Leitsatz (amtlich)

Wenn eine Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr auf die aus der Staatskasse zu zahlende Prozesskostenhilfevergütung in Betracht kommt, hat diese zunächst auf die Gebühren nach der Wahlanwaltstabelle zu erfolgen. Nur soweit der Anrechnungsbetrag den Differenzbetrag der Prozesskostenhilfevergütung zur Regelvergütung übersteigt, kommt ein Abzug von dem gegen die Staatskasse festzusetzenden Anspruch in Betracht.

 

Normenkette

RVG §§ 13, 45, 49, 56 Abs. 2 S. 1, § 33 Abs. 3 S. 1; RVG-VV Vorbem. 3 Abs. 4; RVG-VV Nr. 3100

 

Verfahrensgang

LG Augsburg (Beschluss vom 11.11.2009; Aktenzeichen 9 O 5132/08)

 

Tenor

... aus der Staatskasse zu zahlende Prozesskostenhilfevergütung auf 704,96 EUR festgesetzt wird.

 

Gründe

I. Der Beschluss des LG Augsburg vom 11.11.2009 wird aufgehoben.

II. Der Beschluss des LG Augsburg vom 15.10.2009 wird dahin abgeändert, dass die an Rechtsanwalt!

Das LG Augsburg hat dem Kläger mit Beschluss vom 20.4.2009 Prozesskostenhilfe bewilligt und ihm Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigten beigeordnet. Dieser hatte den Beklagten bereits vorgerichtlich mit Schriftsatz vom 17.9.2008 zur Zahlung der Klageforderung aufgefordert. Der Rechtsstreit ist durch Versäumnisurteil vom 9.6.2009 beendet worden, unter dessen Ziff. II. dem Kläger die geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskoster i.H.v. 1.085,04 EUR zugesprochen worden sind.

Mit Schriftsatz vom 22.7.2009 hat Rechtsanwalts Festsetzung seiner Vergütung mit einem Betrag von 704,96 EUR geltend gemacht und dabei unter Anderem eine 1,3 Verfahrensgebühr i.H.v. 413,40 EUR angesetzt. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (Rechtspfleger) hat mit Beschluss vom 15.10.2009 die dem Klägervertreter aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 458,98 EUR festgesetzt, wobei mit Hinweis auf die Anrechnung der vorgerichtlich entstandenen

Geschäftsgebühr nur eine gekürzte Verfahrensgebühr i.H.v. 206,70 EUR berücksichtigt worden ist.

Dte hiergegen gerichtete Erinnerung des Rechtsanwaltsf Jiat das LG Augsburg mit richterlichem Beschluss vom 11.11.2009 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich Rechtsanwalt^Pmit seiner Beschwerde. Zur Begründung wirfd ausgeführt, die Anrechnung einer fiktiven Geschäftsgebühr führe dazu, dass die sich die Prozesskostenhilfevergütung drastisch reduziere. Die fiktive Geschäftsgebühr für das außergerichtliche Mahnschreiben habe der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht erhalten und werde sie in absehbarer Zeit auch nicht erhalten. In § 55 Abs. 5 Satz 2 und Satz 3 RVG sei darüber hinaus ausdrücklich geregelt, dass ein beigeordneter Rechtsanwalt nur Zahlungen auf eine anzurechnende Geschäftsgebühr anzugeben habe. Nach einer Entscheidung des BGH v. 2.9.2009 - II ZB 35/07 - habe eine Anrechnung nur dann zu erfolgen, wenn der Prozessbevollmächtigte eine Geschäftsgebühr auch tatsächlich erhalten habe. Im Übrigen sei allenfalls die Gebühr hälftig anzurechnen, die im Rahmen der Beratungshilfe gewährt worden wäre (35 EUR).

II. Die Beschwerde ist zulässig (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG).

Das Rechtsmittel erweist sich im Ergebnis auch als begründet.

Nach der Rechtsprechung des BGH ist die anteilige Anrechnung einer vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr (Nr. 2300 RVG-VV) gemäß der Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV auf die im gerichtlichen Verfahren anfallende 1,3 Verfahrensgebühr (Nr. 3100 RVG-VV) auch im Kostenfestsetzungsverfahren nach den §§ 103, 104 ZPO zu berücksichtigen. Dabei soll es nach Auffassung des BGH ohne Bedeutung sein, ob die Geschäftsgebühr auf materiell-rechtlicher Grundlage vom Prozessgegner zu erstatten und ob sie unstreitig, geltend gemacht, tituliert oder bereits beglichen ist (u.a. BGH NJW 2008, 1323; FamRZ 2008, 1346 = AGS 2008, 364; NJW-RR 2008, 1528 = AGS 2008, 441 = JurBüro 2008, 468; AGS 2008, 377 = JurBüro 2008, 529; FamRZ 2008, 2023 = VersR 2008, 1666).

Die Frage, ob die Anrechnung der Geschäftsgebühr gemäß der Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV auch im Falle der Festsetzung des Vergütungsanspruchs des im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse zu berücksichtigen ist, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten.

a) Nach herrschender Meinung ist die Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV grundsätzlich auch im Verhältnis zur Staatskasse anzuwenden (OLG Frankfurt JurBüro 2007, 149; OLG Stuttgart AnwBl. 2008, 301 = JurBüro 2008, 245; LAG Köln RVGreport 2007, 457; LAG Düsseldorf RVGreport 2008, 142; VGH München AGS 2007, 314 mit ablehnender Anmerkung von N. Schneider; VGH München Beschl. v. 9.5.2006 - 12 C 06.65; OLG Oldenburg AGS 2008, 352 = MDR 2008, 1185 und JurBüro 2008, 527; OLG Bamberg RVGreport 2008, 343; a.A. Hansens RVGreport 2008, 1, 2, Ziff. III 2). Dem steht nicht entgegen, dass beide Gebühren sich gegen unterschiedliche Schuldner richten. Es besteht nämlich eine Abhängigkeit des Anspruchs gegen die Staatskasse von dem Anspruch, der dem Rechtsanwalt gegen den Mandanten zusteht, es ist insoweit eine Deckungsgleichheit gegeben (OLG Stuttgart, a.a.O.).

Dennoch kann die Frag...

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