Das Wichtigste in Kürze:

1. Für die Praxis sind die aus einer unterbliebenen/unvollständigen Belehrung des Beschuldigten ggf. folgenden BVV von erheblicher Bedeutung.
2. Die damit zusammenhängenden Fragen muss der Verteidiger anhand eines Fragenkatalogs/einer Checkliste prüfen.
3. Protokolle der polizeilichen Vernehmung des Beschuldigten dürfen in der HV nicht zum Zweck der Beweisaufnahme über ihren Inhalt verlesen werden.
4. Das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Verfahrensverstoßes wird in der HV nach der Rspr. des BGH im Wege des Freibeweisverfahrens geklärt.
 

Rdn 3759

 

Literaturhinweise:

Meyer, § 163 Abs. 3 S. 1 StPO – Neue Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbote, StraFo 2021, 359

s. die Hinw. bei → Polizeiliche Vernehmung, Beschuldigter, Allgemeines, Teil P Rdn 3708, bei → Beweisverwertungsverbote, Allgemeines, Teil B Rdn 1287, bei → Unzulässige Vernehmungsmethoden, Teil U Rdn 4534, bei → Vernehmungen, Allgemeines, Teil V Rdn 4721, und bei → Vernehmungsbegriff, Teil V Rdn 4732.

 

Rdn 3760

1. Für die Praxis sind die sich in Zusammenhang mit Fehlern bei der polizeilichen Vernehmung ggf. ergebenden BVV von erheblicher praktischer Bedeutung. Die Fragen stellen sich insbesondere bei einer unterbliebenen bzw. unvollständigen Belehrung des Beschuldigten. Im Einzelnen sollte der Verteidiger das Vorliegen eines BVV anhand des folgenden Fragenkatalogs prüfen (Teil P Rdn 3761 ff.; s. zu allem auch eingehend Eisenberg, Rn 567 ff. und LR-Gössel, Einl. Abschn. L, Rn 53 ff., jeweils m.w.N., Eschelbach ZAP f. 22, 661 ff.; sowie die o.a. Lit.-Hinw. und auch die Prüffragen von Nack StV 1994, 562; zur Fernwirkung Meyer-Mews HRRS 2015, 398). Für das OWi-Verfahren ist noch str., ob und in welchem Umfang ein Verwertungsverbot auch bei unterlassener Betroffenenbelehrung gilt (einerseits bejahend Burhoff/Gübner, OWi, Rn 433 ff.; Brüssow StraFo 1998, 395; Hecker NJW 1997, 1833; Soiné NZV 2017, 419; OLG Bamberg, Beschl. v. 27.8.2018 – 2 Ss OWi 973/18, StraFo 2019, 111; andererseits einschränkend Göhler/Seitz/Bauer, § 46 Rn 10 c, jeweils m.w.N.).

 

☆ M.E. zutreffend wird in der Lit. darauf hingewiesen, dass die fehlende Dokumentation der Belehrung über das Recht zur Verteidigerkonsultation (vgl. → Polizeiliche Vernehmung, Beschuldigter, Belehrungspflichten , Teil P Rdn  3745  ff.) entgegen der Entscheidung BGH NStZ 1997, 609 – Bedeutung haben müsse ( Putzke/Scheinfeld , Strafprozessrecht, 8. Aufl. 2019, Rn 404, 405; Artkämper StRR 2012, 164; eingehend Petzold/Englert StRR 2015, 404; dies. , StRR 1/2016, 4). Das lässt sich (auch) mit der Rspr. des BVerfG (StraFo 2009, 453; NJW 20120, 1136) begründen, dass der Dokumentation von Verfahrenstatsachen große Bedeutung zumisst und die Nichtbeachtung des Zweifelssatzes bei Verfahrenstatsachen als objektive Willkür ansieht, wenn der Zweifel aus einer Verletzung der Dokumentationspflicht herrührt (vgl. a. noch Teil P Rdn  3793 ).fehlende Dokumentation der Belehrung über das Recht zur Verteidigerkonsultation (vgl. → Polizeiliche Vernehmung, Beschuldigter, Belehrungspflichten, Teil P Rdn 3745 ff.) entgegen der Entscheidung BGH NStZ 1997, 609 – Bedeutung haben müsse (Putzke/Scheinfeld, Strafprozessrecht, 8. Aufl. 2019, Rn 404, 405; Artkämper StRR 2012, 164; eingehend Petzold/Englert StRR 2015, 404; dies., StRR 1/2016, 4). Das lässt sich (auch) mit der Rspr. des BVerfG (StraFo 2009, 453; NJW 20120, 1136) begründen, dass der Dokumentation von Verfahrenstatsachen große Bedeutung zumisst und die Nichtbeachtung des Zweifelssatzes bei Verfahrenstatsachen als objektive Willkür ansieht, wenn der Zweifel aus einer Verletzung der Dokumentationspflicht herrührt (vgl. a. noch Teil P Rdn 3793).

 

Rdn 3761

2. Die mit BVV zusammenhängenden Fragen muss der Verteidiger anhand des folgenden Fragenkatalogs/einer Checkliste prüfen:

 

Fragenkatalog Beweisverwertungsverbote

 

1.a) Handelte es sich überhaupt (schon) um eine polizeiliche Vernehmung i.e.S. oder um eine vernehmungsähnliche Situation?

Zu den sich insoweit ergebenden Abgrenzungsfragen → Beschuldigter, Begriff, Teil B Rdn 1156; → Unzulässige Vernehmungsmethoden, Teil U Rdn 4534; → Vernehmungsbegriff, Teil V Rdn 4731.
 

☆ Die Verletzung der Aussagefreiheit kann i.Ü. nicht nur in Zusammenhang mit Vernehmungen i.e.S., sondern auch außerhalb von Vernehmungen nach §§ 136, 136a zu einem BVV führen (vgl. BGHSt 52, 11; BGH, Beschl. v. 6.3.2018 – 1 StR 277/17, NJW 2018, 1986 m. Anm. Jahn für eine ärztliche Untersuchung).auch außerhalb von Vernehmungen nach §§ 136, 136a zu einem BVV führen (vgl. BGHSt 52, 11; BGH, Beschl. v. 6.3.2018 – 1 StR 277/17, NJW 2018, 1986 m. Anm. Jahn für eine ärztliche Untersuchung).

 

Rdn 3762

 

b) Sind die Vorgaben der §§ 136, 163a beachtet worden?

Die Frage, ob ein BVV hinsichtlich einer Aussage besteht, bei der ggf. ein Verstoß gegen § 163a Abs. 4 S. 1 vorliegt, wird nicht einheitlich beurteilt (bejahend SK-StPO-Wohlers, § 163a Rn 75 m.w.N. auch zur a.A.). Der BGH hat die Frage offen gelassen, wenn die Polizei bei der (ersten) Vernehmung, obw...

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