Leitsatz (amtlich)

a. Die gegenüber einem Polizeibeamten ungefragt fernmündlich abgegebene Sachverhaltsschilderung und die in Anwesenheit eines Polizeibeamten gegenüber dem Beschuldigten erfolgte Bezichtigung durch einen zur Zeugnisverweigerung berechtigten Angehörigen bleiben als sog. Spontanäußerungen auch nach Gebrauchmachen des Angehörigen von dem Zeugnisverweigerungsrecht verwertbar.

b. Zur indiziellen Wirkung (grober) Fahrfehler für eine vorsätzliche Trunkenheitsfahrt.

 

Tenor

Die Revision wird auf Kosten des Angeklagten als offensichtlich unbegründet verworfen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den einschlägig vorbestraften Angeklagten wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort begangen in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt, ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und der Verwaltungsbehörde untersagt, ihm vor Ablauf von 10 Monaten eine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Seine Überzeugung von der Täterschaft des die Tat bestreitenden und in der Hauptverhandlung schweigenden Angeklagten hat das Amtsgericht ausweislich der Urteilsgründe entscheidend auf die Äußerungen gestützt, die seine Ehefrau zunächst fernmündlich gegenüber der zuständigen Polizeiinspektion und später im Beisein des nunmehr als Zeugen vernommenen Polizeibeamten in einem Streitgespräch mit ihrem Ehemann getätigt hatte.

Mit seiner fristgerecht eingelegten und begründeten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Er beanstandet die Verwertung der früheren Angaben seiner Ehefrau, die in der Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hatte und die Annahme vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr im zweiten Handlungsabschnitt.

II.

Das zulässige Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg, da die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf die Revisionsbegründung hin keinen Rechtsfehler ergeben hat, der sich zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat.

1.

Die ordnungsgemäß erhobene Verfahrensrüge der Verletzung des § 252 StPO greift nicht durch.

a)

Nach § 252 StPO darf die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, nicht verlesen werden. Die Vorschrift ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung über ihren Wortlaut hinaus dahin auszulegen, dass auch jede andere Verwertung der bei einer nichtrichterlichen Vernehmung gemachten Angaben einer zeugnisverweigerungsberechtigten Person, insbesondere die Vernehmung nichtrichterlicher Verhörspersonen zum Inhalt der früheren Angaben unzulässig ist (vgl. BGHSt 2, 99, 102; 36, 384, 387; 45, 203, 205; Meyer-Goßner, StPO, 50. A., § 252 Rn. 7 und 13 m.w.N.).

Allerdings gilt das Verwertungsverbot nur für frühere Äußerungen des Zeugen im Rahmen einer Vernehmung. Als "Vernehmung" in diesem Sinne ist dabei nicht nur eine unter Beachtung des § 163a Abs. 5 StPO durchgeführte förmliche Vernehmung anzusehen. Der Begriff der Vernehmung ist vielmehr weit auszulegen und umfasst alle früheren Bekundungen auf Grund einer amtlichen Befragung, also auch Angaben bei einer informatorischen Befragung durch die Polizei (vgl. BGHSt 29, 230; Thüring. OLG StV 2006, 518; OLG Hamburg StV 1990, 535). Entscheidend ist, dass die Auskunftsperson von einem Staatsorgan in amtlicher Eigenschaft zu dem den Gegenstand des Strafverfahrens bildenden Sachverhalt gehört worden ist.

Von den Beschränkungen des § 252 StPO ausgenommen sind Äußerungen, die der zur Zeugnisverweigerung berechtigte Zeuge unabhängig von einer Vernehmung gemacht hat. Verwertbar und einer Beweiserhebung zugänglich sind daher Bekundungen gegenüber Privatpersonen, aber auch Erklärungen gegenüber Amtspersonen, die der Angehörige von sich aus außerhalb einer Vernehmung, etwa bei der Bitte um polizeiliche Hilfe, bei einer nicht mit einer Vernehmung verbundenen Strafanzeige oder sonst ungefragt, "spontan" und "aus freien Stücken" abgegeben hat (vgl. BGHSt 1, 373, 375; 29, 230, 232; 36, 384, 389; 40, 211, 215; NStZ 1986, 232; NStZ 1998, 26; NJW 1998, 2229; NStZ 2007, 712; OLG Hamm NStZ-RR 2002, 370; BayObLGSt VRS 59, 205; Meyer-Goßner, a.a.O., § 252 Rn. 8 m.w.N.).

b)

Gemessen hieran sind die früheren Äußerungen der Ehefrau des Angeklagten vorliegend verwertbar.

Nach den Urteilsfeststellungen hatte sich die Zeugin vor Bekanntwerden des Tatverdachts gegen ihren Ehemann telefonisch an die zuständige Polizeiinspektion gewandt und mitgeteilt, dass ihr Mann soeben mit dem Fahrzeug nach Hause gekommen sei, einen Unfall gehabt habe und betrunken sei. Beim Eintreffen der Polizeibeamten am Wohnanwesen äußerte der Angeklagte - während die Beamten noch am Aussteigen waren und bevor sie Gelegenheit hatten, den Angeklagten oder seine Frau anzusprechen -, er wäre nicht gefahren, während seine Ehefrau sagte, er sei soeb...

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