Rz. 20

Die Zuwendung bestimmter Gegenstände (z.B. konkrete Immobilie, Pkw, Geldbetrag, Erbschaft) oder bestimmter Gruppen von Gegenständen (z.B. Bar- und Sparvermögen bzw. Bankvermögen,[38] Immobilien, Auslandsvermögen) ist gem. Abs. 2 im Zweifel als Vermächtnisanordnung und nicht als Erbeinsetzung anzusehen.[39] Verfügt der Erblasser jedoch über sein Vermögen, indem er praktisch oder nahezu sein gesamtes Vermögen nach einzelnen Vermögensgegenständen oder nach Vermögensgruppen aufteilt, soll in der Regel (str., jetzt aber BGH) anzunehmen sein, dass er eine Erbeinsetzung bezweckt hat, denn es könne nicht angenommen werden, dass er überhaupt keinen Erben habe berufen wollen (siehe weiter Rdn 28 ff.).[40] Dem dürfte zumindest dann zuzustimmen sein, wenn die Bedachten und die gesetzlichen Erben nicht identisch sind.[41]

 

Rz. 21

Kommen mehrere Personen auf diese Weise als Erben in Betracht, bestimmen sich die Erbquoten nach dem Verhältnis der Werte der zugewendeten Vermögensgegenstände (zum maßgeblichen Zeitpunkt der Bewertung siehe Rdn 25);[42] ggf. wurde einem Miterben neben der Teilungsanordnung durch die Vermögensverteilung (§ 2048 BGB) ein Vorausvermächtnis (§ 2150 BGB) zugewendet. Unter Berücksichtigung der Wertverhältnisse (und anderer Auslegungskriterien, siehe Rdn 4 ff.) kann die Auslegung aber auch ergeben, dass nur einer der "gegenständlich" Bedachten als Erbe eingesetzt ist, während den anderen lediglich Vermächtnisse zugewendet sind (siehe auch Rdn 29).[43] Der Umstand, dass die Werte der verteilten Gegenstände zur Ermittlung der genauen Höhen der Erbquoten umständlich und schwierig – ja kostenintensiv – zu ermitteln sind, steht der Auslegung einer Erbeinsetzung nach Vermögensgegenständen nicht entgegen, macht sie allerdings nicht zum Regelfall.[44]

 

Praxishinweis

Lassen sich die Erbteile (Erbquoten) bei einer Erbeinsetzung nach Vermögensgegenständen bzw. Vermögensgruppen nicht kurzfristig ermitteln, wird aber kurzfristig ein Erbnachweis für alle Erben zur Herstellung der Handlungsfähigkeit der Erbengemeinschaft benötigt (bspw. Wertpapierdepot im Ausland), kann ein gemeinschaftlicher Erbschein ohne Quoten erteilt werden, wenn alle Antragsteller auf die Aufnahme der Quoten (Erbteile) im Antrag verzichten (§ 352a Abs. 2 S. 2 FamFG; zur Rechtlage vor dem 17.8.2015 siehe 3. Aufl. 2014).

[38] OLG Brandenburg ZErb 2008, 324: Die Formulierung "Barvermögen" wird umgangssprachlich nicht beschränkt auf Bargeld im engeren Sinne, sondern weitergehend auch für auf Giro- und Sparkonten vorhandene Guthaben verwendet.
[39] So im Ergebnis z.B. OLG Hamm ZErb 2011, 333 = ZEV 2012, 211 = FamRZ 1012, 906 bei Beschränkung auf Auslandsvermögen (Österreich) in der irrigen Annahme einer Nachlassspaltung. Anders bei Differenzierung von Inlands- und Auslandsvermögen BGH ZEV 1997, 22 = FamRZ 1997, 349.
[40] BGH FamRZ 1990, 396 ("ausnahmsweise"); BGH ZEV 1997, 22 = FamRZ 1997, 349 ("nicht der Regelfall"); vgl. auch BGH ZEV 2000, 196 (im Ergebnis § 2087 Abs. 2 BGB, d.h. keine Erbeinsetzung); siehe nun aber BGH ZErb 2017, 321 = ZEV 2017, 629 m. Anm. Leipold = FamRZ 2017, 1716 = FamRZ 2017, 1871 m. Anm. Loritz (BGH: "die Regel"); aus der jüngeren OLG-Rspr.: OLG Hamm, Urt. v. 3.3.2009 – 10 U 95/08, juris = BeckRS 2010, 6633 ("meist" – aber im Ergebnis offengelassen), OLG München FamRZ 2010, 758; OLG Hamm, Urt. v. 2.2.2010 – I-10 U 137/09 (10 W 125/09), juris = BeckRS 2010, 19846 ("in der Regel"); OLG München ZErb 2010, 267 und 299 = FamRZ 2011, 68 ("regelmäßig"); OLG Frankfurt, Urt. v. 13.7.2011 – 1 U 43/10, juris = BeckRS 2012, 11737 ("regelmäßig"); OLG München ZErb 2012, 185 = ZEV 2012, 965 = FamRZ 2012, 1976 ("regelmäßig"); vgl. auch KG ErbR 2016, 598.
[41] AG Warstein, Beschl. v. 19.10.2010 – VI 62/10, juris (ErbR 2011, 95, LS) = BeckRS 2010, 30819 im Erbscheinsverfahren auf anderer Tatsachengrundlage als das vorangegangene Urteil des OLG Hamm vom 2.2.2010 – I-10 U 137/09 (10 W 125/09), juris = BeckRS 2010, 19846; Ergebnis des AG Warstein: gesetzliche Erbfolge mit Teilungsanordnungen und Vorausvermächtnissen (aber: Problem der vom Verhältnis der Zuwendungen abweichenden Haftungsquoten im Innenverhältnis, vgl. den Hinweis z.B. in OLG München FamRZ 2010, 758).
[42] Siehe z.B. BayObLG FamRZ 2006, 226; OLG Hamm, Urt. v. 2.2.2010 – I-10 U 137/09 (10 W 125/09), juris = BeckRS 2010, 19846; OLG Düsseldorf NotBZ 2013, 389.
[44] BGH ZEV 1997, 22 = FamRZ 1997, 349; OLG Hamm, Urt. v. 2.2.2010 – I-10 U 137/09 (10 W 125/09) = BeckRS 2010, 19846, juris (im konkreten Fall dagegen: AG Warstein, Beschl. v. 19.10.2010 – VI 62/10, juris = BeckRS 2010, 30819).

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