Entscheidungsstichwort (Thema)

Festsetzung der Anwaltsvergütung im PKH-Verfahren. Anrechnung einer Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Entstehen einer Geschäftsgebühr setzt voraus, dass dem Rechtsanwalt vor dem Tätigwerden noch kein unbedingter Klageauftrag in der fraglichen Angelegenheit erteilt war.

2. Eine hiernach entstandene Geschäftsgebühr ist im Rahmen der Festsetzung der Anwaltsvergütung im PKH-Verfahren auf eine wegen desselben Gegenstandes entstandene Verfahrensgebühr anzurechnen. Dem steht die Regelung des § 58 Abs. 2 RVG nicht entgegen.

 

Normenkette

VV RVG Vorbemerkung 3 Abs. 4; VV RVG Nr. 2400; RVG § 58 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Duisburg (Beschluss vom 09.02.2007; Aktenzeichen 4 Ca 1448/06)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 19.02.2007, bei Gericht eingegangen am 21.02.2007, gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Duisburg vom 09.02.2007 – zugestellt am 14.02.2007 – wird zurückgewiesen.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

1.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist durch das Arbeitsgericht nach §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 2 zugelassen und form- und fristgerecht eingelegt worden.

2.

In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Zutreffend hat das Arbeitsgericht erkannt, dass auf die in der eingereichten Liquidation geltend gemachte Verfahrensgebühr eine aufgrund vorgerichtlicher Tätigkeit entstandene Geschäftsgebühr nach Vorbemerkung 3 Absatz 4 VV RVG anzurechnen ist. Die Beschwerdekammer teilt zur Frage der Anrechung die – allerdings nicht näher begründete – Auffassung des LAG Köln (21.06.2007 – 14 Ta 134/07 – juris; siehe auch VG Minden 02.02.2007 – 7 K 2057/06 – AGS 2007, 314).

a)

Dem Antragsteller steht eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG zu. Er hat für den Kläger des Ausgangsverfahrens die spätere Beklagte mit Schriftsatz vom 18.01.2006 (richtig wohl 05.04.2006) angeschrieben und um Informationen über den von dieser behaupteten Betriebsübergang gebeten. Hierfür ist eine Geschäftsgebühr angefallen. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt bereits einen unbedingten Klageauftrag hatte, so dass die genannte Tätigkeit mit der Verfahrensgebühr abgegolten wäre (vgl. Beschluss der Beschwerdekammer vom 27.08.2007 – 13 Ta 182/07 –), bestehen nicht. In der Klage vom 31.05.2006 beruft sich der Kläger ausdrücklich darauf, die Klage auf Feststellung des Fortbestands eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien sei zu erheben, da die Beklagte der Aufforderung zur Mitteilung weiterer Informationen nicht hinreichend nachgekommen ist.

b)

Die Geschäftsgebühr ist in Höhe von 319,80 EUR (1,3 Geschäftsgebühr über einen Wert von 11.000,– EUR) angefallen. Für ein Abweichen von der Regelgebühr von 1,3 ist nichts ersichtlich. Da der Antragsteller die Festsetzung von Gebühren gegenüber der Staatskasse verlangt, ist auch bezogen auf die anzurechnende Gebühr die Tabelle des § 49 RVG zugrunde zu legen. Sie ist zur Hälfte, also mit 159,90 EUR, auf die geltend gemachte Verfahrensgebühr anzurechnen.

(1)

Entgegen der in der Beschwerde geäußerten Auffassung reduziert sich auf der Grundlage der Vorbemerkung 3 Absatz 4 VV RVG nicht die Geschäftsgebühr. Nach dem eindeutigen Wortlaut wird vielmehr die Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr angerechnet, so dass sich die letztgenannte verringert (so auch BGH 07.03.2007 – VIII ZR 86/06 – NJW 2007, 2049).

(2)

Die Voraussetzungen einer Anrechnung sind gegeben. Die Geschäftsgebühr ist wegen desselben Gegenstandes wie die Verfahrensgebühr entstanden, nämlich der streitigen Frage, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers im Rahmen eines Betriebsübergangs auf einen Dritten übergegangen ist.

(3)

Soweit in der ordentlichen Gerichtsbarkeit (KG Berlin 17.07.2007 – 1 W 256/07 – AGS 2007, 439; OLG München 30.08.2007 – 11 W 1779/07 – juris; OLG Karlsruhe 18.09.2007 – 13 W 83/07 – juris) für das Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103, 104 ZPO vertreten wird, eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr habe grundsätzlich zu unterbleiben, ist dies für die hier zu entscheidende Frage ohne Belang. Denn insoweit wird maßgeblich darauf abgestellt, die Anrechnungsbestimmung betreffe nicht das Verhältnis der obsiegenden zur gegnerischen Partei, sondern nur das Rechtsverhältnis zwischen der Partei und ihrem Prozessbevollmächtigten. Nur in dem letztgenannten Verhältnis solle das insgesamt abrechenbare Gebührenaufkommen begrenzt werden. Vorliegend ist gerade dieses Verhältnis betroffen. Die Prozesskostenhilfe bezieht sich – soweit sie hier fraglich ist – nicht auf die Ansprüche zwischen den Prozessparteien, sondern gerade auf die Vergütungsansprüche des Prozessbevollmächtigten gegenüber der Partei, für welche ein weiterer, öffentlich-rechtlicher Vergütungsanspruch geschaffen wird. Der Anspruch gegenüber der Landeskasse setzt voraus, dass ein entsprechender privatrechtlicher Anspruch des Rechtsanwalts gegenüber der Partei besteht (Gerold/Schmidt ua. RVG 17. Aufl. § 45...

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