Entscheidungsstichwort (Thema)

Verkehrssicherungspflicht bei Mäharbeiten an öffentlichen Straßen

 

Leitsatz (amtlich)

Eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch eine Gemeinde kommt nicht in Betracht, wenn bei Mäharbeiten an einer außerörtlichen Umgehungsstraße ein Stein aufgewirbelt wird und ein vorbeifahrendes Fahrzeug beschädigt, wenn feststeht, dass der eingesetzte motorbetriebene Handrasenmäher über einen Auffangkorb und einen seitlichen Blechschutz verfügt sowie der Mitarbeiter der Gemeinde die zu mähende Fläche vorher nach Steinen abgesucht hat.

 

Normenkette

BGB § 839; GG Art. 34

 

Verfahrensgang

LG Hildesheim (Urteil vom 06.01.2006; Aktenzeichen 5 O 211/05)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 6.1.2006 verkündete Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des LG Hildesheim abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollsteckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die Berufung ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf einem Rechtsfehler (§ 513 Abs. 1, Alt. 1, § 546 ZPO). Ferner rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zulegenden Tatsachen auch nach der vom Senat ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme die angefochtene Entscheidung nicht (§ 513 Abs. 1, Alt. 2 ZPO). Der Klägerin steht gegen die Beklagte gem. § 839 BGB, Art. 34 GG kein Anspruch auf Schadensersatz wegen der an ihrem Pkw am 21.7.2005 entstandenen Beschädigungen infolge der durch die Beklagte veranlassten Mäharbeiten und des Steinschlags zu.

1. Soweit die Beklagte erstmals in der Berufungsinstanz die Aktivlegitimation der Klägerin in Abrede stellt, kann sie hiermit allerdings nicht durchdringen. In erster Instanz war unstreitig, dass die Klägerin Eigentümerin des beschädigten Pkw VW Golf, amtl. Kennzeichen ..., ist. Der bloße Umstand, dass der Kostenvoranschlag für die Reparatur des Fahrzeugs nicht auf den Namen der Klägerin, sondern ihres Ehemannes lautet, ist unerheblich, da der Auftraggeber für eine Reparatur nicht identisch mit dem Eigentümer der geschädigten Sache sein muss. Mit ihrem allgemeinen Bestreiten der Aktivlegitimation der Klägerin ist die Beklagte nach § 531 Abs. 2 ZPO in zweiter Instanz jedenfalls ausgeschlossen.

2. Nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme hat sich indessen nicht ergeben, dass die Beklagte im Rahmen der von ihr als hoheitliche Aufgabe der Straßenverkehrssicherungspflicht (§ 10 NStrG) vorgenommenen Mäharbeiten eine drittbezogene Amtspflicht gem. § 839 Abs. 1 S. 1 BGB schuldhaft verletzt hat. In Betracht kommt hier eine Verkehrssicherungspflicht dahingehend, bei den Mäharbeiten hinreichend dafür Sorge zu tragen, dass durch aufgewirbelte Steine keine vorbeifahrenden Pkw im Bereich der Umgehungsstraße der Stadt L. beschädigt werden können.

a) Grundsätzlich ist derjenige, der eine Gefahrenlage schafft, verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern (BGH VersR 2003, 1319). Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst danach diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schaden zu bewahren. Voraussetzung ist, dass sich vorausschauend die naheliegende Gefahr ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden können. Andererseits kann nicht jeder abstrakten Gefahr durch vorbeugende Maßnahmen begegnet werden. Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich die naheliegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden können. Hiernach sind die Vorkehrungen zu treffen, die nach der Intensität der Gefahr und den Sicherheitserwartungen des jeweiligen Verkehrs im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden, die bei bestimmungsgemäßer oder bei nicht ganz fern liegender bestimmungswidriger Nutzung drohen (BGH v. 20.9.1994 - VI ZR 162/93, MDR 1995, 157 = VersR 1994, 1486; OLG Stuttgart VersR 2005, 663; OLG Hamm v. 23.5.2001 - 13 U 253/00, NJW-RR 2002, 233).

Soweit es insb. um die Durchführung von Mäharbeiten an Seitenstreifen von Straßen oder im Bereich von Grünflächen geht, kommt es zunächst darauf an, ob diese mit einem Mähfahrzeug oder lediglich mit einem Rasenmäher bzw. einer Sense vorgenommen wurden. Im ersten Fall, der hier nicht vorliegt, kommt nämlich eine Gefährdungshaftung nach § 7 Abs. 1 StVG in Betracht (vgl. etwa BGH VersR 2005, 566; OLG Stuttgart v. 25.6.2003 - 4 U 41/03, OLGReport Stuttgart 2003, 436 = MDR 2004, 95 = VersR 2003, 1275; LG München I DAR 1999, 552), während beim Einsatz von Rasenmähern oder -sensen lediglich die verschuldensabhängige Amtshaftung nach § 839 BGB, Art. 34 GG eingreift (hierzu etwa BGH v. 28.11.2002 - III ZR 122/02, MDR 2003, 265 = BGHReport 2003, 171 = VersR 2003, 1274; OLG Stuttgart v. 11.9.2002 - 4 U 108/02, OLGReport Stuttgart 2003, 111 = VersR 2002, 1572; LG Oldenburg NdsRpfl. 2000, 5).

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