Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirtschaftliche Vertretbarkeit der Rückforderung

 

Leitsatz (amtlich)

Ist der Leistungsempfänger zwar nach RVO § 1301 zur Rückzahlung verpflichtet, aber wegen seiner wirtschaftlichen Verhältnisse zur sofortigen Zahlung des gesamten Betrages nicht in der Lage, so hat ihm der Versicherungsträger schon im Rückforderungsbescheid die Zahlung in angemessenen Raten zu gestatten.

 

Orientierungssatz

1. Nach SGB 4 § 76 ist eine Rückforderung nur insoweit vertretbar, als nicht die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners die Niederschlagung, den Erlaß oder die Stundung der Forderung gebieten.

2. Die wirtschaftliche Vertretbarkeit der Rückforderung ist bereits vor Erteilung des Rückforderungsbescheides zu prüfen; sie gehört nicht in den Bereich der Zwangsvollstreckung.

 

Normenkette

RVO § 1301 Fassung: 1965-06-09; SGB 4 § 76

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Entscheidung vom 22.06.1978; Aktenzeichen L 8 J 81/77)

SG Berlin (Entscheidung vom 15.04.1977; Aktenzeichen S 21 J 265/76)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rückforderung zu Unrecht geleisteter Rentenzahlungen.

Der Kläger bezog von der Beklagten Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit. Diese wurde ihm durch Bescheid vom 24. Februar 1972 entzogen. Dieser Entziehungsbescheid wurde durch Urteil des Sozialgerichts Berlin (SG) vom 3. Oktober 1972 aufgehoben. In Ausführung dieses Urteils gewährte die Beklagte dem Kläger durch Bescheid vom 5. März 1973 weiterhin Berufsunfähigkeitsrente seit 1. Oktober 1972. In diesem Bescheid behielt sich die Beklagte die Rückforderung der gezahlten Rente für den Fall vor, daß das dem Bescheid zugrundeliegende Urteil aufgehoben wird.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Berlin durch Urteil vom 29. Januar 1975 das sozialgerichtliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Dieses Urteil ist rechtskräftig.

Durch Bescheid vom 10. Juli 1975 forderte die Beklagte vom Kläger die gezahlten Rentenbeträge in Höhe von 12.425,-- DM zurück. In diesem Bescheid heißt es ua:

"Wir bitten Sie, den Betrag von 12.425,-- DM innerhalb

von sechs Wochen auf eines unserer Konten bei den

aufgeführten Bankinstituten unter Angabe des umseitigen

Aktenzeichens einzuzahlen.

.....

Auf begründeten Antrag kann Ihnen die LVA B

Zahlungserleichterungen gewähren. Ein solcher

Antrag sollte - bei gleichzeitiger Beifügung

geeigneter Beweismittel für seine Begründung -

annehmbare Vorschläge für die ratenweise Tilgung

des Schuldbetrages enthalten. Wir weisen in

diesem Zusammenhang darauf hin, daß ein Antrag auf

Zahlungserleichterung keinen Rechtsbehelf gegen den

Rückforderungsbescheid darstellt und daß er die

grundsätzliche Verpflichtung zur Rückzahlung nicht

berührt".

Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 5. Januar 1976). Die Klage wurde abgewiesen (Urteil vom 15. April 1977). Auf die Berufung des Klägers hat das LSG Berlin durch Urteil vom 22. Juni 1978 den Rückforderungsbescheid geändert, die Aufforderung zur Zahlung innerhalb von sechs Wochen aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Kläger über Art und Umfang der Rückzahlung neu zu bescheiden. Im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung wird ausgeführt, der Kläger sei zwar dem Grunde nach zur Rückzahlung verpflichtet, doch sei die Setzung einer Sechswochenfrist für die Rückzahlung wirtschaftlich nicht vertretbar. Die Beklagte müsse deshalb im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens prüfen, in welchem Umfang und in welcher Zeit die Rückforderung bei Beachtung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers vertretbar sei.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision macht die Beklagte geltend, die Bitte um Zahlung innerhalb einer Frist stehe nicht im Verfügungssatz des angefochtenen Bescheides und nehme an dessen Bindungswirkung nicht teil. Eine verbindliche Regelung der Zahlungsmodalitäten sei damit nicht getroffen worden. Die Zahlungsaufforderung hätte in der gewählten Form nie selbständige Grundlage für Vollstreckungsmaßnahmen sein können. Auch seien noch keine Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eingeleitet worden, die der gerichtlichen Nachprüfung zugänglich gewesen wären. Die Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers müsse auf den Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung beschränkt bleiben, wobei spätere Änderungen nicht berücksichtigt zu werden brauchten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des LSG Berlin vom 22. Juni 1978

aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen

das Urteil des SG Berlin vom 15. April 1977 in

vollem Umfang zurückzuweisen, hilfsweise den

Großen Senat anzurufen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten findet in § 1301 Reichsversicherungsordnung (RVO) keine ausreichende gesetzliche Stütze. Die ausgesprochene Verpflichtung zur Rückzahlung des geforderten Betrages in einer Summe steht mit den wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers nicht im Einklang.

Die gesetzliche Grundlage des § 1301 RVO für die Rückforderung bezieht sich auch auf die Fälle, in denen ein Versicherungsträger aufgrund eines gerichtlichen Urteils gem § 154 Abs 2 iVm § 199 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zunächst Rentenzahlungen leisten mußte (vgl BSG Urteil vom 15. März 1966 - 11 RA 309/64 - SozR Nr 8 zu § 1301 RVO; Eicher/Haase/Rauschenbach, RVO 6. Aufl 1978, § 1301 Anm 5). Es handelt sich um eine Leistung, die ein Rentenversicherungsträger vor rechtskräftiger Entscheidung zahlen mußte.

Das Rückforderungsrecht eines Versicherungsträgers ist an drei Voraussetzungen geknüpft: Einmal das fehlende Verschulden für die Überzahlung, zum anderen das Wissen (Wissenmüssen) des Leistungsempfängers von der Unrechtmäßigkeit der Leistung und schließlich die Vertretbarkeit der Rückforderung nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Verpflichteten. Die Prüfung der beiden ersten Voraussetzungen kann ergeben, daß eine Rückforderung dem Grunde nach gerechtfertigt ist.

In diesem Fall kann ein Versicherungsträger ungeachtet der wirtschaftlichen Verhältnisse des Zahlungspflichtigen eine Leistung dem Grunde nach zurückfordern, dh bescheidmäßig feststellen, daß ein Rückforderungsanspruch besteht und seine Durchsetzbarkeit nur noch von der Frage der wirtschaftlichen Vertretbarkeit abhängt (BSG Urteil vom 29. Januar 1975 - 5 RKnU 12/74 - BSGE 39, 86 = SozR 2200 § 628 RVO Nr 1 S 7). Hierbei handelt es sich um einen feststellenden Verwaltungsakt, der verbindlich das Bestehen eines Rückforderungsanspruchs regelt. Er begründet noch keine Zahlungspflicht; hierzu ist vielmehr ein weiterer Bescheid erforderlich. Erst dieser Bescheid begründet eine konkrete Zahlungspflicht und eignet sich zur Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen.

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte dem Kläger gegenüber ihren Rückforderungsanspruch nicht nur dem Grunde nach festgestellt. Sie hat sich nicht auf eine Erklärung des Inhalts beschränkt, daß der Rückforderungsanspruch an sich bestehe, sondern hat darüber hinaus zu erkennen gegeben, daß sie eine Zahlung des geforderten Betrages spätestens nach sechs Wochen erwarte.

Auch das LSG ging im angefochtenen Urteil ersichtlich davon aus, daß der Kläger zur Rückzahlung des gesamten Betrages verpflichtet ist; sowohl unter dem Gesichtspunkt seines Verschuldens an der Überzahlung als auch der wirtschaftlichen Vertretbarkeit der Rückforderung. Insoweit hat es die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Der Rückforderungsbescheid der Beklagten wurde lediglich hinsichtlich der Modalitäten der Rückzahlung, nämlich der Zahlungsfrist aufgehoben, so daß nur feststeht, daß der Kläger den geforderten Betrag schlechthin zahlen muß.

Für die Einordnung der Zahlungsfrist in den Bereich einer hoheitlichen Regelung im Wege des Verwaltungsaktes kommt es entsprechend den Auslegungsgrundsätzen für Willenserklärungen (vgl BSGE 11, 248 f) darauf an, wie der Empfänger - hier der Kläger - nach den Umständen des Einzelfalles die Erklärung bei verständiger Würdigung zu deuten hatte (BSGE 17, 124, 126). Von Bedeutung ist dabei auch das äußere Erscheinungsbild (vgl BSGE 42, 178 = SozR 3850 § 51 Nr 3). Im vorliegenden Fall konnte der Kläger die ihm gesetzte Zahlungsfrist ohne weiteres als rechtsverbindliche Regelung im Sinne eines Verwaltungsaktes auffassen. Dem steht insbesondere nicht entgegen, daß diese Zahlungsfrist in der Form einer Bitte gesetzt wurde. Das Verhältnis zwischen Verwaltung und Bürger ist heute nicht nur sachlich, sondern auch sprachlich nicht mehr mit dem zwischen der Obrigkeit und einem Untertan zu vergleichen. Dies bedeutet auch, daß Aufforderungen zu einem Tun oder Unterlassen nach den Grundsätzen der Höflichkeit durchweg nicht mehr in die Form eines Befehles, sondern einer Bitte gekleidet werden. Vergleichbares findet sich bei der Ablehnung von Anträgen. Auch dort erfolgt vielfach nicht nur die schlichte Ablehnung; vielmehr bringt die Behörde gleichzeitig ihr Bedauern darüber zum Ausdruck. Am sachlichen Inhalt der behördlichen Entscheidung ändert sich hierbei nichts. Auch einer Bitte kann zB im Wege der Zwangsvollstreckung Nachdruck verliehen werden, wenn der betroffene Bürger zur Erfüllung dieser Bitte rechtlich verpflichtet ist. Hinzu kommt, daß auch in dem hier angefochtenen Bescheid die Rechtsmittelbelehrung erst nach der Setzung der Zahlungsfrist erscheint. Alle diese Umstände waren geeignet, den Charakter eines Verwaltungsaktes zu begründen.

Nach § 1301 RVO hängt die Geltendmachung eines Rückforderungsanspruches von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Schuldners ab, wobei es das Gesetz offenläßt, welche Folgen der Versicherungsträger aus den von ihm angestellten Ermittlungen ziehen muß oder darf, sowohl hinsichtlich der Höhe des zurückzufordernden Betrages als auch der Rückzahlungsmodalitäten. Generell handelt es sich bei dem Anspruch des Rentenversicherungsträgers um eine Einnahme, die er nach dem jetzt geltenden § 76 SGB 4 rechtzeitig und vollständig erheben muß (Abs 1), wobei die Ausnahmen von diesem Grundsatz im Gesetz (Abs 2 aaO) abschließend aufgeführt sind. Diese Ausnahmen - Stundung, Niederschlagung, Erlaß - finden sich auch in anderen Bereichen, in denen ein Sozialversicherungsträger die Position eines Gläubigers innehat, nämlich beim Einzug von Sozialversicherungsbeiträgen (vgl die Allg Verwaltungsvorschrift vom 1972-03-05 - BAnz Nr 89 vom 1972-05-13, S 1 und die Beitragseinzugs VO vom 1972-04-27 BGBl I S 754 -) und bei der Rückforderung zu Unrecht gewährter Vorschüsse (§ 42 SGB 1). Unter diesem Aspekt enthält § 76 SGB 4 einen auch für Rückforderungen geltenden allgemeinen Rechtsgrundsatz, der für die Bedeutung der wirtschaftlichen Verhältnisse maßgebend ist.

Hiernach ist eine Rückforderung nur insoweit vertretbar, als nicht die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners die Niederschlagung, den Erlaß oder die Stundung der Forderung gebieten. In Streit steht hier nur die Stundung im Wege der Ratenzahlung. Nach dem insoweit rechtskräftigen Urteil des LSG kann die Beklagte den gesamten Betrag zurückfordern, wenn auch nur in Teilzahlungen.

Durch die Stundung wird dem Schuldner Gelegenheit gegeben, seine Schuld nicht sofort oder in einer Summe, sondern erst später oder in Raten abzutragen. Durch die so bewirkte Hinausschiebung der Fälligkeit soll bei wirtschaftlicher Vertretbarkeit der Rückforderung den Verhältnissen des Schuldners bei bestehenden Zahlungsschwierigkeiten Rechnung getragen werden. Dies ergibt sich einmal aus § 1301 RVO, der nur eine Rückforderung gestattet, "soweit" diese vertretbar ist, und zum anderen aus der Fürsorgepflicht des Versicherungsträgers.

Die Frage ist, ob und inwieweit diese für die Festsetzung der Höhe des zurückzuzahlenden Betrages sowie für die Einräumung von Zahlungserleichterungen sprechenden Umstände von Amts wegen bereits bei der Erteilung des Rückforderungsbescheides oder nur auf Antrag des Schuldners zu berücksichtigen sind (vgl VerbKomm SGB 4, 476 RdNr 5). Bereits im Rahmen der Gewährung des rechtlichen Gehörs (§ 34 SGB 1) hat ein Schuldner Gelegenheit, seine wirtschaftlichen Verhältnisse darzulegen und dabei auf die Modalitäten der Rückzahlung hinzuwirken. Andererseits ist der Versicherungsträger nach § 1301 RVO wie auch aus seiner sozialen Fürsorgepflicht heraus gehalten, eine Forderung nur insoweit geltend zu machen, als dies dem Schuldner nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zugemutet werden kann. Zu diesem Zweck muß der Versicherungsträger - zB bei der Gewährung des rechtlichen Gehörs - feststellen, ob Umstände vorhanden sind, die einer Geltendmachung seiner Forderung entgegenstehen oder Zahlungserleichterungen bedingen. Aufgrund der von ihm festgestellten Tatsachen kann er seinen Rückforderungsbescheid erlassen. Dabei bleibt es dem Schuldner unbenommen, ggf im Wege eines Rechtsmittels weitere Tatsachen vorzubringen, um weitergehende Zahlungserleichterungen zu erreichen.

Schließen die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Schuldners, wie im vorliegenden Fall, die sofortige Tilgung der gesamten Schuld aus, so muß der Rückforderungsbescheid Zahlungserleichterungen vorsehen. Insoweit wäre es rechtswidrig, den Schuldner auf die Stellung eines Antrages zu verweisen, dem nach Lage der Dinge entsprochen werden müßte.

Die Setzung einer Zahlungsfrist von sechs Wochen berücksichtigt nicht hinreichend die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers. Es ist weder von der Beklagten festgestellt noch sonst zu erkennen, daß der Kläger in der Lage gewesen wäre, innerhalb dieses Zeitraums den von ihm geforderten Betrag zu zahlen.

Nach den Feststellungen der Beklagten hatte der Kläger vor der Erteilung des Rückforderungsbescheides lediglich ein monatliches Nettoeinkommen von 1.340,-- DM. Damit war er zur Zahlung des Rückforderungsbetrages in einer Summe auch nicht nach Ablauf von sechs Wochen in der Lage; insoweit war die Rückforderung wirtschaftlich nicht vertretbar. Die wirtschaftliche Vertretbarkeit der Rückforderung ist bereits vor Erteilung des Rückforderungsbescheides zu prüfen; sie gehört nicht in den Bereich der Zwangsvollstreckung. Dies ergibt sich schon daraus, daß der Wortlaut des § 1301 RVO den Rückforderungsanspruch von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Schuldners abhängig macht. Dieser Regelung hätte es nicht bedurft, wenn diese Frage ausschließlich im Rahmen der Zwangsvollstreckung zu prüfen wäre, weil dort Vorschriften zum Schutz des Schuldners vorhanden sind. Hierbei wollte es der Gesetzgeber offensichtlich nicht bewenden lassen. Vielmehr sollte der Versicherungsträger verpflichtet sein, nach Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners nicht nur über die Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs selbst, sondern auch über die Zahlungsmodalitäten (zB Ratenzahlung - vgl BSG Urteil vom 27. Februar 1973 - 5 RKn 5/71 - = SozR Nr 18 zu § 1301 RVO) zu befinden. Das hat die Beklagte hier nicht getan. Sie hat nicht zum Ausdruck gebracht, daß der Rückforderungsanspruch nur dem Grunde nach festgestellt und die Verwirklichung dieses Anspruches (die Zahlungspflicht des Klägers) einer späteren Regelung vorbehalten bleiben soll (vgl BSGE 39, 86). Dies ergibt sich schon aus dem letzten Teil des angefochtenen Rückforderungsbescheides. Dort sind zwar Zahlungserleichterungen in Aussicht gestellt. Auf der anderen Seite wird aber ausdrücklich darauf hingewiesen, daß ein Antrag auf Zahlungserleichterung kein Rechtsbehelf darstellt und die grundsätzliche Verpflichtung zur Rückzahlung nicht berührt. Auch dadurch hat die Beklagte zu erkennen gegeben, daß sie die Zahlungsmodalitäten nicht einem besonderen Verfahren unterwerfen, sondern von einer unmittelbar bestehenden Zahlungspflicht des Klägers ausgehen wollte.

Hiernach hat das LSG mit Recht den Rückforderungsbescheid der Beklagten insoweit aufgehoben, als er eine Zahlungsaufforderung innerhalb von sechs Wochen enthielt. Mit Recht hat das LSG die Beklagte weiter verurteilt, den Kläger über Art und Umfang der Rückzahlung neu zu bescheiden. Die schlichte Aufhebung der Zahlungsaufforderung hätte bewirkt, daß die Zahlungsverpflichtung des Klägers noch bestehen geblieben wäre. Dies wiederum hätte bewirkt, daß der Kläger den geforderten Betrag unverzüglich in einer Summe zurückzuzahlen hätte. Der noch bestehenbleibende Teil des Rückforderungsbescheides hätte nämlich nicht erkennen lassen, daß der Rückforderungsanspruch nur dem Grunde nach festgestellt werden sollte. Demnach hätte die Beklagte den geforderten Geldbetrag beitreiben können, wobei die Einräumung von Zahlungserleichterungen nach dem Text des Bescheides in ihrem Ermessen gestanden hätte. Da aber, wie bereits ausgeführt, die Zahlungsmodalitäten (und damit auch Zahlungserleichterungen) vor Erteilung eines Rückforderungsbescheides geprüft werden und in diesem ihren Niederschlag finden müssen, sofern das Bestehen eines Rückforderungsanspruches nicht nur dem Grunde nach festgestellt wird, bedarf der hier angefochtene Bescheid nach Aufhebung der Zahlungsaufforderung insoweit einer Ergänzung. Insoweit hat die Beklagte einen neuen Bescheid zu erteilen, wobei die Zahlungsbedingungen nicht im Ermessen der Beklagten liegen, sondern der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Klägers angepaßt werden müssen.

Die Frage, ob und inwieweit Änderungen in den wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers zu berücksichtigen sind (vgl BSG Urteil vom 29. Januar 1975 - 5 RKn 20/73 - SozR 2200 § 1301 Nr 1), braucht auch hier nicht abschließend beantwortet zu werden. Diese Frage bezieht sich nur auf die Fälle, in denen sich die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Schuldners nach Erteilung eines die Zahlungsmodalitäten regelnden Bescheides geändert haben. Hierbei wird vorausgesetzt, daß der ergangene Bescheid den im Zeitpunkt seiner Erteilung bestehenden wirtschaftlichen Verhältnissen Rechnung trug, jedoch infolge der Änderung dieser Verhältnisse einer Überprüfung bedarf. Der vorliegende Fall ist hingegen dadurch gekennzeichnet, daß der die Zahlungsmodalitäten regelnde Teil des angefochtenen Bescheides aufgehoben ist und demzufolge von der Beklagten nicht ein früherer Bescheid überprüft, sondern im Ergebnis erstmalig erteilt werden muß. Hierbei wird die Beklagte die Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers zugrundelegen müssen, die bis zum Zeitpunkt des in Ausführung des LSG-Urteils zu erteilenden Bescheides eingetreten sind. Die Beklagte kann dabei auch Entwicklungen berücksichtigen, die sich bereits abzeichnen.

Nach alledem erweist sich die Revision der Beklagten als unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 144

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