Das Wichtigste in Kürze:

1. Aufgrund der Änderungen durch das "Zweite Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren und zur Änderung des Schöffenrechts" v. 27.8.2017 ist in § 163a Abs. 4 S. 3 i.V.m. § 168c Abs. 1 gesetzlich geregelt, dass dem Verteidiger während der polizeilichen Vernehmung seines Mandanten ein Anwesenheitsrecht zusteht.
2. Der Verteidiger sollte sein Anwesenheitsrecht nach Möglichkeit wahrnehmen. Wird der Verteidiger zu einer Vernehmung hinzu gerufen, kann ihm die Kontaktaufnahme mit seinem Mandanten nicht verwehrt werden.
3. Dem Anwesenheitsrecht des Verteidigers bei der polizeilichen Vernehmung des Beschuldigten entspricht die sich aus §§ 163a Abs. 4 S. 3, 168c Abs. 5 S. 1 ergebende Benachrichtigungspflicht.
4. In Betracht kommt ggf. auch die Anwesenheit anderer Personen als der des Verteidigers.
 

Rdn 3713

 

Literaturhinweise:

S. die Hinw. bei → Polizeiliche Vernehmung, Beschuldigter, Allgemeines, Teil P Rdn 3708, und bei → Beweisverwertungsverbote, Allgemeines, Teil B Rdn 1287, bei → Unzulässige Vernehmungsmethoden, Teil U Rdn 4534, bei → Vernehmungen, Allgemeines, Teil V Rdn 4721, und bei → Vernehmungsbegriff, Teil V Rdn 4732.

 

Rdn 3714

1.a) Gesetzlich war bis zum Inkrafttreten der Änderungen in § 163a Abs. 4 (vgl. Teil P Rdn 3713) bis 2017 nicht geregelt, ob dem Verteidiger während der polizeilichen Vernehmung (zum Begriff u.a. OLG Hamburg NStZ 2010, 716) seines Mandanten ein Anwesenheitsrecht zustand. Die. h.M. hatte das bis zuletzt aufgrund eines Umkehrschlusses aus der Regelung in § 163a Abs. 3 a.F. i.V.m. § 168c verneint (s. BVerfG NJW 2007, 204 [verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden]; dazu u.a. Meyer-Goßner/Schmitt [60. Aufl.], § 163 Rn 16; KK-Griesbaum, § 163 Rn 19, jeweils m.w.N. auch zur a.A.), während in der Lit. die Stimmen zunahmen, die dem Verteidiger ein Anwesenheitsrecht zubilligen wollten (s. neben den o.a. Lit.-Hinw. die weit. Nachw. bei Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O.; wohl auch Eisenberg [9. Aufl.], Rn 516 f., m.w.N., und Werner, a.a.O.). Auch der EGMR hatte in seiner Rspr. den Beistand des Verteidigers schon bei der (ersten) (polizeilichen) Vernehmung gefordert (vgl. u.a. NJW 2009, 3707 [Salduz] m. Anm. J.Herrmann; NJW 2012, 3709 [Stojkovic]; StRR 2011, 142 [Zaichenko] m. Anm. Sommer).

 

Rdn 3715

b)aa) An der Stelle ist dann durch das "Zweite Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren und zur Änderung des Schöffenrechts" v. 27.8.2017 (s. dazu BT-Drucks 18/9534) mit Wirkung vom 5.9.2017 eine wesentliche Änderung eingetreten.

 

Rdn 3716

In § 163a Abs. 4 S. 3 wird nach den Änderungen durch das "Zweite Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren und zur Änderung des Schöffenrechts" v. 27.8.2017 (dazu BT-Drucks 18/9534) auf § 168c Abs. 1 und 5 verwiesen, diese gelten für den Verteidiger entsprechend gilt. In § 168c Abs. 1 und 5 wird dem Verteidiger ein Anwesenheitsrecht (Abs. 1) und das Recht auf Benachrichtigung (Abs. 5) eingeräumt. Diese Änderungen der StPO gehen zurück auf die Richtlinie 2013/48/EU (AblEU 2013 L 294 v. 6.11.2013, S. 1–12). Diese sah vor, den Zugang zum Verteidiger schon zum frühest möglichen Zeitpunkt zu garantieren (abrufbar unter http://db.eurocrim.org/db/de/doc/1997.pdf). Nach der RiLi hat der Beschuldigte von Beginn der polizeilichen Vernehmung an bis zum Abschluss des Strafverfahrens einen Anspruch auf Rechtsbeistand. Diese Vorgaben sind mit der Neuregelung des § 163a Abs. 4 S. 3 umgesetzt (krit. zur Regelung – aus staatsanwaltlicher Sicht – SSW-StPO-Ziegler, § 163a Rn 37 [hätte genügt, alte Rechtslage beizubehalten]).

 

☆ § 163a Abs. 4 S. 3 setzt für das Anwesenheitsrecht aber voraus, dass der Beschuldigte bereits einen Verteidiger hat . Aus dieser Regelung kann nicht der Schluss gezogen werden, dass dem (noch) verteidigungslosen Beschuldigten ggf. erst ein Pflichtverteidiger bestellt werden muss. Die Fragen der Erforderlichkeit einer Pflichtverteidigerbestellung richten sich vielmehr nach dem Recht der Pflichtverteidigung in den §§ 140 ff., die durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung v. 10.12.2019, das am 13.12.2019 in Kraft getreten ist. Sie sind daher dargestellt bei → Pflichtverteidiger, Zeitpunkt der Beiordnung , Teil P Rdn  3669 ). setzt für das Anwesenheitsrecht aber voraus, dass der Beschuldigte bereits einen Verteidiger hat. Aus dieser Regelung kann nicht der Schluss gezogen werden, dass dem (noch) verteidigungslosen Beschuldigten ggf. erst ein Pflichtverteidiger bestellt werden muss. Die Fragen der Erforderlichkeit einer Pflichtverteidigerbestellung richten sich vielmehr nach dem Recht der Pflichtverteidigung in den §§ 140 ff., die durch das "Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung" v. 10.12.2019, das am 13.12.2019 in Kraft getreten ist. Sie sind daher dargestellt bei → Pflichtverteidiger, Zeitpunkt der Beiordnung, Teil P Rdn 3669).

Nimmt der Verteidiger an einer polizeilichen Vernehmung des M...

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