Entscheidungsstichwort (Thema)

Eigenbedarfskündigung. Widerspruchsrecht des Mieters wegen fehlgeschlagenen Investitionen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für eine Eigenbedarfskündigung reicht der vernünftige, nachvollziehbare Grund des Vermieters aus, daß seine Mutter und seine Tante gemeinsam nach der Pensionierung die vermietete Wohnung bewohnen wollen, und zwar in erster Linie deshalb, weil sich die Mutter des Vermieters um dessen Kind - ihr Enkelkind - kümmern möchte.

2. Dazu reicht es aus, daß die Pensionierung in absehbarer Zeit bevorsteht, wenn bereits im Zeitpunkt der Kündigung feste Absprachen über die künftige Nutzung mit den Verwandten des Vermieters getroffen worden sind.

3. Ein "weit überhöhter Wohnbedarf", der die Eigenbedarfskündigung als rechtsmißbräuchlich erscheinen lassen könnte, liegt nicht vor, wenn - später - zwei Personen eine Vierzimmerwohnung beziehen wollen.

4. Ein Widerspruchsrecht gem BGB § 556a steht dem Mieter nur dann zu, wenn über die mit dem Umzug verbundenen Beschwernisse wie Wohnungssuche, Umzugskosten und Arbeitsaufwand hinaus weitere Härten vorliegen.

5. Eine besondere Härte kann auch dann vorliegen, wenn der Mieter besondere finanzielle Aufwendungen in Erwartung einer längeren Mietzeit gemacht hat, die bisherige Mietzeit aber in keinem angemessenen Verhältnis zu Höhe der Aufwendungen steht. Insoweit können Aufwendungen zur Erhöhung des Wohnkomforts über den vertraglich geschuldeten Zustand der Wohnung hinaus nur in Ausnahmefällen berücksichtigt werden.

 

Orientierungssatz

Zu Leitsatz 5 vergleiche OLG Karlsruhe, 1971-03-31, 1 REMiet 2/70, ZMR 1971, 221.

 

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird das am 12. Januar 1989 verkündete Urteil des Amtsgerichts Neukölln - 7 C 65/88 - abgeändert:

Die Beklagten werden verurteilt, an die Kläger die mit Mietvertrag vom 1. Dezember 1981 gemieteten Wohnräume im 2. Obergeschoß rechts des Vorderhauses ..., geräumt herauszugeben.

Den Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 1. Februar 1990 gewährt.

Die Anschlußberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.

 

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Kläger ist zulässig; sie wahrt die gesetzlichen Formen und Fristen (§§ 516, 518, 519 ZPO).

III.

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg und muß zu einer Abänderung des angefochtenen Urteils führen.

1.

Der Räumungsanspruch der Kläger ist nach § 556 Abs. 1 BGB begründet, denn durch die Kündigungserklärung vom 21. Dezember 1987 ist das Mietverhältnis beendet worden. Zu Recht hat das Amtsgericht den Eigenbedarf der Kläger bejaht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 18. 1. 1988 - 1 BvR 787/87 in GE 1988, 349) unterliegt es der alleinigen, sich aus dem Eigentumsrecht ergebenden Befugnis des Vermieters zu bestimmen, welchen Wohnbedarf er für sich und seine Angehörigen als angemessen ansieht. Der BGH hat in seinem Rechtsentscheid vom 20. 1. 1988 - VIII A R Z 4/87 in NJW 1988, 904 ausdrücklich hervorgehoben, daß eine unzureichende Unterbringung des Vermieters bzw. seiner Angehörigen nicht erforderlich ist, sondern bereits vernünftige Gründe des Vermieters, in den eigenen Räumen wohnen zu wollen, für den geltend gemachten Eigenbedarf ausreichen.

Die Fachgerichte haben den Entschluß des Vermieters, die Wohnung nunmehr selbst zu nutzen oder durch den - eng gezogenen - Kreis privilegierter Dritter nutzen zu lassen, grundsätzlich zu akzeptieren und ihrer Rechtsfindung zugrunde zu legen (BVerfG, Urteil vom 14. Februar 1989 - 1 BvR 308/88 -, 1 BvR 336/88 -, 1 BvR 356/88 - GE 1989, 299, 303).

Daher war ... nicht zu prüfen, ob die Großmutter und die Tante der Kläger außerhalb Berlins einen angemessenen Wohnraum zur Verfügung haben oder ob sie ... wegen ihrer Pflegebedürftigkeit in die Nähe der Kläger ziehen müssen. Es genügt allein der vernünftige nachvollziehbare Grund, daß Großmutter und Tante zusammen nach ihrer Pensionierung die Wohnung der Beklagten bewohnen wollen, die im Hause der Kläger liegt, und zwar in erster Linie, weil sich die Großmutter auch um ihr Enkelkind kümmern möchte.

Der Mieter ist im Rahmen des Art. 14 Abs. 2 Grundgesetz nur gegen willkürliche Kündigungen geschützt. Weitergehende Nachforschungen, wie es zur Eigenbedarfslage gekommen ist, verletzen das grundgesetzlich geschützte Eigentum. Denn dieses gewährt dem Inhaber das Recht, die Sache zur Grundlage eigenverantwortlicher Lebensgestaltung zu machen und sie so zu nutzen, wie er dies nach seinen Plänen für nützlich hält, (BVerfG - Beschluß vom 18. Januar 1988 - 1 BvR 787/87 - GE 1988, 349).

Eine nur vorgeschobene Kündigung kann aufgrund der Aussagen der bereits in erster Instanz vernommenen Zeuginnen ... und ... nicht angenommen werden. Die Zeugin ... hat ausdrücklich betont, daß sie nach ihrer Pensionierung in der Nähe ihrer Familie leben möchte und sie mit ihren Söhnen vereinbart habe, daß sie die Wohnung im Hause ... beziehen wol...

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