Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr

 

Leitsatz (amtlich)

Die teilweise Anrechnung einer vorgerichtlich angefallenen Geschäftsgebühr auf die im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren entstandene Verfahrensgebühr nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV ist im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103, 104 ZPO grundsätzlich nicht zu berücksichtigen.

 

Normenkette

ZPO §§ 91, 103-104; RVG-VV Vorbem. 3 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 19.04.2007; Aktenzeichen 27 O 922/07)

 

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Wert der Beschwerde beträgt 586,31 EUR.

IV. Die Rechtsbeschwerde zum BGH wird zugelassen.

 

Gründe

I. Das LG hat mit Anerkenntnisurteil vom 21.02.2007 den Beklagten zur Zahlung von 25.026,84 EUR nebst Zinsen verurteilt und ihm die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Die Rechtspflegerin beim LG hat mit Beschluss vom 19.04.2007 die von dem Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten antragsgemäß auf 2.618,85 EUR festgesetzt einschließlich einer 1,3 Verfahrensgebühr i.H.v. 985,40 EUR zuzüglich MWSt. Dagegen hat der Beklagte mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 23.04.2007 sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung wird unter Bezugnahme auf das Urteil des BGH vom 7.3.2007 (VIII ZR 86/06 - NJW 2007, 2049) ausgeführt, dass die für die Klägervertreter durch deren vorgerichtliche Tätigkeit angefallene 1,3 Geschäftsgebühr i.H.v. 985,40 EUR nach der Vorbem. 3 Abs. 4 RVG-VV zur Hälfte auf die im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemachte 1,3 Verfahrensgebühr anzurechnen sei. Erstattungsfähig sei nur die nach dieser Anrechnung verbleibende 0,65 Verfahrensgebühr i.H.v. 492,70 EUR. Denn der Kläger könne von dem Beklagten nicht höhere Anwaltsgebühren erstattet verlangen als er seinen Prozessbevollmächtigten schulde.

Der Kläger beantragt die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde. Er vertritt - in Übereinstimmung mit der Vorinstanz - die Auffassung, dass die für die vorgerichtliche Tätigkeit seines Prozessbevollmächtigten entstandene Geschäftsgebühr ungeachtet der Anrechnungsbestimmung nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV im Kostenfestsetzungsverfahren nicht zu berücksichtigen sei.

II. Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist zulässig (§ 11 Abs. 1 RPflG, §§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO).

Das Rechtsmittel bleibt aber ohne Erfolg.

Die Vorinstanz hat mit zutreffender Begründung die vom Kläger geltend gemachte 1,3 Verfahrensgebühr (Nr. 3100 RVG-VV) in voller Höhe festgesetzt.

1. Allerdings hatten die Prozessbevollmächtigten des Klägers diesen wegen desselben Gegenstandes schon vorgerichtlich vertreten und dadurch eine 1,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV i.H.v. 985,40 EUR verdient. Das ist zwischen den Parteien unstreitig.

Im Ausgangspunkt zutreffend ist auch die Auffassung des Beklagten, dass auf die den Prozessbevollmächtigten des Klägers spätestens mit Einreichung der Klageschrift vom 17.1.2007 erwachsene 1,3 Verfahrensgebühr i.H.v. 985,40 EUR die zuvor entstandene Geschäftsgebühr zur Hälfte anzurechnen ist, die Geschäftsgebühr also in unvermindeter Höher bestehen bleibt (BGH NJW 2007, 2049 [2050]; Senat JurBüro 2006, 21 unter II.3). Das ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorbem. 3 Abs. 4 Satz 1 RVG-VV und hat zur Folge, dass der Kläger seinen Prozessbevollmächtigten neben der 1,3 Geschäftsgebühr (Nr. 2300 RVG-VV) nur eine 0,65 Verfahrensgebühr i.H.v. 492,70 EUR schuldet.

2. Ob die teilweise Anrechnung der Geschäftsgebühr nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV auf die im nachfolgenden Rechtsstreit entstandene Verfahrensgebühr auch im Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigen ist, ist umstritten.

Nach einer vom 10. und 19. Senat des VGH München (JurBüro 2006, 77 und NJW 2006, 1990) vertretenen Auffassung ist auch im Kostenfestsetzungsverfahren nur der nach Anrechnung der anteiligen Geschäftsgebühr verbleibende Teil der Verfahrensgebühr gegen die erstattungspflichtige Partei festsetzbar.

Nach der überwiegenden Gegenmeinung hindert dagegen die Anrechnungsbestimmung nach Vorbem. 3 Abs. 4 RVG-VV grundsätzlich nicht die Geltendmachung und Festsetzung der vollen Verfahrensgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren gegen die unterlegene Partei (OLG Hamm JurBüro 2006, 202; KG JurBüro 2006, 202; OLG Koblenz Rpfleger 2007, 433; OVG Münster NJW 2006, 1991; VGH München - 4. Senat - NJW 2007, 170; Gerold/Schmidt/Madert/Müller/Rabe, RVG, 17. Aufl., Rz. 41 zu VV 2300, 2301 und Rz. 201 zu VV 3100; N. Schneider AGS 07, 287). Diese Auffassung teilt auch der Senat für den hier vorliegenden Fall, in dem mit der Klage eine vorgerichtliche Geschäftsgebühr nicht geltend gemacht worden ist und der Beklagte auch nicht behauptet, die den Klägervertretern erwachsene Geschäftsgebühr bereits bezahlt zu haben.

a) Schon zu § 118 Abs. 2 Satz 1 BRAGO, wonach eine bezüglich desselben Gegenstandes vorgerichtlich angefallene Geschäftsgebühr (§ 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO) auf die im nachfolgenden Rechtsstreit entsta...

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