Sicherstellung eines Fahrzeugs nach grober Verkehrswidrigkeit
Die Sicherstellung eines Fahrzeugs gehört in Deutschland nicht zum Katalog der üblichen Sanktionen nach Verkehrsverstößen. In extremen Fällen ist nach einer Entscheidung des VG Neustadt aber die Sicherstellung des Fahrzeugs eines Verkehrsrowdys gerechtfertigt.
Mit 120 km/h durch die Innenstadt
In dem vom VG entschiedenen Fall nutzte ein Fahrzeugführer im Innerortsbereich von Speyer die Gegenfahrbahn, um 2 vor ihm befindliche Pkw zu überholen. Hierbei fuhr er links an einer Verkehrsinsel vorbei und erreichte bei erlaubten 50 km/h eine Geschwindigkeit von ca. 120 km/h. Ohne wesentliche Reduktion der Geschwindigkeit passierte er anschließend 5 Einmündungen, eine Kreuzung sowie 2 Fußgängerüberwege mit einer Geschwindigkeit von noch ca. 110 km/h und wurde nach dem Einbiegen in eine querende Straße von Polizeibeamten in Zivil gestellt.
Widerspruch gegen Fahrzeugsicherstellung
Die an der anschließenden Verkehrskontrolle beteiligten Polizeibeamten stellten das Fahrzeug als Maßnahme der Gefahrenabwehr sicher. Gegen die Sicherstellungsverfügung legte der Betroffene Widerspruch ein und beantragte die Herausgabe seines Fahrzeugs. Da der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hatte, beantragte der Verkehrsrowdy beim zuständigen VG die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs und die sofortige Herausgabe seines Fahrzeugs.
Sicherstellung präventiv zur Gefahrenabwehr gerechtfertigt
Das VG zeigte für die Argumentation des Antragstellers wenig Verständnis. Die Sicherstellung des Fahrzeugs war nach Auffassung des Gerichts als Maßnahme der Gefahrenabwehr nicht zu beanstanden. Unmittelbar vor Sicherstellung des Fahrzeugs habe sich der Antragsteller erheblicher Verkehrsverstöße schuldig gemacht, dabei eine kaum zu überbietende Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern gezeigt und diese an Leib und Leben gefährdet.
Ungewöhnliche Renitenz des Antragstellers
Im Rahmen der anschließenden Kontrolle habe der Antragsteller mit kaum zu überbietender Ignoranz jegliche Einsicht in sein Fehlverhalten vermissen lassen und die Aussage verweigert. Es habe sich herausgestellt, dass er bereits vor diesem Geschehen durch mehrfaches erhebliches verkehrswidriges Fehlverhalten aufgefallen sei. Die Häufigkeit und die immer wieder gezeigte Rücksichtslosigkeit spreche eine deutliche Sprache und zeige, dass der Antragsteller sich von polizeilichen Ansprachen und Bußgeldbescheiden nicht im Geringsten beeindrucken lasse.
Erhebliche Wiederholungsgefahr rechtfertigt Einziehung
Aufgrund des Geschehensablaufs, der persönlichen Verkehrshistorie des Antragstellers und seiner Unbelehrbarkeit hatten die Polizeibeamten nach der Wertung des VG zu Recht die konkrete Gefahr der Wiederholung erheblicher Verkehrsverstöße angenommen. Wegen der hierdurch bestehenden Gefahrenlage sei die Sicherstellung des Fahrzeugs zu Recht erfolgt. Mit dieser Argumentation wies das VG den Eilantrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Sicherstellung seines Fahrzeugs zurück.
(VG Neustadt, Beschluss v. 18.3.2024, 5 L 193/24.NW)
Hintergrund:
In Deutschland gehört die Beschlagnahme oder Sicherstellung von Kraftfahrzeugen (noch) nicht zum Katalog der Sanktionen nach Verkehrsverstößen. Die Einziehung oder Sicherstellung ist bei Verkehrsordnungswidrigkeiten nur präventiv aus Gründen der Gefahrenabwehr zulässig. Etwas anderes gilt für vorsätzliche Straftaten wie die Teilnahme an illegalen Autorennen. In diesen Fällen entscheidet ein Gericht, ob ein Fahrzeug gemäß §§ 74 ff StGB dauerhaft eingezogen und ggf. versteigert wird.
Andere Länder beschlagnahmen schneller
Einige andere europäische Länder gehen weiter. So wird in Italien ab einer Blutalkoholkonzentration von 1,5 Promille das dabei genutzte Fahrzeug beschlagnahmt, eingezogen und versteigert, sofern es dem Verkehrssünder gehört. In der Schweiz kann ein Fahrzeug bei bestimmten groben Verkehrsverstößen beschlagnahmt werden, und zwar auch dann, wenn es dem Delinquenten nicht gehört, also auch Miet-, Leasing- oder Firmenfahrzeuge. Ob das Fahrzeug anschließend versteigert wird, entscheidet das Gericht. In Österreich können Fahrzeuge schon bei erheblichen Tempoverstößen beschlagnahmt und versteigert werden.
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