Entscheidungsstichwort (Thema)

Unwirksame Einreichung einer Berufungsschrift über das besondere Anwaltspostfach

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die wirksame Einreichung einer Berufungsschrift über das besondere elektronische Anwaltspostfach setzt gem. § 130 a Abs. 3 ZPO eine Übereinstimmung der unter dem Dokument befindlichen einfachen Signatur mit der als Absender ausgewiesenen Person voraus, wenn eine qualifizierte elektronische Signatur fehlt.

2. Die Einreichung einer Berufungsschrift über das besondere elektronische Anwaltspostfach unter Aufbringung einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur erfüllt nicht die Vorausset-zungen an die wirksame Einreichung eines elektronischen Dokuments gem. § 130 a Abs. 3 ZPO.

3. Eine wirksame Einreichung bestimmender Schriftsätze aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach ist ohne qualifizierte elektronische Signatur nur möglich, wenn der Aussteller das Dokument eigenhändig aus seinem Postfach versendet.

4. Wird eine Rechtsanwalts-GmbH mandatiert, ist grundsätzlich da-von auszugehen, dass nur ihr und nicht darüber hinaus jedem einzelnen für sie tätigen Rechtsanwalt die Prozessvollmacht er-teilt worden ist.

 

Normenkette

EUV 910/2014 Art. 3 Nr. 12; EUV 910/2014 Art. 25 Abs. 2; EUV 910/2014 Art. 26; RAVPV Art. 3 Nr. 11; ZPO § 23 Abs. 3 S. 5, § 130 Nr. 6, § 130a Abs. 1, 3-4, §§ 233-234, 519 Abs. 4, § 522 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Braunschweig (Entscheidung vom 18.10.2018; Aktenzeichen 5 O 1752/18)

 

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist wird zurückgewiesen.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 18.10.2018 wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Streitwertfestsetzung für das erstinstanzliche Verfahren wird dahingehend abgeändert, dass der Streitwert bis zum 25.06.2018 auf eine Wertstufe bis 65.000,- EUR und ab dem 26.06.2018 auf eine Wertstufe bis 30.000,- EUR festgesetzt wird.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf eine Wertstufe bis 30.000,- EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von zwei im Zusammenhang mit der Finanzierung eines Fahrzeugkaufs geschlossenen Verbraucherdarlehen.

Nachdem der Kläger erstinstanzlich ursprünglich beantragt hatte,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 55.487,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.954,46 EUR freizustellen,

hat er erstmals mit Schriftsatz vom 26.06.2018, eingegangen beim Landgericht unter demselben Datum, beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 30.193,68 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs der Marke ..., Typ: T..., FIN: ...;

2. für den Fall, dass der Antrag zu 1. Erfolg haben sollte, festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. genannten Pkw in Annahmeverzug befindet;

3. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.954,46 EUR freizustellen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht Braunschweig hat die Klage mit Urteil vom 18.10.2018 (Bl. 60 ff. d. A.) abgewiesen. Hinsichtlich des weiteren Sachverhalts und der Begründung wird auf die Ausführungen im landgerichtlichen Urteil Bezug genommen.

Das Urteil ist der Klägervertreterin am 25.10.2018 zugestellt worden.

Am 19.11.2018 ist über das besondere elektronische Anwaltspostfach (im Folgenden als beA bezeichnet) von Herrn Rechtsanwalt K. ein Berufungsschriftsatz vom selben Datum (Bl. 81 d. A.) eingereicht worden, der unter dem Dokument den maschinenschriftlich wiedergegebenen Namenszug von Herrn Rechtsanwalt L. aufweist. Zusätzlich ist das elektronische Dokument mit der fortgeschrittenen elektronischen Signatur (im Folgenden als feS bezeichnet) des Autors "Advo D. .4." versehen worden.

Mit am 26.11.2018 vorab per Telefax übermittelter Verfügung vom selben Datum (Montag) hat der Senat die Klägervertreterin unter Bezugnahme auf § 130 a Abs. 3 ZPO darauf hingewiesen, dass Bedenken hinsichtlich einer wirksamen Einreichung der Berufung bestehen würden.

Am selben Tag ist ein Berufungsschriftsatz vom 19.11.2018 (Bl. 85 ff. d. A.) mit dem Briefkopf der Klägervertreterin per Telefax beim Oberlandesgericht eingereicht worden, der erneut den maschinenschriftlich aufgebrachten Namenszug von Herrn Rechtsanwalt L. aufweist und von Herrn Rechtsanwalt M. mit dem Zusatz "i. A." unterzeichnet worden ist.

Mit Schriftsatz vom 28.11.2018 (Bl. 90 ff. d. A.) hat der Kläger die Ansicht vertreten, dass die Versendung am 19.11.2018 formwirksam erfolgt sei, wenn ein Schriftsatz über das Postfach des Anwalts R 1 versendet worden sei, nachdem dieser Anwalt eine feS ...

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