Entscheidungsstichwort (Thema)

Berechnung des Durchschnittseinkommens nach § 1248 Abs 4 S 1 Buchst b. Wegfall des flexiblen Altersruhegeldes. Rückforderung einer Rentenüberzahlung

 

Orientierungssatz

1. Bei einer Dauerbeschäftigung, bei der das Durchschnittseinkommen nach § 1248 Abs 4 S 1 Buchst b RVO zu ermitteln ist, kann die Berechnung dieses Wertes nur so erfolgen, daß alle Arbeitsentgelte während des in Betracht kommenden Zeitraumes zusammengerechnet und sodann die Summe durch die Zahl der Monate geteilt wird, in der das Gesamtentgelt erzielt worden ist. Als Gesamtzeitraum kann jedoch nur die Zeit von Bedeutung sein, in der sowohl eine Rente als auch Arbeitseinkommen bezogen worden ist. Andere Zeiträume sind für die Feststellung des Rentenanspruches ohne Bedeutung (vgl BSG 1979-02-15 5 RJ 64/77 = SozR 2200 § 1248 Nr 29).

2. Will ein Versicherungsträger nicht nur den Rückforderungsanspruch nach § 1301 RVO dem Grunde nach feststellen, sondern durch seinen Rückforderungsbescheid eine Zahlungspflicht begründen, muß er die wirtschaftliche Vertretbarkeit der Rückforderung auch hinsichtlich der Zahlungsmodalitäten bereits vor Erteilung des Rückforderungsbescheides prüfen (Fortführung von BSG 1980-06-10 4 RJ 115/79 = SozR 2200 § 1301 RVO Nr 13).

 

Normenkette

RVO § 1248 Abs 4 S 1 Buchst b Fassung: 1977-06-27, § 1301 Fassung: 1965-06-09

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Entscheidung vom 23.07.1982; Aktenzeichen L 5 J 14/82)

SG Berlin (Entscheidung vom 22.01.1982; Aktenzeichen S 23 J 1369/80)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten noch darum, ob die Beklagte das dem Kläger für die Zeit vom 1. August bis zum 31. Dezember 1979 gewährte flexible Altersruhegeld zurückfordern darf.

Der am 20. Dezember 1915 geborene Kläger beantragte im November 1978 die Gewährung des flexiblen Altersruhegeldes. Hierbei gab er eine Erklärung des Inhalts ab, daß er nicht beabsichtige, eine Beschäftigung auszuüben, in der die Einkommensgrenze von 1.000,-- DM monatlich überschritten werde. Gleichzeitig verpflichtete sich der Kläger, der Beklagten die Aufnahme oder Ausübung einer Beschäftigung sofort mitzuteilen, wenn diese Einkommensgrenze überschritten werde, außerdem verpflichtete er sich, etwa überzahlte Rentenbeträge zurückzuzahlen.

Durch Bescheid vom 13. Dezember 1978 gewährte die Beklagte dem Kläger das beantragte flexible Altersruhegeld ab 1. Januar 1979. Dieser Bescheid enthielt den Hinweis, daß das Altersruhegeld mit dem Beginn des Monats wegfalle, in dem eine Beschäftigung ausgeübt werde, die die Arbeitseinkommensgrenze überschreite. Die Beklagte behielt sich vor, überzahlte Beträge zurückzufordern, wenn der Mitteilungspflicht über die Ausübung einer solchen Beschäftigung nicht genügt werden sollte.

Der Kläger erzielte im Jahre 1979 aus einer Beschäftigung als Personalkontrolleur in einem Kaufhaus folgende Einkünfte:

vom 7. April 1979 bis 28. April 1979

879,45 DM

vom 11. Mai 1979 bis 31. Mai 1979

920,04 DM

vom 1. Juni 1979 bis 30. Juni 1979

914,86 DM

vom 1. Juli 1979 bis 31. Juli 1979

978,00 DM

vom 1. August 1979 bis 31. August 1979

1.027,00 DM

49,00 DM

18,00 DM

vom 1. September 1979 bis 30. September 1979

1.027,00 DM

vom 1. Oktober 1979 bis 31. Oktober 1979

1.027,00 DM

vom 1. November 1979 bis 30. November 1979

1.027,00 DM

vom 1. Dezember 1979 bis 31. Dezember 1979

1.192,40 DM.

Außerdem erzielte der Kläger noch 90,-- DM aus einer Tätigkeit als Änderungsschneider, wie er vor dem Sozialgericht (SG) erklärt hat.

Mit Schreiben vom 27. Mai 1980 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß sie beabsichtige, das von August 1979 bis Februar 1980 gewährte Altersruhegeld in Höhe von insgesamt 7.622,96 DM zurückzufordern, weil der Kläger während dieser Zeit die Arbeitsverdienstgrenze von 1.000,-- DM monatlich überschritten habe. Hierzu gab der Kläger an, er habe die geringfügige Überschreitung nicht bemerkt und sei auch wirtschaftlich nicht zur Rückzahlung des geforderten Betrages in der Lage. Durch Bescheid vom 18. Juli 1980 forderte die Beklagte vom Kläger den Betrag von 7.622,96 DM zurück. Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 6. Oktober 1980). Während des Berufungsverfahrens ermäßigte die Beklagte ihre Rückforderung auf den Betrag von 5.368,20 DM und bezog sie nur noch auf den Zeitraum bis Ende 1979.

Mit seiner Klage gegen die Rückforderung hatte der Kläger in den Vorinstanzen Erfolg (Urteil des SG Berlin vom 22. Januar 1982, Urteil des Landessozialgerichts Berlin -LSG- vom 23. Juli 1982). In seiner Begründung führt das LSG aus, das Altersruhegeld sei auch während des streitigen Zeitraumes zu Recht gewährt worden, weil für das Jahr 1979 das durchschnittliche Einkommen nicht höher als 1.000,-- DM gewesen sei. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens müsse man das gesamte im Jahre 1979 erzielte Arbeitseinkommen zusammenrechnen und die Summe durch die Zahl der Monate, in denen der Kläger Altersruhegeld bezogen habe, teilen. Hierdurch ergebe sich ein Betrag von weniger als 1.000,-- DM.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine unrichtige Anwendung des § 1248 Abs 4 Reichsversicherungsordnung (RVO). Sie trägt vor, ein Überschreiten der Verdienstgrenze sei nur rentenunschädlich, wenn es sich um eine lediglich vorübergehende, nicht regelmäßige Abweichung handele. Der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) (Urteil vom 15. Februar 1979 - 5 RJ 64/77 = SozR 2200 § 1248 Nr 29), wonach das Überschreiten der Arbeitsverdienstgrenze nur durch eine nachträgliche Prüfung festgestellt werden dürfe, könne nicht gefolgt werden. Diese nachträgliche Prüfung könne dazu führen, daß auch bei einmaligem höheren Verdienst der Durchschnittsverdienst während eines ganzen Jahres die zulässige Grenze überschreite mit der Folge, daß für das ganze Jahr kein Rentenanspruch bestehe. Dieses Ergebnis sei unsachgemäß. Aber auch bei rückschauender Betrachtungsweise habe der Kläger von August bis Dezember 1979 im Durchschnitt die Arbeitsverdienstgrenze überschritten.

Die Beklagte beantragt, die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist nur teilweise begründet.

Die Beklagte hat einen Rückforderungsanspruch gegen den Kläger, da dieser während der streitigen Zeit das flexible Altersruhegeld zu Unrecht bezogen hat. Die gesetzlichen Voraussetzungen des § 1248 Abs 4 RVO waren während dieses Zeitraumes nicht erfüllt. Der Rückforderungsanspruch der Beklagten richtet sich nach § 1301 RVO. Die Vorschriften des Sozialgesetzbuchs - Verwaltungsverfahren - (SGB X - §§ 44 bis 49) finden hier keine Anwendung, weil der angefochtene Rückforderungsbescheid der Beklagten vor dem 31. Dezember 1980 ergangen ist (BSG, Urteil vom 19. März 1981 - 4 RJ 1/80 = SozR 2200 § 1301 Nr 14).

Zu Unrecht gelangt das LSG zu dem Ergebnis, daß das durchschnittliche Monatseinkommen des Klägers im Jahre 1979 weniger als 1.000,- DM betrug. Zu diesem Ergebnis kommt es, weil es den für die Ermittlung des Durchschnittseinkommens maßgebenden Zeitraum bereits vom 1. Januar 1979 an rechnet, von dem an Rente gewährt wurde; der Kläger hat seine Beschäftigung als Personalkontrolleur jedoch erst im April 1979 aufgenommen und erst von diesem Zeitpunkt an Arbeitsentgelt bezogen.

Nach § 1248 Abs 4 RVO ist der Zeitpunkt des Rentenbeginns nur maßgebend, wenn der Rentner eine zeitlich begrenzte Beschäftigung für nicht mehr als zwei Monate oder insgesamt 50 Arbeitstage ausübt (Buchstabe a). Hier stellt der Gesetzeswortlaut ausdrücklich auf einen Jahreszeitraum ab, innerhalb dessen eine zeitlich insoweit beschränkte Beschäftigung unschädlich für den Rentenanspruch ist. Indessen handelt es sich im vorliegenden Rechtsstreit nicht um einen Fall der zeitlichen Begrenzung eines Beschäftigungsverhältnisses nach Buchstabe a, sondern um eine Dauerbeschäftigung, bei der das Durchschnittseinkommen nach Buchstabe b des § 1248 Abs 4 RVO zu ermitteln ist. Wenn das Gesetz die Ermittlung eines durchschnittlichen monatlichen Arbeitsentgelts bei einer fortlaufenden Beschäftigung fordert, so kann die Berechnung dieses Wertes nur so erfolgen, daß alle Arbeitsentgelte während des in Betracht kommenden Zeitraumes zusammengerechnet und sodann die Summe durch die Zahl der Monate geteilt wird, in der das Gesamtentgelt erzielt worden ist. Als Gesamtzeitraum kann jedoch nur die Zeit von Bedeutung sein, in der sowohl eine Rente als auch Arbeitseinkommen bezogen worden ist. Andere Zeiträume sind für die Feststellung des Rentenanspruches ohne Bedeutung. Diese Berechnungsweise steht im Einklang mit dem Urteil des BSG vom 15. Februar 1979 (5 RJ 64/77 = SozR 2200 § 1248 Nr 29). Auch in dieser Entscheidung sind für die Berechnung des durchschnittlichen Monatseinkommens nur die Arbeitseinkommen aus der Zeit herangezogen worden, in denen der Versicherte sowohl ein flexibles Altersruhegeld als auch ein Arbeitseinkommen bezog. Im übrigen stellen aber die Ausführungen jenes Urteils auf die Berechnung bei schwankendem Einkommen ab.

Läßt man im Gegensatz zum LSG die Zeit vom 1. Januar 1979 (Rentenbeginn) bis zum 7. April 1979 (Aufnahme der Beschäftigung) außer Betracht, so ergibt sich schon nach der vom LSG angestellten Berechnung eine durchschnittliche Überschreitung der monatlichen Verdienstgrenze von 1.000,- DM. Die Überschreitung der Verdienstgrenze beruhte nicht auf einer Einkommensschwankung, sondern war von vornherein im Rahmen einer Gehaltserhöhung auf Dauer angelegt und führte demgemäß nach § 1248 Abs 4 Satz 4 RVO zu einem Wegfall des flexiblen Altersruhegeldes (vgl Zweng/Scheerer, Handbuch der Rentenversicherung 2. Aufl, § 1248 RVO, S 15). Demnach bestand ab August 1979 kein Anspruch mehr auf flexibles Altersruhegeld; von dieser Zeit an hat der Kläger seine Rente zu Unrecht bezogen.

Das nach § 1301 RVO erforderliche Verschulden des Klägers an der Überzahlung lag vor. Der Kläger hätte die ab August 1979 eingetretene Gehaltserhöhung der Beklagten mitteilen müssen. Auf diese Mitteilungspflicht war er schon im Rentengewährungsbescheid hingewiesen worden. Hingegen liegt ein Verschulden der Beklagten an der Überzahlung nicht vor. Zur Überprüfung des Rentenanspruches war die Beklagte auf eine Mitteilung des Klägers über die Entwicklung seiner Einkommensverhältnisse angewiesen. Bei rechtzeitiger Mitteilung hätte sie die Rentenzahlung unverzüglich einstellen können.

Nach alledem ist der Rückforderungsanspruch der Beklagten dem Grunde nach gerechtfertigt. Insoweit erweist sich die Revision der Beklagten als begründet.

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte den Kläger jedoch im angefochtenen Bescheid verpflichtet, den ihr zustehenden Betrag nach Bindungswirkung des Bescheides in einer Summe zurückzuzahlen. Sie hatte ihm Zahlungserleichterungen - etwa Ratenzahlungen - zwar im Bescheid vom 18. Juli 1980 in Aussicht gestellt, doch hätte es hierzu eines besonderen Antrages bedurft, den die Beklagte nach freiem Ermessen hätte behandeln können. Mit diesem Verhalten hat aber die Beklagte gegen die vom erkennenden Senat im Urteil vom 10. Juni 1980 (4 RJ 115/79 = SozR 2200 § 1301 Nr 13) aufgestellten Grundsätze verstoßen.

Wenn ein Versicherungsträger nicht nur den Rückforderungsanspruch nach § 1301 RVO dem Grunde nach feststellt, sondern durch seinen Rückforderungsbescheid eine Zahlungspflicht begründen will, dann muß er die wirtschaftliche Vertretbarkeit der Rückforderung auch hinsichtlich der Zahlungsmodalitäten bereits vor Erteilung des Rückforderungsbescheides prüfen. Dies ist hier nicht geschehen. Weder der angefochtene Rückforderungsbescheid noch das ihm vorausgegangene Verwaltungsverfahren lassen erkennen, daß der Kläger in der Lage gewesen wäre, den geforderten Betrag in einer Summe zu zahlen. Deswegen hätte die Beklagte zumindest von Amts wegen die Rückzahlung des geforderten Betrages in angemessenen Raten prüfen und hierüber in ihrem Bescheid eine Aussage treffen müssen. Diese Frage berührt zudem nicht nur die einzelnen Zahlungsmodalitäten, sondern betrifft auch die wirtschaftliche Vertretbarkeit als materiell-rechtliche Voraussetzung der Rückforderung schlechthin. Diese wurde vom Kläger schon im Verwaltungsverfahren in Ausübung des rechtlichen Gehörs ausdrücklich bestritten. Hiermit hat sich die Beklagte ersichtlich nicht befaßt, insbesondere hat sie keine Feststellungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers getroffen. Das Renteneinkommen des Klägers, das der Beklagten bekannt war, spricht jedenfalls gegen die wirtschaftliche Vertretbarkeit der Rückforderung als einmaliger Zahlung. Demgemäß waren die angefochtenen Bescheide in diesem Umfang aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1660851

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