Entscheidungsstichwort (Thema)

Testamentsauslegung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Für die formgerechte Errichtung eines eigenhändigen Testaments ist es ohne Bedeutung, wenn zwischen der Niederschrift einzelner Teile des Testaments ein längerer Zeitraum liegt.

2. § 2087 Abs. 2 BGB enthält nur eine Auslegungsregel, keine gesetzliche Vermutung. Die Vorschrift greift daher nicht ein, wenn ein anderer Wille des Erblassers festgestellt werden kann. Hat ein Erblasser praktisch sein gesamtes Vermögen, etwa unterteilt in Immobiliar- und sonstiges Vermögen, an die bedachten Personen aufgeteilt, so ist – entgegen dem Wortlaut des § 2087 Abs. 2 BGB – regelmäßig anzunehmen, daß der Testierende eine Erbeinsetzung bezweckt hat; denn es kann nicht unterstellt werden, daß er überhaupt keinen Erben berufen wollte.

 

Normenkette

BGB § 2087 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Ansbach (Beschluss vom 12.06.1998; Aktenzeichen 4 T 160/98)

AG Ansbach (Beschluss vom 12.01.1998; Aktenzeichen VI 388/97)

 

Tenor

I. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 7 und 8 werden die Beschlüsse des Landgerichts Ansbach vom 12. Juni 1998 sowie des Amtsgerichts Ansbach vom 12. Januar 1998 und 19. November 1997 aufgehoben.

II. Das Amtsgericht – Nachlaßgericht – Ansbach wird angewiesen, entsprechend dem Antrag der Beteiligten zu 7 und 8 einen gemeinschaftlichen Erbschein zu erteilen, der die Beteiligten zu 7 und 8 als Miterben je zu 1/2 der Erblasserin ausweist.

III. Der Geschäftswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 182.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die im Alter von 76 Jahren verstorbene Erblasserin war verwitwet und kinderlos. Sie hatte eine Halbschwester, die vor ihr verstorben ist. Deren Abkömmlinge sind die Beteiligten zu 1, 2, 4 und 5. Der Nachlaß besteht im wesentlichen aus dem mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebauten Grundstück, Antiqitäten, Teppichen, Schmuck und Bankguthaben.

Die Erblasserin und ihr vorverstorbener Ehemann hatten sich in einem privatschriftlichen gemeinschaftlichen Testament vom 10.11.1954 gegenseitig als Alleinerben eingesetzt.

Unter dem 10.8.1987, noch zu Lebzeiten ihres Ehemannes, begann die Erblasserin mit der Errichtung eines eigenhändig geschriebenen Testaments, das sie nach seinem Tod (29.9.1989) auf demselben Blatt fortsetzte und – ohne Hinzufügung eines neuen Datums – unterzeichnete.

Der erste Teil des Testaments lautet wie folgt:

Nach meinem Tode soll mein geliebter Mann … der Alleinerbe sein …. Wir hatten besprochen, wie es nach meinem (unseren) Tod einmal weitergehen soll u. haben beschlossen, daß das Haus … an Herrn und Frau K… (Beteiligte zu 7 und 8) vererbt werden soll. Sie möchten das Haus in meinem Sinn in Ordnung halten u. es weiter ausbauen. II Stock Heizung etc. Familie K. übernimmt auch mal unsere Grabpflege … Familie K. stand uns sehr nahe (Hilfe bei Krankheiten unsoweiter. Ich glaube, daß sie uns auch im Alter beistehen und nicht im Stich lassen. Herr K. weiß in meinen Papieren und Akten Bescheid. Er soll alles regeln und die Beerdigung ausrichten.

Der zweite Teil:

Ich mußte mein Schreiben unterbrechen wegen des Todes meines lieben Mannes …. Herr K. war mir auch da eine große Hilfe und hat alles für mich erledigt.

Herr K. hat eine Bankvollmacht von mir, er soll darüber verfügen. Geld liegt auf der Sparkasse und Volksbank, auch Festgeld.

Als Erben setze ich ein: … (Beteiligter zu 2, Sohn einer 1996 vorverstorbenen Nichte) soll DM 30.000,–

… (Beteiligter zu 6) DM 10.000,– … insofern das Geld nicht für Krankheitskosten und Pflegegeld verwendet werden muß.

… (Ehemann der 1996 vorverstorbenen Nichte) bekommt meines lieben Vaters goldene Sprungdeckeluhr. Er soll sie in Ehren halten.

Meinen Schmuck sollen sich … (Beteiligte zu 1), … (1996 vorverstorbene Nichte) und … (Beteiligte zu 3) teilen sowie die echten Perserteppiche.

Der alte „Keshahn” vorne am Wohnzimmerfenster bekommt … (Beteiligte zu 9).

… (Beteiligte zu 10). … die mir eine treue Hilfe (30 Jahre) im Geschäft war, soll DM 1000.-

ebenso … (Beteiligte zu 11) DM. 500.- u. die Bettwäsche, die sie aussuchen soll, haben.

Die Antiquitäten soll Herr K. (Beteiligter zu 7) an alle Genannten gerecht verteilen. Sollten Möbel und Polster verkauft werden, den Erlös an den Tierschutzverein (Beteiligter zu 12) geben (das Haus darf nicht verkauft werden).

Die genannten Erben sollen nicht streiten …

Das Biedermeier-Zimmer, vollständig, soll … (Beteiligte zu 13, minderjährige Tochter der Beteiligten zu 7 und 8) bekommen.

Herr K. (Beteiligter zu 7) soll die Überwachung der Wohnung u. des Hauses übernehmen u. die Miete zum Erhalt des Hauses verwenden.

Krankenhausrechnungen und Rezepte an die Kasse senden …

Die Vereine abmelden, wie besprochen.

Das ist mein letzter Wille.

Der Wert des Anwesens betrug am 10.8.1987 342.000 DM, am 30.11.1989 345.000 DM und am 1.4.1997 390.000 DM. Der Wert des übrigen Nachlasses (Bankguthaben und Antiquitäten) belief sich am 10.8.1987 auf rund 77.000 DM, am 30.11.1989 auf rund 102.000 DM und am 1.4.1997 auf rund 182.000 DM.

Die Beteiligten zu 7 und 8 haben einen gemeinsc...

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