden (BTDrs 16/6308, 238). Das betraf insb die in § 158 Abs 3 S 4 aF enthaltene Klarstellung, dass die Bestellung des Verfahrensbeistands nicht isoliert anfechtbar ist, den in § 158 Abs 4 S 1–3 aF ausdrücklich gesetzlich umschriebenen Aufgabenbereich und schließlich seine in § 158 Abs 4 S 5 und S 6 aF klargestellte Rechtsstellung. Eine weitere Neuregelung enthielt Abs 7, der die Vergütung des Verfahrensbeistands abweichend von § 50 V FGG aF (Aufwendungsersatz gem § 67a FGG aF entspr § 1808 BGB) auf eine Fallpauschale umstellt.

 

Rn 3a

Aufgrund des Gesetzes zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder (v 16.6.21, BGBl 2021 I, 1810) wurden die bislang in § 158 enthaltenen Regelungen zum Verfahrensbeistand entspr der einzelnen Regelungsgegenstände neu strukturiert und auf vier Vorschriften erstreckt, §§ 158–158c. Die Vorschriften sind mit Ausnahme von § 158a zum 1.7.21 in Kraft getreten (Art 10 I).

B. Die Vorschrift im Einzelnen.

I. Voraussetzung der Bestellung nach Abs. 1 – Grundtatbestand.

 

Rn 4

Die Voraussetzungen für die Bestellung eines Verfahrensbeistands ergeben sich neben dem in Abs 1 enthaltenen eigenständigen Grundtatbestand aus den in Abs 2 und den in Abs 3 enthaltenen Regelbeispielen, die zugleich als Orientierung zur Auslegung des Begriffs der Erforderlichkeit herangezogen werden können (BTDrs 16/6308, 238).

1. Kindschaftssachen betreffend die Person des Kindes.

 

Rn 5

Ein Verfahrensbeistand ist dem Kind bei Vorliegen der Voraussetzungen gem Abs 1 S 1 in ei...

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