Gesetzestext

 

(1) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen der Ehegatten anordnen und sie anhören. Die Anhörung eines Ehegatten hat in Abwesenheit des anderen Ehegatten stattzufinden, falls dies zum Schutz des anzuhörenden Ehegatten oder aus anderen Gründen erforderlich ist. Das Gericht kann von Amts wegen einen oder beide Ehegatten als Beteiligte vernehmen, auch wenn die Voraussetzungen des § 448 der Zivilprozessordnung nicht gegeben sind.

(2) Sind gemeinschaftliche minderjährige Kinder vorhanden, hat das Gericht die Ehegatten auch zur elterlichen Sorge und zum Umgangsrecht anzuhören und auf bestehende Möglichkeiten der Beratung hinzuweisen.

(3) Ist ein Ehegatte am Erscheinen verhindert oder hält er sich in so großer Entfernung vom Sitz des Gerichts auf, dass ihm das Erscheinen nicht zugemutet werden kann, kann die Anhörung oder Vernehmung durch einen ersuchten Richter erfolgen.

(4) Gegen einen nicht erschienenen Ehegatten ist wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen zu verfahren; die Ordnungshaft ist ausgeschlossen.

A. Allgemeines.

 

Rn 1

Die Vorschrift entspricht im Wesentlichen § 613 ZPO aF. Es war erklärtes Ziel des Gesetzgebers, den Gesetzestext durch Aufgliederung in mehrere Abs besser lesbar zu machen (BTDrs 16/6308, 227). Neu ist die in Abs 1 S 2 enthaltene Regelung, die Anhörung eines Ehegatten unter den genannten Voraussetzungen in Abwesenheit des anderen Ehegatten stattfinden zu lassen. Abs 2 unterscheidet sich vom bisherigen § 613 I 2 ZPO aF im Wesentlichen dadurch, dass das Gericht die Ehegatten beim Vorhandensein gemeinschaftlicher minderjähriger Kinder nicht nur zur elterlichen Sorge, sondern auch zum Umgangsrecht anhören soll. Den Ehegatten soll ihre fortbestehende Verantwortung für die von Trennung und Scheidung betroffenen Kinder deutlich gemacht werden (BTDrs 16/6308, 228).

 

Rn 2

Die Vorschrift ist im Zusammenhang mit der in Ehesachen bestehenden Amtsermittlungspflicht (§ 127) zu sehen. § 128 modifiziert die gem § 113 I 2 grds anwendbaren entsprechenden Vorschriften der ZPO (§§ 141, 448). Anders als in § 141 ZPO setzt § 128 I 1 die Erforderlichkeit der Anordnung des persönlichen Erscheinens zur Sachverhaltsaufklärung nicht voraus, sondern unterstellt sie. Die Beteiligtenvernehmung ist abweichend von § 448 ZPO als originäres und nicht subsidiäres Beweismittel ausgestaltet (Musielak/Borth/Frank/Borth § 128 Rz 1). Bei unentschuldigtem Nichterscheinen kann – wie auch in § 141 III 1 ZPO vorgesehen – gegen den ausgebliebenen Ehegatten ein Ordnungsgeld verhängt werden.

B. Die Vorschrift im Einzelnen.

I. Anordnung des persönlichen Erscheinens (Abs 1 S 1).

 

Rn 3

Gem § 113 I 2 iVm § 128 I ZPO hat das Gericht in Ehesachen mit den Beteiligten mündlich zu verhandeln und soll das persönliche Erscheinen zum Termin anordnen. Die Vorschrift des § 128 Abs 1 ist zwar als ›Soll-Vorschrift‹ ausgestaltet; gleichwohl steht die Entscheidung darüber, ob das persönliche Erscheinen angeordnet wird oder eine Anhörung der Ehegatten stattfindet, nicht im Ermessen des Gerichts, das den Sachverhalt aufzuklären hat, § 127 I (zB Prütting/Helms/Helms § 128 Rz 3; Musielak/Borth/Frank/Borth § 128 Rz 3; MüKoFamFG/Lugani § 128 Rz 10; Hamm FamRZ 13, 64). Das Gericht ist befugt, zum Zwecke der gemeinsamen Anhörung der Parteien deren gemeinsames Erscheinen anzuordnen (Brandbg FamRZ 00, 897; vgl auch Musielak/Borth/Frank/Borth § 128 Rz 3). Die Anordnung des persönlichen Erscheinens erfolgt auf der Grundlage von § 113 I 2 iVm § 273 II Nr 3 ZPO, dessen Anwendung durch § 113 IV Nr 3 nicht ausgeschlossen ist. Die Beteiligten sind nach § 273 IV 2 ZPO iVm § 141 III 3 ZPO in der Ladung auf die Folgen des Ausbleibens hinzuweisen. Der Gegenstand der Anhörung ist mitzuteilen. Jedenfalls in einer Scheidungssache wird die Angabe der zugrunde liegenden Norm ausreichen (Musielak/Borth/Frank/Borth § 128 Rz 9: ›kann weit gefasst sein‹; vgl auch Sternal/Weber § 128 Rz 5; aA wohl FAKomm-FamR/Roßmann § 128 Rz 4). Wegen der weiteren Einzelheiten der Ladung wird auf die Kommentierung zu § 141 ZPO (Rn 8) Bezug genommen. Die Formalien sind einzuhalten, da ansonsten die zwangsweise Durchsetzung des persönlichen Erscheinens mit Ordnungsmitteln (Abs 4) nicht möglich ist. Hinsichtlich der Ladungsfrist gilt § 113 I 2 iVm § 217 ZPO (vgl aber BGH FamRZ 12, 863 zur Ladungsfrist in Scheidungssachen im Hinblick auf § 137 II 1).

II. Persönliche Anhörung der Ehegatten (Abs 1 S 1).

 

Rn 4

Gem § 128 I soll (s.o. Rn 3) das Gericht die Ehegatten anhören. Durch die Anhörung soll der Sachverhalt näher aufgeklärt, die persönliche Sichtweise der Ehegatten in ihren höchstpersönlichen Angelegenheiten geäußert und dem Gericht ein persönlicher Eindruck von den Ehegatten, auch von ihrer Verfahrensfähigkeit, vermittelt werden (Sternal/Weber § 128 Rz 6; BGH FamRZ 16, 617; FamRZ 04, 1364; vgl aber zB Oldbg FuR 20, 716: Ehescheidung ohne Anhörung des Antragstellers nach dreijährigem Getrenntleben). Die Ehegatten sind nicht verpflichtet, iRd Anhörung Angaben zur Sache zu machen (Hambg MDR 97, 596; MüKoFamFG/Lugani § 128 Rz 11; ThoPu/Hüßtege § 128 Rz 4; FAKomm-FamR/Roßmann § 128 Rz 17). Die Äußerung der Ehegatten kann deshalb – anders als...

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