Gesetzestext

 

(1) 1Das Gericht soll das persönliche Erscheinen beider Parteien anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. 2Ist einer Partei wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grund die persönliche Wahrnehmung des Termins nicht zuzumuten, so sieht das Gericht von der Anordnung ihres Erscheinens ab.

(2) 1Wird das Erscheinen angeordnet, so ist die Partei von Amts wegen zu laden. 2Die Ladung ist der Partei selbst mitzuteilen, auch wenn sie einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat; der Zustellung bedarf die Ladung nicht.

(3) 1Bleibt die Partei im Termin aus, so kann gegen sie Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden. 2Dies gilt nicht, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist. 3Die Partei ist auf die Folgen ihres Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen.

A. Normzweck.

 

Rn 1

Die Norm ergänzt § 139. Die persönliche Anhörung der Parteien ist regelmäßig hilfreich, um den Sach- und Streitstand des Verfahrens durch das Gericht besser aufzuklären. Die Norm ist damit Teil der Konzentration des Verfahrens und sie hilft bei einer effizienten Erledigung des Rechtsstreits. Die Norm ist im Zusammenhang mit den §§ 273 II Nr 3, 278 III zu lesen und sie ist von § 448 (Parteivernehmung) abzugrenzen (s.u. Rn 2). In dem Normzweck, die idR aus eigener Anschauung gewonnenen Kenntnisse einer Partei oder beider Parteien für die Erledigung des Rechtsstreits fruchtbar zu machen, liegt zugleich eine große Gefahr, durch eine Parteianhörung den Streitstoff zu ergänzen und die Partei als Beweismittel zu nutzen. Insofern enthält § 141 nicht unerhebliche Gefahrenmomente (s.u. Rn 2, 4). Eine weitere Parteianhörung speziell im Güteverfahren sieht § 278 III vor (s.u. Rn 6). Zweck der Norm ist es nicht, eine Missachtung des Gerichts zu ahnden.

B. Abgrenzung und Gefahren der Anhörung.

I. Parteianhörung und Parteivernehmung.

 

Rn 2

Theoretisch besteht ein klarer Unterschied zwischen der Parteianhörung nach § 141 und der Parteivernehmung nach §§ 445 ff. So besteht bereits ein grundlegender formaler Unterschied bei der Anordnung. Eine Parteianhörung wird durch Beschl des Gerichts oder als eine vorbereitende Maßnahme (vgl § 273 II Nr 3) durch Verfügung angeordnet, während die Parteivernehmung einen Beweisbeschluss erfordert (§ 450 I 1). Weiterhin besteht ein klarer systematischer Unterschied. Die Parteianhörung ist Teil der mündlichen Verhandlung (also kein Beweismittel, KG NJW 18, 239 [KG Berlin 11.07.2017 - 21 U 100/16]), die Parteivernehmung ist die Heranziehung eines Beweismittels und ist damit Teil der Beweisaufnahme. Dadurch ergibt sich bei theoretischer Betrachtung auch ein klarer zeitlicher Unterschied. Die Parteianhörung wird idR zu Beginn des Prozesses, insb iRd Güteverhandlung in Betracht kommen (vgl § 278 III), die Parteivernehmung als Beweisaufnahme folgt erst nach der streitigen Verhandlung (§ 279 II).

Diese klaren theoretischen Unterschiede können sich in der Praxis leicht verwischen (vgl BGH NJW-RR 16, 583 [BGH 21.01.2016 - I ZB 12/15]: beide Bereiche sollen sich überschneiden). Der Richter kann iRd Parteianhörung alle diejenigen Problempunkte erörtern, die auch Thema einer Parteivernehmung sein könnten. Der Richter kann die Parteien vAw und unter Sanktionsandrohung laden. Schließlich gibt die persönliche Anwesenheit der Partei dem Richter die Chance, denkbare Unterschiede in der Darstellung des Prozessbevollmächtigten zur Auffassung der Partei auszuloten. So liegt die Gefahr nahe, die Darstellungen der Partei iRd § 141 als endgültige Aussage und damit letztlich wie eine Beweisaufnahme zu werten. Insbesondere wird ein solches Verhalten dem Richter durch § 286 I ermöglicht, der iRd freien Beweiswürdigung ausdrücklich auch auf den gesamten Inhalt der Verhandlungen abstellt (Kockentiedt/Windau NJW 19, 3348; Kobl MDR 17, 1301; Stackmann NJW 12, 1249, 1252).

Wie problematisch ein solches richterliches Vorgehen letztlich dennoch ist, zeigt die Tatsache, dass die Aussagen der Partei iRv § 141 Parteibehauptungen bleiben (nicht Beweisaussagen; Deppenkemper jM 19, 312). Es bedarf also weiterhin einer Unterscheidung zwischen der Parteienanhörung, die Teil des Streitstoffes ist, und dem Beweisstoff, der sich aus einer Beweisaufnahme ergibt. Die Unterscheidung muss sich auch auf die Frage auswirken, ob ein Geständnis der Partei nach § 288 möglich ist. Dies ist bei der Parteivernehmung abzulehnen (BGH NJW 95, 1432; RG JW 36, 1778 f; MüKoZPO/Prütting § 288 Rz 27; Zö/Greger § 288 Rz 3b; Orfanides NJW 90, 3175; aA BGH NJW 53, 621; Anders/Gehle/Bünnigmann ZPO § 288 Rz 6). Dagegen ist ein Geständnis im Rahmen der bloßen Anhörung möglich (wie hier BGH NJW 95, 1432 [BGH 14.03.1995 - VI ZR 122/94]; aA BGH NJW-RR 09, 1272 [BGH 26.02.2009 - I ZR 155/07]). Die Praxis, im Rahmen der Parteianhörung einen Prozessvergleich anzusteuern, ist von § 141 nicht gedeckt (MüKoZPO/Wagner § 141 Rz 7).

II. Prozessuale Waffengleichheit.

 

Rn 3

Zusätzliche Schwierigkei...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge