Leitsatz (amtlich)

1. Das Gericht kann die Ergebnisse der Anhörung einer Prozesspartei gemäß § 141 Abs. 1 ZPO im Rahmen einer Beweiswürdigung verwerten - genau wie den gesamten sonstigen Akteninhalt. Es bleibt aber dabei, dass die Parteianhörung, anders als die Parteivernehmung, kein Beweismittel im Sinne der ZPO ist.

2. Hat das Gericht die Parteien über eine umstrittene Tatsache lediglich angehört, hat es mithin keine Beweisaufnahme durchgeführt. Mangels Beweisaufnahme besteht auch keine Grundlage für eine Beweiswürdigung.

3. Der Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit, der sich aus dem Recht auf gerichtliches Gehör ableitet, kann es gebieten, einer Partei, die sich in Beweisnot befindet, die Möglichkeit einzuräumen, ihre Wahrnehmungen über eine streitige Tatsache dem Gericht zu präsentieren. Dies muss nicht zwangsläufig im Rahmen einer Parteivernehmung geschehen. Es genügt, wenn die betreffende Partei angehört wird.

4. Ein dahingehender Antrag bindet das Gericht aber erst, nachdem die gegnerische Partei oder ein ihrem "Lager" zuzurechnender Zeuge vernommen worden ist. Erst dann widerspricht es der prozessualen Gleichbehandlung, wenn nicht auch die andere Partei die Gelegenheit erhält, ihre Wahrnehmungen dem Gericht so zu Gehör zu bringen, dass sie einer Beweiswürdigung unterzogen werden können.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 86 O 49/16)

 

Tenor

1. Das Urteil des Landgerichts vom 28. Juli 2016 wird wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9.000,- EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23. Dezember 2015 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits über beide Instanzen zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien führten von Anfang 2010 bis Mitte 2012 eine nichteheliche Lebensgemeinschaft. Im Juli 2010 überwies der Kläger auf ein Konto der Beklagten 9.000,- EUR, um dessen Überziehung zurückzuführen.

Der Kläger behauptet, der Beklagten in Zusammenhang mit dieser Überweisung gesagt zu haben, er bzw. seine Mutter benötigten das Geld wieder, wenn sein Vater versterben sollte. Nach dem Tod seines Vaters bat der Kläger die Beklagte im November 2015 per Mail, die 9.000,- EUR an ihn zurück zu überweisen.

Nachdem dies nicht geschehen war, nahm der Kläger die Beklagte vor dem Landgericht auf Rückzahlung der 9.000,- EUR nebst Zinsen in Anspruch.

Die Beklagte ist der Ansicht, der Kläger habe ihr das Geld geschenkt.

Das Landgericht hat beide Parteien im Termin gemäß § 141 ZPO angehört und sodann die Klage mit Urteil vom 28. Juli 2016 abgewiesen. Zur Begründung führt es aus, der Kläger habe den Darlehensvertrag mit der Beklagten "nicht hinreichend behauptet".

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er seinen erstinstanzlichen Klageantrag weiter verfolgt.

Er beantragt, das Urteil des Landgerichts dahin abzuändern, dass die Beklagte verurteilt wird, an ihn 9.000,- EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Senat hat durch die Vernehmung der Beklagten und des Klägers als Partei über die umstrittenen Absprachen in Zusammenhang mit der Überweisung der 9.000,- EUR Beweis erhoben.

II.

Die zulässige Berufung hat Erfolg. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte in Höhe von 9.000,- EUR aus § 488 Abs. 1 S. 2 BGB. Das klageabweisende Urteil des Landgerichts ist deshalb dahingehend abzuändern.

1. Die Feststellungen des Landgerichts zu den Absprachen zwischen den Parteien kann der Senat seiner Entscheidung nicht zugrunde legen. Gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das nur dann möglich, wenn keine konkreten Anhaltspunkte an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Feststellungen bestehen. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt.

a) Was die Parteien hinsichtlich der Überweisung und ihrer eventuellen Rückzahlung besprochen haben, ist zwischen ihnen streitig. Für seine Behauptung der Vereinbarung einer Rückzahlung trägt der Kläger die Beweislast (BGH, Urteil vom 11.3.2014, X ZR 150/11, Beschluss vom 19.11.2014, IV ZR 317/13). Allerdings kann er einen geeigneten Beweisantritt unterbreiten, nämlich die Vernehmung der Beklagten als Partei. Dem muss ein Gericht gemäß § 445 Abs. 1 ZPO nachkommen. Im Anschluss daran ist aufgrund des Gebots der prozessualen Waffengleichheit der Kläger selbst auf seinen Antrag als Partei anzuhören oder zu vernehmen.

b) Diese Möglichkeit hat der Klägervertreter in der ersten Instanz nicht gesehen, er hat lediglich seine eigene Parteivernehmung beantragt. Ein Gericht muss ihn aber auf die dargestellte Möglichkeit hinweisen. Ordnungsgemäße Feststellungen, an die das Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 S. 1 ZPO gebunden wäre, lägen mithin allenfalls dann vor, wenn das erstinstanzliche Gericht die erforderliche Beweisaufnahme durchgeführt und ihr Ergebnis danach gewürdigt hätte.

c) Daran fehlt es. Das...

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