Leitsatz (amtlich)

Die Staatskasse kann die nach § 59 Abs. 1 RVG auf sie übergegangenen Vergütungsansprüche eines beigeordneten Rechtsanwalts gegen den Gegner auch dann geltend machen, wenn diesem ebenfalls ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist.

 

Normenkette

ZPO § 122 Abs. 1 Nr. 1 lit. b; GKG § 59 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Verden (Aller) (Beschluss vom 02.04.2014; Aktenzeichen 3 T 33/14)

AG Diepholz (Beschluss vom 17.02.2014; Aktenzeichen 2 C 329/13 (I))

 

Tenor

Die weitere Beschwerde des Klägers vom 23.4.2014 gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des LG Verden vom 2.4.2014, durch den die Beschwerde des Klägers gegen den seine Erinnerung gegen den Kostenansatz der Rechnung vom 29.1.2014 zurückweisenden Beschluss des AG Diepholz vom 17.2.2014 zurückgewiesen worden ist, wird zurückgewiesen.

Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. In dem vor dem AG Diepholz geführten Rechtsstreit hat der Kläger zwei Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch genommen. Das AG hat dem Kläger und beiden Beklagten ratenfreie Prozesskostenhilfe gewährt. Mit rechtskräftigem Urteil vom 8.1.2014 hat das AG die Klage abgewiesen und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Auf Anträge der Prozessbevollmächtigten beider Beklagten gem. § 45 Abs. 1 RVG hat die Landeskasse zu erstattende Kosten i.H.v. 539,19 EUR und 545,62 EUR festgesetzt und an die Prozessbevollmächtigten ausgezahlt. Unter dem 29.1.2014 hat das AG dem Kläger den Gesamtbetrag i.H.v. 1.084,81 EUR gem. § 59 Abs. 1 GKG in Rechnung gestellt.

Hiergegen wendet sich der Kläger, der unter Hinweis auf eine Rechtsprechung des OLG München meint, aus den Gesetzesmaterialien zu § 122 Abs. 1 Ziff. 1 lit. b ZPO ergebe sich, dass es der Landeskasse nach dieser Vorschrift verwehrt wäre, den nach § 59 GKG auf die Landeskasse übergegangenen Anspruch gegen ihn geltend zu machen. Erinnerung und Beschwerde hatten keinen Erfolg.

II.1. Die weitere Beschwerde des Klägers ist nach §§ 59 Abs. 2 Satz 1, 66 Abs. 4 GKG zulässig, weil das LG sie ausdrücklich wegen grundsätzlicher Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem angefochtenen Beschluss zugelassen hat, ob die Staatskasse die nach § 59 Abs. 1 GKG auf sie übergegangenen Ansprüche beigeordneter Rechtsanwälte gegen den Gegner auch dann geltend machen kann, wenn diesem selbst ratenfreie Prozesskostenhilfe gewährt worden ist.

Die Zulässigkeit der weiteren Beschwerde wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass dem Verfahren keine grundsätzliche Bedeutung zukommen dürfte. Eine Rechtssache hat nämlich nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen auftreten kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. BGH NJW 2003, 1943, 1944; BGHR ZPO (1.1.2002) § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 "Bedeutung, grundsätzliche" 1). Insoweit dürfte das LG nicht ausreichend berücksichtigt haben, dass die gestellte Rechtsfrage bereits höchstrichterlich geklärt ist und beinahe die gesamte obergerichtliche Rechtsprechung dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung gefolgt ist. Der BGH hat mit Beschluss vom 11.6.1997 entschieden (XII ZR 254/94, FamRZ 1997, 1141), dass der Geltendmachung des gem. § 130 Abs. 1 BRAGO (heute: § 59 RVG) auf die Bundes- oder Landeskasse übergegangenen Anspruchs gegen den erstattungspflichtigen Prozessgegner nicht entgegensteht, dass diesem selbst Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist. Dieser Rechtsprechung sind die OLG Köln (FamRZ 2004, 37), Koblenz (MDR 2008, 172), Nürnberg (FamRZ 2002, 479 und MDR 2008, 233), Zweibrücken (FamRZ 2008, 2140), Oldenburg (FamRZ 2009, 622) und Dresden (FamRZ 2010, 583) gefolgt. Soweit der 20. Senat für Familiensachen des OLG Karlsruhe im Jahre 1998 offenbar in Unkenntnis der Entscheidung des BGH gemeint hat, die gegenteilige Ansicht vertreten zu müssen (JurBüro 1999, 370), hat sich der 16. Senat für Familiensachen des OLG Karlsruhe im Jahre 2005 ausdrücklich der Rechtsprechung des BGH angeschlossen, ohne auf die Entscheidung des 20. Senats für Familiensachen auch nur einzugehen (FamRZ 2005, 2002). Soweit ersichtlich ist lediglich das OLG München der Rechtsprechung des BGH nicht gefolgt (FamRZ 2001, 1156) und vertritt diese Auffassung auch heute noch (AGS 2014, 84). Ob angesichts der höchstrichterlichen und gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung von einer grundsätzlichen Bedeutung der in Rede stehenden Rechtsfrage auszugehen ist, nur weil ein einziges OLG eine andere Rechtsansicht als der BGH vertritt und die Rechtsprechung des BGH in der Literatur Kritik erfahren hat (vgl. etwa Musielak, ZPO, 11. Aufl., § 122 Rz. 5 m.w.N.), erscheint zumindest zweifelhaft.

2. Die weitere Beschwerde des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Mit Recht haben das AG und das LG gemeint, dass die Staatskasse die nach § 59 Abs. 1 RVG auf sie übergeg...

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