Rz. 4

Für die Auslegung der Zuwendung als Erbeinsetzung ist entscheidend, dass der Erblasser den Bedachten zur Gesamtrechtsnachfolge berufen wollte. Weniger rechtstechnisch betrachtet/formuliert: Entscheidend ist, ob der Erblasser durch den Bedachten seine wirtschaftliche Stellung fortgesetzt wissen wollte,[5] ob er dem Bedachten unmittelbar die materielle Rechtsinhaberschaft (Verfügungsbefugnis) zukommen lassen wollte,[6] ob der Bedachte unmittelbar Rechte am Nachlass oder aber als Vermächtnisnehmer nur Ansprüche gegen andere Bedachte erwerben sollte.[7]

 

Rz. 5

Die Berufung zum Erben setzt nicht notwendig voraus, dass dem Erben letztendlich ein mehr oder weniger großer oder sogar der größte Teil des Nachlasses verbleibt.[8]

 

Rz. 6

Wesentliche Indizien dafür, dass eine Person als Erbe zur Gesamtrechtsnachfolge berufen ist, ergeben sich daraus, wer nach dem Willen des Erblassers den Nachlass zu regeln, die Nachlassverbindlichkeiten zu tilgen sowie für Bestattung und Grabpflege zu sorgen hat.[9] Für eine Erbeinsetzung können daneben sprechen ein besonderer ideeller Wert an einem zugewendeten Gegenstand ("Haus darf nicht verkauft werden")[10] und ein im Vergleich zu anderen zugewendeten Gegenständen besonders hoher wirtschaftlicher Wert (Hauptnachlassgegenstand, dazu siehe Rdn 20 f. und 28 ff.).

 

Rz. 7

Hat der Erblasser den Bedachten als Vertrauensperson gesehen, so kann auch dieser – außerhalb der Verfügung von Todes wegen liegende – Umstand von Bedeutung sein. Hierfür kann bereits die Erteilung einer (Bank-)Vollmacht sprechen, in Kombination mit der Übergabe des Originaltestaments zur Verwahrung.[11] War dem Bedachten (neben einer transmortalen Bankvollmacht) eine transmortale Generalvollmacht (auch zur Durchführung einer Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht) erteilt, können diese Umstände – bei einem gewissen zeitlichen Zusammenhang zur Errichtung der Verfügung von Todes wegen – für eine Erbeinsetzung sprechen;[12] das gilt allerdings nicht, wenn dem Bedachten im Testament lediglich die wertlose Wohnungseinrichtung zugewendet ist.[13]

 

Rz. 8

Bedenken sich Ehegatten in gemeinschaftlichen Testamenten (oder Erbverträgen) neben anderen Personen, so ist hierin regelmäßig eine (Allein-)Erbeinsetzung zu sehen.[14]

[5] BayObLG ZEV 1997, 162 = FamRZ 1997, 1177; BayObLG FamRZ 1999, 1392; BayObLG ZEV 2001, 240 = FamRZ 2001, 1174; BayObLG FamRZ 2003, 1506; OLG München FamRZ 2008, 725; OLG München FamRZ 2010, 758; OLG München ZErb 2010, 267 und 299 = FamRZ 2011, 68; OLG Frankfurt, Urt. v. 13.7.2011 – 1 U 43/10, juris = BeckRS 2012, 11737; OLG München ZErb 2012, 185 = ZEV 2012, 365 = ErbR 2012, 222 = FamRZ 2012, 1976.
[6] Staudinger/Otte, § 2087 Rn 7: materielle Rechtszuständigkeit (siehe aber dort dann Rn 11: materielle Rechtsinhaberschaft); BayObLG FamRZ 2002, 1745: materielle Rechtsinhaberschaft; OLG Schleswig, Beschl. v. 15.1.2014 – 3 Wx 92/13, BeckRS 2015, 20300: materielle Rechtszuständigkeit.
[7] BayObLG ZEV 2001, 240 = FamRZ 2001, 1174: möglichst starke Rechtsstellung; BayObLG FamRZ 2003, 119; BayObLG FamRZ 2003, 1506: möglichst strake Rechtsstellung; OLG München ZErb 2012, 185 = ZEV 2012, 365 = ErbR 2012, 222 = FamRZ 2012, 1976.
[8] BGH ZEV 2004, 374 = FamRZ 2004, 1562; BayObLG FamRZ 2003, 119. Es ist nicht einmal notwendig, dass dem Erben überhaupt ein wirtschaftlicher Vorteil verbleibt (KG OLGZ 1968, 329; BayObLG MDR 1979, 847; BayObLG FamRZ 1986, 728). Wenn kein wirtschaftlicher Vorteil verbleibt, ist allerdings die Anordnung einer Testamentsvollstreckung näher liegend als eine Erbeinsetzung.
[9] BGH ZErb 2017, 321 = ZEV 2017, 629 m. Anm. Leipold = FamRZ 2017, 1716 = FamRZ 2017, 1871 m. Anm. Loritz; BayObLG ZEV 1997, 162 = FamRZ 1997, 1177; BayObLG FamRZ 1999, 1392; BayObLG ZEV 2001, 240 = FamRZ 2001, 1174; BayObLG FamRZ 2003, 119; insoweit etwas kürzer (beschränkt auf Nachlassregelung): BayObLG FamRZ 2003, 1506; OLG München FamRZ 2008, 725; OLG München ZErb 2010, 267 und 299 = FamRZ 2011, 68. Die Zuwendung konkreter Mittel für Bestattung und Grabpflege spricht jedoch gegen eine Erbeinsetzung (BayObLGZ 2003, 15 = FamRZ 2003, 191).
[11] Czubayko, in: Burandt/Rojahn, § 2087 Rn 5 unter Hinweis auf LG Flensburg, Beschl. v. 14.9.2007 – 5 T 60/07, n.v.; vgl. auch BayObLG FamRZ 1999, 1392 a.E. ("Angesichts des großen Vertrauens …" wegen im Testament erwähnter Bankvollmacht, allerdings mit dem Zusatz, der Bedachte solle darüber [Bankvermögen] verfügen).
[12] Zustimmend Horn, in: Horn/Kroiß, Testamentsauslegung, § 9 Rn 18.
[13] So der Sachverhalt in OLG München ZErb 2010, 267 und 299 = FamRZ 2011, 68. Czubayko, in: Burandt/Rojahn, § 2087 Rn 11 weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass in der Praxis immer wieder die Fehlvorstellung des Vollmachtgebers anzutreffen sei, mit der Errichtung einer (notariellen) Vorsorgevollmacht sei auch seine Nachfolge von Todes wegen geregelt.
[14] OLG München FamRZ 2008, 725; KG ErbR 2016, 595; siehe auch unten Rdn 44, 45.

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