Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung vorgerichtlicher Zahlungen der späteren PKH - Partei auf die PKH - Vergütung des Rechtsanwalts

 

Leitsatz (amtlich)

Eine vorprozessuale Geschäftsgebühr, die an den späteren PKH - Anwalt gezahlt wurde, ist nicht vorrangig auf dessen nach § 49 RVG zu berechnende PKH - Verfahrensgebühr, sondern gem. § 58 Abs. 2 RVG zunächst auf die Differenz zwischen der Wahlanwaltsvergütung und der Prozesskostenhilfevergütung anzurechnen. Nur soweit der Anrechnungsbetrag den Differenzbetrag zwischen Prozesskostenhilfevergütung und Regelvergütung übersteigt, kommt ein Abzug von dem gegen die Staatskasse festzusetzenden Anspruch in Betracht.

 

Normenkette

RVG §§ 15a, 50, 55 Abs. 5 S. 3, § 58 Abs. 2, § 56 Abs. 2 S. 1; RVG-VV Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 4; RVG-VV Nr. 3100

 

Verfahrensgang

LG Trier (Beschluss vom 20.06.2012; Aktenzeichen 6 O 98/11)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten werden der Beschluss der Einzelrichterin vom 3.4.2012 sowie die Beschwerdeentscheidung des LG vom 20.6.2012 aufgehoben und die Ausgangsentscheidung des Rechtspflegers vom 3.1.2012 wieder hergestellt.

 

Gründe

I. Der Beklagten und Widerklägerin wurde im Hauptsacheverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und die Rechtsanwälte R.+S. beigeordnet. Zuvor hatte die Beklagte den beigeordneten Rechtsanwälten für deren vorgerichtliche Tätigkeit bereits eine Geschäftsgebühr (535,60 EUR netto) nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer i.H.v. insgesamt 661,16 EUR gezahlt.

Nach Abschluss des Verfahren beantragten die Bevollmächtigten der Beklagten am 16.12.2011 die Festsetzung einer 1,3-Verfahrensgebühr sowie einer 1,2 Terminsgebühr nebst Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer als PKH-Vergütung gegen die Staatskasse, insgesamt 731,85 EUR. Der tatsächliche Vergütungsanspruch gegen die Beklagte beläuft sich auf 1.359,58 EUR für das gerichtliche Verfahren ohne Berücksichtigung und Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr. Am 3.1.2012 hat der Rechtspfleger beim LG die Vergütung antragsgemäß festgesetzt.

Hiergegen wendet sich der Bezirksrevisor mit seiner Erinnerung vom 9.1.2012. Die Vertreter der Beklagten müssten sich die vorgerichtliche Geschäftsgebühr zur Hälfte (0,65) auf die nachfolgende Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anrechnen lassen. § 15a RVG gelte auch im Verhältnis zur Staatskasse, was sich im Umkehrschluss aus § 55 Abs. 5 S. 3 RVG ergebe. Nach der im einzelnen dargelegten Vergleichsberechnung ist er der Auffassung, dass die aus der Staatskasse zu erstattende Verfahrensgebühr um 36,40 EUR netto zu kürzen ist.

Der Rechtspfleger hat der Erinnerung nicht abgeholfen und sie der zuständigen Kammer zur Entscheidung vorgelegt, die die Vergütung durch Beschluss der zuständigen Einzelrichterin vom 3.4.2012 in teilweiser Änderung des Festset-zungsbeschlusses um 36.40 EUR netto gekürzt und sie auf insgesamt 688,53 EUR festgesetzt hat.

Gegen die ihnen nicht förmlich zugestellte, nach eigenen Angaben am 29.5.2012 eingegangene Entscheidung, richtet sich die Beschwerde der Bevollmächtigten der Beklagten vom 5.6.2012. Sie seien als Wahlanwälte tätig geworden. Eine Anrechnung habe nach § 58 Abs. 2 RVG nicht zu erfolgen, weil die gezahlte Ge-schäftsgebühr geringer sei als die Differenz zwischen der PKH-Vergütung und der Wahlanwaltsvergütung.

Das LG hat - nunmehr in Kammerbesetzung - entschieden, der Erinnerung nicht abzuhelfen und zugleich die Beschwerde zuzulassen, da die aufgeworfene Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung habe, und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die Beschwerde ist nach § 56 Abs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 2 RVG statthaft, da das LG sie zugelassen hat. Sie ist auch begründet.

Nach § 58 Abs. 2 RVG sind Vorschüsse und Zahlungen, die der Rechtsanwalt vor oder nach der Beiordnung erhalten hat, zunächst auf die Vergütung anzurechnen, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht oder nur unter den Voraussetzungen des § 50 RVG besteht.

Dass die Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV grundsätzlich auch auf die Gebühren des beigeordneten Rechtsanwaltes anzuwenden ist, steht nicht im Streit. Hiervon geht der Senat mit den Parteien aus. Offen ist, ob und wie die vorgerichtlich gezahlte Geschäftsgebühr bei der Berechnung der PKH-Gebühren zu berücksichtigen ist.

Der Senat folgt der von Müller-Rabe (in Gerold-Schmidt, RVG, 19. Aufl., § 58 Rz. 43) vertretenen Ansicht zur Anrechnung der gezahlten Geschäftsgebühr. Danach sind zunächst die gesamten Wahlanwaltsgebühren nebst Auslagen unter Berücksichtigung der anzurechnenden Geschäftsgebühr zu ermitteln. Sodann sind die von der Staatskasse zu erstattenden Kosten - ohne Anrechnung - sowie die vorgerichtliche Vergütung, die der Rechtsanwalt vom Mandanten erhalten hat, zu addieren. Nur wenn der Rechtsanwalt durch die vom Mandanten und der Staatskasse tatsächlich erfolgten Zahlungen mehr erhält als die Wahlanwaltsvergütung, kommt eine Anrechnung auf die PKH-Gebühren in Betracht (ebenso OLG München AGS 2010, 63; OLG Oldenburg v. 1.9.2011 - 13 W 29/11 unter ausdrückl...

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