Entscheidungsstichwort (Thema)

Verletzung der Straßenverkehrssicherungspflicht durch das Wegschleudern von Steinen bei Mäharbeiten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Mähen von zum Straßenkörper gehörenden Grünstreifen fällt in den Umfang der Straßenverkehrssicherungspflicht.

2. Die Gefahr, dass es hierbei durch das Wegschleudern von Steinen oder anderen Gegenständen zu einer Verletzung von Straßenbenutzern kommen kann, ist im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren vom Sicherungspflichtigen möglichst weitgehend zu vermeiden. Dabei dürfen an die Zumutbarkeit keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Das danach verbleibende Restrisiko hat der Verkehrsteilnehmer selbst zu tragen.

 

Normenkette

BGB § 839 Abs. 1 S. 1; GG Art. 34 S. 1; StraßenG BW § 2 Abs. 2 Nr. 16, § 3 Abs. 1 Nr. 3, §§ 9, 44, 59

 

Verfahrensgang

LG Tübingen (Aktenzeichen 4 O 16/02)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Tübingen vom 16.5.2002 – Az.: 4 O 16/02 – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert der Berufung: 865,10 Euro.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 313a Abs. 1 S. 1, 543, 544 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

 

Gründe

Die Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO). Auch den Anforderungen an die Darlegung der Berufungsgründe wurde genügt, §§ 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 und 3, 513 Abs. 1, 546, 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Das Rechtsmittel ist damit zulässig.

Die Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg.

1. Der von der Klägerin aus abgetretenem Recht (§ 398 BGB) geltend gemachte Schadensersatzanspruch gem. § 839 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Art. 34 S. 1 GG ist nicht gegeben.

Die Voraussetzungen des Amtshaftungsanspruchs liegen nicht vor, weil die Beklagte durch ihren Bediensteten keine ihr obliegende Amtspflicht verletzt hat.

Grundsätzlich ist die Beklagte für die Ortsdurchgangsstraße verkehrssicherungspflichtig, denn hierbei handelt es sich um eine Gemeindestraße, für die sie die Baulast trägt (§§ 3 Abs. 1 Nr. 3, 9, 44 Straßengesetz für Baden-Württemberg). Dabei gehören zum Straßenkörper nicht nur die Fahrbahnen, sondern auch Geh- und Radwege sowie Trenn-, Seiten-, Rand- und Sicherheitsstreifen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1b StraßenG).

Die ggü. den Straßenbenutzern bestehende Verkehrssicherungspflicht ist eine Amtspflicht i.S.v. § 839 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Art. 34 S. 1 GG, da die Beklagte insoweit hoheitlich tätig wird (§ 59 StraßenG).

Der Inhalt der rechtlich selbstständig neben der Straßenbaulast stehenden Verkehrssicherungspflicht geht dahin, die öffentlichen Verkehrsflächen möglichst gefahrlos zu gestalten und zu erhalten, sowie im Rahmen des Zumutbaren alles zu tun, um den Gefahren zu begegnen, die den Verkehrsteilnehmern aus einem nicht ordnungsgemäßen Zustand der Straßen, Wege und Plätze unabhängig von deren baulichen Beschaffenheit drohen, wozu z.B. das Streuen, die Reinigung und die Beleuchtung zählen (Soergel, 12. Aufl. 1998, § 839 BGB Rz. 119 m.w.N.).

Damit umfasst der Umfang der Verkehrssicherungspflicht auch das Mähen von zum Straßenkörper gehörenden Grünstreifen.

Die Gefahr, dass es hierbei durch das Wegschleudern von Steinen oder anderen Gegenständen zu einer Verletzung von Straßenbenutzern kommen kann, ist nicht ganz abwegig und im Rahmen des – wirtschaftlich – Zumutbaren von der Beklagten und ihren Bediensteten möglichst weitgehend zu vermeiden.

Entscheidungserheblich ist dabei allein, welche Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen waren, um Schädigungen durch weggeschleuderte Steine und Gegenstände zu verhindern.

Die erstinstanzliche Beweisaufnahme, insb. die Vernehmung des Zeugen V., hat ergeben, dass der benutzte Rasenmäher mit einem Grasauffangbehälter ausgestattet war. Dem Lichtbild (Bl. 58) ist zu entnehmen, dass die seitlichen Schutzbleche um die rotierenden Messer sehr weit herunterreichen, so dass sie vollständig verdeckt sind. Es muss deshalb davon ausgegangen werden, dass der erst ca. 3 Monate zuvor gekaufte Rasenmäher nicht nur dem neuesten Stand der Technik entsprach, sondern auch einen optimalen Schutz vor dem Wegschleudern von etwaigen Gegenständen bot.

Der Einsatz eines Balkenrasenmähers dürfte entspr. der Einlassung der Beklagten für das Mähen des kleinen und schmalen Grünstreifens nicht geeignet gewesen sein. Abgesehen davon ist auch bei einem solchen Mähgerät das Herausschleudern von Gegenständen nicht gänzlich ausgeschlossen.

Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu diesen Fragen erübrigt sich, da bei der Abwägung im Rahmen der Zumutbarkeit keine überspitzten Anforderungen zu stellen sind.

Als weitere Sicherungsmaßnahme wurde vom Zeugen V. vor dem Mähen das Rasenstück danach abgesucht, ob sich auf ihm größere Gegenstände befinden. Diese Aussage widerspricht nicht der des Zeugen M., da dieser zum Verhalten des Zeugen V. vor dem Mähen nichts sagen konnte, lediglich dass er im Nachhinein drei etwa kastaniengroße Steine entdeckt habe.

Hieraus kann...

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