Das Wichtigste in Kürze:

1. Die in § 99 Abs. 1 geregelte Postbeschlagnahme stellt einen zulässigen Eingriff in das durch Art. 10 GG geschützte Brief, Post- und Fernmeldegeheimnis dar.
2. Voraussetzung für die Anordnung einer Postbeschlagnahme ist ein Verfahren gegen einen bestimmten Beschuldigten.
3. Von der Postbeschlagnahme erfasst werden Sendungen auf der "Post" und auf den Telegrafenanstalten.
4. Die Anordnung der Postbeschlagnahme wird von der Post durch-/ausgeführt.
5. Nach überwiegender Ansicht war in der Beschlagnahmebefugnis nach § 99 a.F. das geringere Recht enthalten, von der Post Auskunft über Briefe, andere Sendungen und Telegramme zu verlangen. Dazu ist in § 99 Abs. 2 jetzt ein sog. Auskunftsverlangen eingeführt worden.
6. Bei der Postbeschlagnahme ist insbesondere auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten.
 

Rdn 3870

 

Literaturhinweise:

Körner, Rechtsprobleme bei der Einfuhr von Betäubungsmitteln in Briefen, Päckchen und sonstigen Postsendungen, NStZ 1988, 300

Krause, "Retrograde" Auskunftsverlangen der Strafverfolgungsbehörden an Postdienstleister – Zugleich Besprechung von BGH, Beschl. v. 27.10.2016 – 1 BGs 107/16, NZWiSt 2017, 60

Löffelmann, Das Gesetz zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 3.3.2004 (akustische Wohnraumüberwachung), ZIS 2006, 87

ders., Der Rechtsschutz gegen Ermittlungsmaßnahmen – Zugleich Besprechung von BGH, Beschl. v. 8.10.2008 – StB 12–15/08, StV 2009, 3

StV 2009, 379

Palm/Roy, Mailboxen: Staatliche Eingriffe und andere rechtliche Aspekte, NJW 1996, 1791

Schoene, Bedarf die Postbeschlagnahme hinsichtlich § 101 StPO einer zusätzlichen gesetzlichen Regelung, um eine wirksame Strafverfolgung zu gewährleisten?, NStZ 1993, 125

Schnarr, Zur Verknüpfung von Richtervorbehalt, staatsanwaltschaftlicher Eilanordnung und richterlicher Bestätigung, NStZ 1991, 209

Weisser, Strafprozessuale Auskunftsersuchen über Postsendungen, wistra 2016, 387

Welp, Zufallsfunde bei der Telefonüberwachung, Jura 1981, 472

s.a. die Hinw. bei → Beschlagnahme, Allgemeines, Teil B Rdn 892, bei → Rechtsmittel im Ermittlungsverfahren, Teil R Rdn 3951, und bei → Telefonüberwachung, Begriff, Teil T Rdn 4282.

 

Rdn 3871

1. Die in § 99 Abs. 1 geregelte Postbeschlagnahme stellt einen zulässigen Eingriff in das durch Art. 10 GG geschützte Brief, Post- und Fernmeldegeheimnis dar. Da es sich um einen Unterfall des § 94 handelt, betrifft sie nur Beweismittel (KK-Greven, § 99 Rn 1; → Beschlagnahme, Voraussetzungen, Teil B Rdn 1089).

 

☆ Der BGH wendet die Vorschrift des § 99 Abs. 1 auf die Sicherstellung von E-Mails beim Provider entsprechend an (vgl. BGHSt 53, 1). Demgegenüber geht das BVerfG davon aus (vgl. NJW 2009, 2431), dass insoweit die §§ 94 ff. anzuwenden sind (vgl. → Beschlagnahme, Durchführung , Teil B Rdn  1016 ; → Telefonüberwachung, Begriff , Teil T Rdn  4299 ).E-Mails beim Provider entsprechend an (vgl. BGHSt 53, 1). Demgegenüber geht das BVerfG davon aus (vgl. NJW 2009, 2431), dass insoweit die §§ 94 ff. anzuwenden sind (vgl. → Beschlagnahme, Durchführung, Teil B Rdn 1016; → Telefonüberwachung, Begriff, Teil T Rdn 4299).

Früher war in § 99 nur die Postbeschlagnahme geregelt. Die Regelung wurde aber auf ein sog. Auskunftsverlangen entsprechend angewendet (vgl. Voraufl. Rn 3549). Inzwischen sind die damit zusammenhängenden Fragen aber im Hinblick auf die geänderte BGH-Rspr. durch das "Gesetz zur Fortentwicklung der StPO u.a." v. 25.6.2021 (BGBl I, S. 2099) mit Wirkung vom 1.7.2021 in § 99 Abs. 2 gesetzlich geregelt. Die Einzelh. dazu sind dargestellt unter → Auskunftsverlangen, Teil A Rdn 654.

 

Rdn 3872

Begrifflich handelt es sich bei der Postbeschlagnahme um die Weisung an die Post, die bereits vorliegenden und/oder die künftig zu erwartenden Postsendungen und Telegramme oder einzelne von ihnen auszusondern und auszuliefern; zur eigentlichen Beschlagnahme kommt es erst, wenn der Richter oder StA entscheidet, dass die Sendung oder Nachricht für Zwecke des Verfahrens zurückzuhalten ist (Meyer-Goßner/Schmitt, § 99 Rn 5 m.w.N.; s.u. Teil P Rdn 3877).

 

Rdn 3873

2.a) Voraussetzung für die Anordnung einer Postbeschlagnahme ist ein Verfahren gegen einen bestimmten Beschuldigten. Dessen Person muss feststehen, sein Name kann aber noch unbekannt sein (KK-­Greven, § 99 Rn 2). Nicht erforderlich ist, dass bereits ein EV eingeleitet ist; es reicht aus, wenn es mit der Anordnung der Postbeschlagnahme eingeleitet wird.

 

Rdn 3874

b) Zuständig für die Anordnung der Postbeschlagnahme ist nach § 100 Abs. 1 grds. nur das Gericht, bei Gefahr im Verzug auch die StA, nicht aber eine der → Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft, Teil E Rdn 2321, (§ 152 GVG; zu "Gefahr im Verzug" → Durchsuchung, Anordnung, Verfahren/Gefahr im Verzug, Teil D Rdn 1797 ff.). Sie können allenfalls unterstützend herangezogen werden, sofern nicht der "Kernbereich", wie z.B. die Durchsicht der Postsendungen, betroffen ist (BGH StV 2008, 225). Eine besondere Form für die Anordnung ist nicht vorgesehen, die richterliche Anordnung ergeht i...

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