Das Wichtigste in Kürze:

1. Der Beschuldigte ist – wenn er nicht in Zusammenhang mit dem ersten Zugriff der Polizei vernommen wird – zu seiner sog. verantwortlichen Vernehmung grds. schriftlich zu laden.
2. Nimmt der Verteidiger an der Vernehmung teil, ist er befugt, Fragen an den Beschuldigten zu stellen und Hinweise zu geben.
3. Von besonderer Bedeutung ist die Vernehmungsdauer.
4. In der Praxis spielt häufig, vor allem bei alkoholisierten Beschuldigten, auch die Frage der Vernehmungsfähigkeit eine Rolle.
5. Für die Protokollierung der polizeilichen Vernehmung des Beschuldigten gelten die §§ 168a, 168b entsprechend.
6. Die Möglichkeit der Videovernehmung im Ermittlungsverfahren besteht auch bei polizeilichen Vernehmungen.
7. Nach §§ 163a Abs. 4 S. 3, 136 Abs. 4 ist ab 1.1.2020 in bestimmten Fällen die audiovisuelle Aufzeichnung von Beschuldigtenvernehmungen obligatorisch.
 

Rdn 3795

 

Literaturhinweise:

S. die Hinw. bei → Polizeiliche Vernehmung, Beschuldigter, Allgemeines, Teil P Rdn 3708, und die Hinw. bei → Beweisverwertungsverbote, Allgemeines, Teil B Rdn 1287, bei → Unzulässige Vernehmungsmethoden, Teil U Rdn 4534, bei → Vernehmungen, Allgemeines, Teil V Rdn 4721, und bei → Vernehmungsbegriff, Teil V Rdn 4732.

 

Rdn 3796

Folgende Verfahrensfragen sind bei der polizeilichen Vernehmung des Beschuldigten zu beachten (zur Befragung, Fragetechnik usw. Eisenberg, Rn 587 ff. m.w.N.; zum Gang der Vernehmung Meyer-Goßner/Schmitt, § 163a Rn 2 ff. u. § 136 Rn 14 ff.):

 

Rdn 3797

1. Der Beschuldigte ist – wenn er nicht in Zusammenhang mit dem sog. ersten Zugriff der Polizei vernommen wird (vgl. zu diesen Vernehmungen Marquardt/Bettels Krim 2019, 376) – zu seiner sog. verantwortlichen Vernehmung grds. schriftlich zu laden. Aus der Ladung muss die Absicht der Polizei zu erkennen sein, ihn als Beschuldigten zu vernehmen. Sie muss zum anderen, soweit möglich, den Gegenstand der Beschuldigung kurz angeben (s. § 133 und Nr. 44 RiStBV).

 

☆ Der Beschuldigte braucht der Ladung zu einer polizeilichen Vernehmung nicht Folge zu leisten . Die §§ 163a Abs. 3 S. 1, 133 verpflichten ihn nur, zu einer staatsanwaltschaftlichen oder richterlichen Vernehmung zu erscheinen. Zu polizeilichen Vernehmungen des Beschuldigten kann dieser nicht vorgeführt werden. Er muss nicht erscheinen. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass ggf. die Vernehmung im Auftrag der StA erfolgt. Das ist nicht vor der Staatsanwaltschaft i.S. des § 163a Abs. 3.Ladung zu einer polizeilichen Vernehmung nicht Folge zu leisten. Die §§ 163a Abs. 3 S. 1, 133 verpflichten ihn nur, zu einer staatsanwaltschaftlichen oder richterlichen Vernehmung zu erscheinen. Zu polizeilichen Vernehmungen des Beschuldigten kann dieser nicht vorgeführt werden. Er muss nicht erscheinen. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass ggf. die "Vernehmung im Auftrag der StA" erfolgt. Das ist nicht "vor der Staatsanwaltschaft" i.S. des § 163a Abs. 3.

Der Verteidiger, dessen Mandant erwägt, einer Ladung zu einer polizeilichen Vernehmung nicht zu folgen, muss ihn jedoch darüber belehren, dass mit der Ladung dem Anspruch des Beschuldigten auf rechtliches Gehör entsprochen worden ist und er damit rechnen muss, dass (nun) nach Aktenlage entschieden wird, wenn er der polizeilichen Vernehmung fernbleibt (Eisenberg, Rn 512).

Nachdem durch das "Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens" v. 17.8.2017 in § 163 Abs. 3 S. 1 eine zumindest teilweise Erscheinenspflicht von Zeugen eingeführt worden ist, muss der Rechtsanwalt, dessen Mandant zur Zeugenvernehmung durch die Polizei geladen ist, immer überlegen, ob er nicht ggf. den Mandanten besser begleitet (→ Polizeiliche Vernehmung, Zeugen, Teil P Rdn 3840 ff.). Das gilt vor allem dann, wenn aufgrund der dem Rechtsanwalt vorliegenden Informationen die Gefahr besteht, dass die Zeugenvernehmung in eine Beschuldigtenvernehmung übergeleitet werden könnte.

 

Rdn 3798

2.a) Nimmt der Verteidiger an der Vernehmung teil, ist er befugt, Fragen an den Beschuldigten zu stellen und Hinweise zu geben. Das ergibt sich nach den Änderungen durch das "Zweite Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren und zur Änderung des Schöffenrechts" v. 27.8.2017 nun unmittelbar aus der StPO. § 163a Abs. 4 S. 3 verweist nämlich auch auf § 168c Abs. 1 S. 2 (Meyer-Goßner/Schmitt, § 163 Rn 9a). Danach ist dem Verteidiger nach der Vernehmung Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären oder Fragen an den Beschuldigten zu stellen. Nach §§ 163a Abs. 4 S. 3, 168c Abs. 1 S. 3 können ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen oder Erklärungen zurückgewiesen werden. Auf das "Fragerecht" sind also – wie bei einer richterlichen Vernehmung des Beschuldigten – die §§ 240 Abs. 2, 241 entsprechend anzuwenden (dazu → Richterliche Vernehmung, Beschuldigter, Teil R Rdn 4009; BT-Drucks 18/9534, S. 24). Ebenso wie dort der Richter das Fragerecht nicht nach seinem Ermessen einschränken oder gar ausschließen kann, steht dem polizeilichen Vernehmun...

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