Betrunkene E-Scooter-Fahrer haben wenig Aussicht auf mildernde Umstände
Ein Mann mietete sich nachts spontan einen E-Scooter, um schnell zu einem Freund zu kommen. Die Polizei stoppte ihn nach etwa einem Kilometer Fahrt und stellte einen Blutalkoholgehalt von 1,83 Promille fest. Das Amtsgericht Göttingen verurteilte den Mann wegen Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von insgesamt 500 Euro. Außerdem verhängte es ein zweimonatiges Fahrverbot.
Amtsgericht sah Gründe für ein mildes Urteil – kein Entzug der Fahrerlaubnis
Eine Entziehung der Fahrerlaubnis sowie eine Sperrfrist für deren Neuerteilung lehnte es jedoch ab. Das Gericht begründete das milde Urteil unter anderem damit, dass der Angeklagte „nur“ einen E-Scooter benutzt habe. Zudem habe er nur eine kurze Strecke zurückgelegt. Außerdem sei die Schwere der Strafe bei einer Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter nicht in dem Maße im allgemeinen Bewusstsein verankert, wie dies beim Führen eines PKW aufgrund langjähriger Übung der Fall sei.
Oberlandesgericht: Anforderungen an E-Scooter-Fahrer mindestens so hoch wie an Fahrradfahrer
Das OLG Braunschweig folgte dieser Auffassung nicht. Die beim Führen eines E-Scooters erforderliche psychische und geistige Leistungsfähigkeit sowie die von einem alkoholisierten E-Scooter-Fahrer ausgehende Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer seien mindestens mit dem Führen eines Fahrrades vergleichbar. Wer einen E-Scooter fahre, müsse das Verkehrsgeschehen mindestens ebenso aufmerksam und konzentriert beobachten und auf Handlungen Dritter rechtzeitig reagieren wie ein Fahrradfahrer. Angesichts der Tatsache, dass ein E-Scooter ohne Muskelkraft betrieben werden könne, könnten die Anforderungen sogar noch höher liegen.
Fahruntüchtigkeit wegen Alkohols bei E-Scooter-Fahrern identisch wie bei Fahrradfahrern
Der Konsum von Alkohol beeinträchtige gerade die Aufmerksamkeit, die Konzentrationsfähigkeit und das Reaktionsvermögen. Ein alkoholisierter E-Scooter-Fahrer sei für andere Verkehrsteilnehmer mindestens ebenso gefährlich wie ein Fahrradfahrer. Daher könne der für Fahrradfahrer geltende Grenzwert zur Feststellung der Fahruntüchtigkeit auch für E-Scooter-Fahrer herangezogen werden.
Absolute Fahruntüchtigkeit bei 1,6 Promille
Den Grenzwert für eine absolute Fahruntüchtigkeit von Fahrradfahrern habe der Bundesgerichtshof (BGH) auf 1,7 Promille festgelegt (BGH, Beschluss v. 17.07.1986, 4 StR 543/85). In der nachfolgenden obergerichtlichen Rechtsprechung sowie der Literatur werde dieser Grenzwert wegen eines nach neueren Erkenntnissen nur noch mit 0,1 Promille zu berechnenden Sicherheitszuschlags nunmehr weit überwiegend mit 1,6 Promille angenommen.
Da der bei dem E-Scooter-Fahrer festgestellte Promillewert über 1,6 lag, sei bei ihm von einer absoluten Fahruntüchtigkeit auszugehen. Damit habe er sich gemäß § 316 Abs. 1 und 2 StGB strafbar gemacht.
Fazit:
Die Nutzung eines E-Scooters zur Verwirklichung einer Straftat der Trunkenheit im Verkehr kann – anders als vom Amtsgericht angenommen – nicht stets als mildernder Umstand bewertet werden.
(OLG Braunschweig, Urteil v. 30.11.2023, 1 ORs 33/23)
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