Das Wichtigste in Kürze:

1. Die Frage, wann eine Vernehmung i.S.d. StPO vorliegt, ist insbesondere wichtig für die sich aus §§ 136 Abs. 1, 163a Abs. 4 ergebenden Belehrungspflichten.
2. Meist wird unter einer Vernehmung – der Begriff ist in der StPO nicht definiert – die Herbeiführung einer Aussage durch ein staatliches Ermittlungsorgan in einem EV verstanden.
3. Der Begriff der Vernehmung korrespondiert mit dem Begriff des Beschuldigten.
4. Um Sonderfälle handelt es sich bei der sog. Spontanäußerung und bei der "Hörfalle".
 

Rdn 4732

 

Literaturhinweise:

Bernsmann, Beschuldigtenvernehmung und Aussagefreiheit, Anm. zu OLG Oldenburg Ss 331/95 vom 23.10.1995, StV 1996, 416

Dencker, Über Heimlichkeit, Offenheit und Täuschung bei der Beweisgewinnung im Strafverfahren, StV 1994, 667

Eisenberg, Urteilsaufhebung bei Nichtrespektierung des Wunsches zur Verteidigerkonsultation, StV 2013, 779

Eschelbach, Fehlurteilsquellen aus der polizeilichen Beschuldigtenvernehmung, ZAP F. 22, 661

Haas, Vernehmung, Aussage des Beschuldigten und vernehmungsähnliche Situation – zugleich ein Beitrag zur Auslegung des § 136 StPO, GA 1995, 230

Kasiske, Die Selbstbelastungsfreiheit bei verdeckten Befragungen des Beschuldigten, StV 2014, 423

Neuhaus, Wider den rein formalen Vernehmungsbegriff, Krim 1995, 787

Renzikowski, Die förmliche Vernehmung des Beschuldigten und ihre Umgehung, JZ 1997, 711

Rothfuß, Heimliche Beweisgewinnung unter Einbeziehung des Beschuldigten, StraFo 1998, 289

Schaal, Beweisverwertungsverbot bei informatorischer Befragung im Strafverfahren, 2002

Soiné, Selbstbelastungsfreiheit und Beweisverwertung bei Verkehrsstraftaten und -ordnungswidrigkeiten, NZV 2016, 411

ders., Spontanäußerungen im Kontext des Legalitätsprinzips, Krim 2017, 324

Sommer, Signatur-Renitenz Von der richterlichen Faszination polizeilicher Vernehmungsprotokolle und wie Verteidigung sie trüben kann, StraFo 2018, 451

Ternig, Allgemeine Verkehrskontrolle und konkreter Verdacht einer Ordnungswidrigkeit, DAR 2012, 730

ter Veen, Die Zulässigkeit der informatorischen Befragung, StV 1983, 293

s.a. die Hinw. bei → Vernehmungen, Allgemeines, Teil V Rdn 4721

und den dort angegebenen weiterführenden Stichworten.

 

Rdn 4733

1.a) Die Frage, wann eine Vernehmung i.S.d. StPO vorliegt, ist insbesondere wichtig für die sich aus §§ 136 Abs. 1, 163a Abs. 4 ergebenden Belehrungspflichten. Darüber hinaus hat sie auch Bedeutung für die damit zusammenhängende Verwertbarkeit von Äußerungen von Auskunftspersonen, sei es der Beschuldigte, sei es ein Zeuge (zur Bedeutung der Anordnung der [ersten] Vernehmung für die Unterbrechung der Verjährung nach § 78c StGB s. LG Freiburg StraFo 2008, 156).

 

Rdn 4734

b) Darüber hinaus ist zu beachten: Die Verletzung der Aussagefreiheit kann auch außerhalb von Vernehmungen nach §§ 136, 136a StPO zu einem BVV führen (vgl. (BGHSt 52, 11; BGH NJW 2018, 1986 m. Anm. Jahn für eine ärztliche Untersuchung).

 

Rdn 4735

2. Meist wird unter einer Vernehmung – der Begriff ist in der StPO nicht definiert – die Herbeiführung einer Aussage durch ein staatliches Ermittlungsorgan in einem EV verstanden (eingehend Meyer-Goßner/Schmitt, § 136a Rn 4 f. m.w.N., vor allem auch zur sog. "Hörfalle"; LR-Gleß, § 136 Rn 12 ff.; Neuhaus Krim 1995, 788; zum Vernehmungsbegriff eingehend Dencker StV 1994, 675; Renzikowski JZ 1997, 710; SSW-StPO-Beulke, § 136 Rn 2 ff.; Eschelbach ZAP F. 22, 661 ff.). Der Begriff der Vernehmung ist in einem weiten Sinn zu verstehen. Er umfasst – unabhängig davon, ob die Angaben förmlich protokolliert oder nur in einem internen Vermerk festgehalten werden (→ Vernehmungen, Allgemeines, Teil V Rdn 4728) – alle Bekundungen über wahrgenommene Tatsachen aufgrund einer amtlichen, von einem Staatsorgan durchgeführten Befragung, bei der der Beweiserhebungswille des Amtsträgers nach außen erkennbar ist (BGHSt 42, 139; 51, 367; 55, 314; NJW 2018, 1986 m. Anm. Jahn; s.a. BGH NJW 2005, 765 m.w.N. [für Befragung von Angehörigen durch einen Vertreter der JGH]; NJW 2009, 3589; BayObLG NStZ-RR 2003, 343; StV 2005, 430; KG StraFo 2012, 14; OLG Hamburg StraFo 2018, 254 ff.; OLG Jena StV 2006, 517; OLG Nürnberg StV 2015, 155 m. Anm. Burhoff StRR 2014, 105 [unerlaubtes Entfernen vom Unfallort]; OLG Schleswig StV 2015, 541, 542 für Email-Verkehr des ermittelnden Polizeibeamten; OLG Saarbrücken NJW 2008, 1396; OLG Zweibrücken StRR 2010, 468; LG Saarbrücken zfs 2013, 590 m. Anm. Burhoff StRR 2014, 109 [Trunkenheitsfahrt]; s. aber auch LG Gießen StRR 2014, 229 m. Anm. Burhoff; LG Stuttgart StRR 2015, 26 m. Anm. Deutscher [Notruf]). Die Lit. (vgl. LR-Gleß, § 136 Rn 12 m.w.N. in Fn 43) geht z.T. noch weiter und vertritt einen sog. "funktionalen" Vernehmungsbegriff. Danach werden alle Situationen, in denen ein Ermittlungsorgan auf gezielte Weise direkt oder indirekt Aussagen von Beschuldigten und Zeugen herbeiführt, als Vernehmung angesehen (LR-Gleß, a.a.O.). Diese Sicht hat der BGH jedoch abgelehnt (vgl. vor allem BGHSt 42, 139).

 

Rdn 4736

3. Der Begriff der Vernehmung korrespondiert mit dem ...

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