Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Prüfung, ob eine Bildungsmaßnahme geeignet ist, eine erfolgreiche berufliche Bildung zu vermitteln (AFG § 34 S 2), ist auch das Vorwissen zu berücksichtigen, das der Maßnahmeträger über die Zugangsvoraussetzungen (AFG § 41 Abs 1) hinaus allgemein von den Teilnehmern verlangt.

2. Die Förderung der Teilnahme an einer Maßnahme der beruflichen Bildung ist nicht deshalb unzweckmäßig (AFG § 36), weil der Teilnehmer das Ziel hat, anschließend als Selbständiger tätig zu werden.

 

Normenkette

AFG § 41 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25, § 34 S. 2 Fassung: 1969-06-25, § 36 Fassung: 1969-06-25, § 39 Fassung: 1969-06-25; AFuU § 8 Fassung: 1969-12-18, § 6 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1969-12-18

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 18. April 1973 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Teilnahme des Klägers an dem Ferienlehrgang des Repetitors für Steuerrecht H zur Vorbereitung auf die Steuerbevollmächtigten-Prüfung von der Beklagten zu fördern ist.

Der 1935 geborene Kläger, der das Abschlußzeugnis einer kaufmännischen Berufsfachschule besitzt, war seit dem 1. Februar 1962 als kaufmännischer Angestellter bei den Rheinischen Stahlwerken in K auf dem Gebiete des Steuerwesens tätig. Von Oktober 1962 bis Juni 1963 nahm er an einem Lehrgang der DAG-Schule K zur Vorbereitung auf die Fachprüfung für Steuerbevollmächtigte teil. Er legte im September 1963 die Kaufmannsgehilfen-Prüfung ab. 1965 bestand er die Bilanzbuchhalter-Prüfung vor der Industrie- und Handelskammer K. In der Zeit von 1966 bis 1967 machte er einen Fernlehrgang für Steuerrecht bei dem Repetitor für Steuerrecht H mit. 1969 bis 1970 besuchte er einen Buchhaltungs- und Steuerlehrgang der Industrie- und Handelskammer K. Vom 26. August 1970 bis zum 12. September 1970 nahm er an einem Ferienlehrgang des Repetitors H zur Vorbereitung auf die Steuerbevollmächtigten-Prüfung teil. Dieser Lehrgang ist als ergänzender Nahunterricht zum Fernunterricht des Repetitors H eingerichtet. Den Teilnehmern wird bei der Anmeldung mitgeteilt, daß der Besuch des Kurses ohne vorherige Absolvierung des Fernunterrichts oder einer der anderen Teilzeit- oder Vollzeitlehrgänge nicht zum Ziel der Vorbereitung auf die Steuerbevollmächtigtenprüfung führen kann. Der Kurs fand in Bad G statt. Zu der Gestaltung der Maßnahme hieß es in dem Prospekt der Steuerfachschule H:

"Die 17-tägigen Ferienlehrgänge dienen vor allem einer letzten höchst intensiven Ausbildung für die nächsten schriftlichen Prüfungen. Sie sind aber auch zur Information und Fortbildung von Steuerberatern, Steuerbevollmächtigten und Steuersachbearbeitern zu empfehlen. Jeder Ferienlehrgang umfaßt ca. 130 Unterrichtsstunden.

Während der Ferienlehrgänge werden die für die Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtenprüfung entscheidend wichtigen Gebiete nach § 11 der Verordnung zur Durchführung des Steuerberatungsgesetzes vom 1. August 1962, soweit es den schriftlichen Teil der Prüfung angeht, behandelt.

Zur besseren Vorbereitung auf die schriftliche Prüfung werden dem Teilnehmer an einem Ferienlehrgang neun Klausuraufgaben mit der Bitte übersandt, die Lösungen vor Beginn des Lehrgangs zuzuschicken. Außerdem werden während jedes Lehrgangs drei Klausuren unter Aufsicht und prüfungsmäßigen Bedingungen geschrieben, korrigiert und wie die übrigen Klausuren besprochen".

In der Folge legte der Kläger die Steuerbevollmächtigtenprüfung ab.

Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers ab, ihm die Kosten für Lehrgangsgebühren, Lernmittel, für die auswärtige Unterbringung und für die Fahrt zum Ausbildungsort sowie die Prüfungsgebühren des Kurses bei dem Steuerberater H zu erstatten (Bescheid vom 15. Dezember 1970; Widerspruchsbescheid vom 22. Juli 1971):

Das Sozialgericht (SG) hat der Klage stattgegeben (Urteil vom 21. Juni 1972).

Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 18. April 1973 unter Aufhebung des Urteils des SG die Klage abgewiesen und im wesentlichen ausgeführt:

Die Voraussetzungen des § 34 Satz 2 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) lägen nicht vor. Der Lehrgang sei von seiner Dauer und der Gestaltung des Lehrplans her nicht geeignet, von der Beklagten als förderungsfähige Maßnahme anerkannt zu werden. Er habe nur siebzehn Tage gedauert. Eine solche Maßnahme entspreche nicht dem Zeitraum, der notwendig sei, um das Fortbildungsziel zu erreichen. Der Lehrgang sei nach seinem Lehrplan und nach der Unterrichtsmethode darauf abgestellt, anderweitig erworbene Kenntnisse nochmals kurzfristig im Hinblick auf die schriftliche Prüfung zu wiederholen und ins Gedächtnis zurückzurufen. Außerdem diene er der Unterrichtung in der Klausurentechnik und solle für den einzelnen Teilnehmer eine Erprobung unter prüfungsmäßigen Bedingungen darstellen. Der Ferienlehrgang der Steuerfachschule H könne auch nicht als Teil der vom Kläger in den Jahren 1966 bis 1967 sowie von 1969 bis 1970 besuchten Lehrgänge für Steuerrecht angesehen werden.

Mit der zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 34 AFG und führt hierzu insbesondere aus: Die Ausbildung, die er im Laufe der Jahre erworben habe, habe erst zusammen mit dem Besuch des Repetitorenkurses eine erfolgreiche berufliche Bildung erwarten lassen. Der Repetitor behandele den gesamten für die Prüfung erforderlichen Examensstoff mit der erforderlichen Konzentration. Für die meisten Prüflinge sei es kaum möglich, das Nebensächliche von den Schwerpunkten zu scheiden. Diese Examenstechnik vermittele ihnen der Repetitor. Die Studierenden unserer Zeit seien, von einigen nicht typischen Ausnahmefällen abgesehen, nicht in der Lage, sich den für den Prüfungsabschnitt ihrer Ausbildung notwendigen Wissensstoff allein anzueignen.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Kassel vom 21. Juni 1972 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt, daß das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheidet (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist insofern begründet, als sie zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das LSG führt.

Bei der Weiterbildung des Klägers vom Kaufmannsgehilfen und Bilanzbuchhalter zum Steuerbevollmächtigten handelt es sich um eine Fortbildung i. S. des § 41 Abs. 1 S. 1 AFG. Denn diese Ausbildung hat zum Ziel, die bei dem Kläger schon vorhandenen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten zu erweitern und auf diesem Weg einen beruflichen Aufstieg zu ermöglichen.

Ob die Voraussetzungen vorliegen, unter denen nach § 41 Abs. 1 AFG die Teilnahme an der Fortbildungsmaßnahme gefördert wird, ist vom LSG nicht ausreichend festgestellt. Die Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Fortbildung ist nur dann förderungsfähig, wenn sie eine abgeschlossene Berufsausbildung oder eine angemessene Berufserfahrung voraussetzen (§ 41 Abs. 1 AFG). Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat (vgl. BSGE 36, 48; BSG SozR AFG § 41 Nr. 1), ist eine abgeschlossene Berufsausbildung oder angemessene Berufserfahrung nicht nur als eine auf den Teilnehmer bezogene - subjektive - Förderungsvoraussetzung zu verstehen. Sie muß vielmehr generell Voraussetzung der Maßnahme sein, wenn diese als berufliche Fortbildung förderungsfähig sein soll. Fortbildungsmaßnahmen sind nur solche Lehrveranstaltungen, die auf dem bisherigen Berufswissen aufbauen und es weiterentwickeln. Maßnahmen hingegen, die nach ihrem Lehrplan auch Absolventen allgemeinbildender Schulen oder Berufsfremden die Teilnahme ermöglichen, sind allgemeine Ausbildungsveranstaltungen (Urteil vom 22.10.1974 - 7 RAr 38/74). Ob der Repetitor H die Teilnahme an seinem Repetitorenkurs von Voraussetzungen abhängig gemacht hat und ggf. von welchen, ist vom LSG nicht festgestellt worden. Zwar ist nach dem vom LSG in Bezug genommenen Prospekt die Annahme gerechtfertigt, daß der Repetitionskurs, an dem der Kläger teilgenommen hat, im wesentlichen für solche Personen bestimmt war, die beabsichtigten, die Prüfung als Steuerbevollmächtigter abzulegen. Nach dem Steuerberatungsgesetz (auch der im September 1970 geltenden Fassung) konnte und kann zur Prüfung als Steuerbevollmächtigter nur zugelassen werden, wer das Zeugnis der mittleren Reife besitzt, eine ordnungsgemäße Lehrzeit im steuerberatenden, wirtschaftsberatenden oder kaufmännischen Beruf mit Ablegung der Gehilfenprüfung abgeschlossen oder eine als geeignet anerkannte Verwaltungsakademie oder gleichwertige Lehranstalt vier Semester lang besucht hat und nach Erfüllung dieser Voraussetzungen vier Jahre lang auf dem Gebiet des Steuerwesens hauptberuflich tätig gewesen ist (§ 6 Steuerberatungsgesetz - Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten v. 16.8.1961 - BGBl I, 1301 -, BGBl I 1969, 1411; 1972, 1401). Der Sinn des § 41 Abs. 1 AFG fordert jedoch, daß ein Lehrgang ausschließlich für einen Personenkreis bestimmt ist, der eine abgeschlossene Berufsausbildung oder eine angemessene Berufserfahrung hat. Bei Kursen, die sich auch für andere Teilnehmer offenhalten, ist nicht ohne weiteres gewährleistet, daß es sich um eine auf dem bisherigen Berufswissen aufbauende Bildung handelt und ferner nicht, daß der Ausbildungsgang unter Nutzung des vorhandenen Berufswissens entsprechend gestrafft ist. Deshalb reicht es nicht aus, daß der Repetitionskurs der Schule H insbesondere für Prüfungskandidaten bestimmt und daher mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch auf diesen Personenkreis zugeschnitten ist.

Zwar hat der Senat ausgesprochen (SozR 4100 § 41 Nr. 6), daß bei einem engen Zusammenhang zwischen Vorbereitungslehrgang und Prüfung es ausreichend sei, wenn die Zugangsvoraussetzungen für die Prüfung vorgesehen seien. Dann erstreckten sich die Zugangsvoraussetzungen auch auf die Teilnahme an den Vorbereitungslehrgängen. In dem vom Senat entschiedenen Fall handelte es sich um einen Vorbereitungskurs für die Prüfung als Bilanzbuchhalter, die von dem Veranstalter des Lehrgangs selbst abgenommen wurde. In diesem Fall konnten die Voraussetzungen für Prüfung und Vorbereitungskurs als identisch angesehen werden. Anders liegt es jedoch hier. Nicht alle Teilnehmer des Kurses bereiten sich auf die Prüfung als Steuerbevollmächtigter vor. Der Schluß von den Prüfungsanforderungen auf die Zulassungsanforderungen zu dem Kurs ist deshalb für diese Bildungsmaßnahme nicht gerechtfertigt.

Wenn aber auch nur für einen Teil der Teilnehmer die Möglichkeit der Teilnahme ohne "abgeschlossene Berufsausbildung oder eine angemessene Berufserfahrung" (§ 41 Abs. 1 AFG) besteht, so ist die Förderung der Teilnahme an der betreffenden Maßnahme ausgeschlossen (so Urteil des Senats vom 22.10.1974 - 7 RAr 65/73 -).

Ebenso fehlt es an ausreichenden Feststellungen des LSG, ob die Voraussetzungen des § 34 Satz 2 AFG in Bezug auf den streitigen Kurs gegeben sind. Nach § 34 Satz 2 AFG setzt die Förderung der Teilnahme voraus, daß die Maßnahme nach Dauer, Gestaltung des Lehrplans, Unterrichtsmethode, Ausbildung und Berufserfahrung des Leiters und der Lehrkräfte eine erfolgreiche berufliche Bildung erwarten läßt. Sinn dieser gesetzlichen Regelung ist zunächst einmal, solche Lehrveranstaltungen von der Förderung auszunehmen, die qualitativ nicht den notwendigen Anforderungen entsprechen. Das ergibt sich schon aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Im Entwurf der Bundesregierung vom Oktober 1967 war die heute in § 34 Satz 2 AFG enthaltene Regelung in § 42 Abs. 3 niedergelegt (BR-Drucks. 484/67 Seite 10). In der Begründung des Entwurfs heißt es hierzu (BR-Drucks. 484/67 Seite 67), die Förderung der Teilnahme an einer beruflichen Fortbildungsmaßnahme sei nur dann zu vertreten, wenn diese selbst den notwendigen Anforderungen entspreche. Deshalb sei die Überprüfung der Maßnahme erforderlich. Sie trage nach den bisherigen Erfahrungen vielfach zu einer Verbesserung der Qualität bei. Die Vorschrift des § 34 Satz 2 AFG ist also dahin zu verstehen, daß die Maßnahme von ihrer Dauer, ihrem Umfang und vom Inhalt des behandelten Stoffes her geeignet sein muß, den mit ihr beabsichtigten Erfolg zu ermöglichen. Die Beklagte hat demgemäß in ihren Anordnungen (Anordnung über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung vom 18. Dezember 1969, vom 9. September 1971 und vom 19. Dezember 1973) niedergelegt (§ 6 Abs. 1 Satz 1), daß die Dauer einer Maßnahme dem Zeitraum entsprechen muß, der notwendig ist, um das Ziel der Fortbildung (oder Umschulung) zu erreichen. Da in § 34 Satz 2 AFG "Dauer, Gestaltung des Lehrplans, Unterrichtsmethode, Ausbildung und Berufserfahrung des Leiters und der Lehrkräfte" als Kriterien des Erfolgs der Maßnahme bezeichnet werden, müssen diese generell und objektiv für die Maßnahme gegeben sein, um die Teilnahme an ihr fördern zu können. Es genügt daher grundsätzlich nicht, daß sie in Bezug auf das Vorwissen des Teilnehmers - also subjektiv bezogen - zu einer erfolgreichen beruflichen Bildung führen könnte. Dies folgt auch aus den oben erwähnten Motiven, aus denen ersichtlich wird, daß der Beklagten die Möglichkeit gegeben werden sollte, nach objektiven Maßstäben generell die Qualität einer Maßnahme überprüfen zu können. Bei anderer Auffassung würde es der Beklagten im allgemeinen nämlich unmöglich sein, die Maßnahme als solche auf ihre Geeignetheit für die Fortbildung oder Umschulung zu prüfen, ihr vielmehr auferlegen, in jedem einzelnen Fall Maßnahme und Vorwissen des Antragstellers zueinander in Beziehung zu setzen. In Fällen, in denen - wie hier - eine Bildungsmaßnahme wegen ihrer kurzen Dauer auf der Grundlage des Wissensstandes der in den Zugangsvoraussetzungen für den Lehrgang seinen Ausdruck findet, nicht geeignet wäre, eine erfolgreiche berufliche Bildung zu vermitteln, ist es gerechtfertigt, ihre Geeignetheit (§ 34 Satz 2 AFG) unter Heranziehung des Vorwissens zu prüfen, das der Maßnahmeträger allgemein von den Teilnehmern verlangt. Dafür ist es erforderlich, daß der Veranstalter der Bildungsmaßnahme gegenüber allen Teilnehmern gleich hohe, dem inhaltlichen Niveau der Maßnahme entsprechende Anforderungen an das Vorwissen stellt, und dies durch eine vor Beginn des Lehrgangs von dem Bewerber abzulegende Prüfung feststellt. Dabei müssen - um der Beklagten die objektive Prüfung der Voraussetzungen des § 34 Satz 2 AFG zu ermöglichen - die Prüfungsanforderungen und die Prüfungsweise von dem Maßnahmeträger generell festgelegt sein. Es läßt sich im vorliegenden Fall nicht abschließend entscheiden, ob diese Voraussetzungen bei dem von dem Repetitor H angebotenen 17-tägigen Vorbereitungskurs vorgelegen haben. Den Teilnehmern wurden neun Klausuraufgaben übersandt, die sie noch vor Beginn des Lehrgangs zu lösen und zurückzuschicken hatten. Möglicherweise erlaubten diese Klausuren dem Repetitor - für die Beklagte generell überprüfbar - schon von vornherein solche Bewerber vom Kurs fernzuhalten, die nicht in der Lage waren, sich durch Teilnahme an dem Lehrgang innerhalb von drei Wochen auf die Prüfung vorzubereiten. Die Voraussetzungen des § 34 Satz 2 AFG wären allerdings nur dann gegeben, wenn der Maßnahmeträger, also der Repetitor H, die Teilnahme an dem 17-tägigen Klausurenlehrgang für Teilnehmer, die nicht den gesamten Kurs, also Fern- und Nahunterricht durchlaufen hatten, von dem Ergebnis der Klausuren abhängig gemacht hat. Die insoweit notwendigen Feststellungen sind vom LSG noch zu treffen. Sie erübrigen sich nicht etwa deshalb, weil der Kläger früher schon verschiedene andere Lehrgänge auf steuerrechtlichem Gebiet durchlaufen hat, so daß der hier streitige Lehrgang nur noch als Abschluß der früheren Lehrgänge zu gelten hätte. Das LSG nimmt insoweit zutreffend an, daß eine Verbindung zwischen den verschiedenen Lehrgängen nicht besteht.

Auch wenn der Kläger sich fortbildete, um nach Abschluß der Maßnahme selbständig zu werden (nach § 22 Steuerberatungsgesetz haben Steuerbevollmächtigte ihren Beruf grundsätzlich als freien Beruf auszuüben; nach § 23 Steuerberatungsgesetz dürfen sie u. a. Angestellte anderer Steuerbevollmächtigter sein), steht dies der Förderung durch die Beklagte nicht entgegen. Die Voraussetzungen des § 36 AFG liegen auch dann vor. Nach dieser Vorschrift dürfen Leistungen zur individuellen Förderung der beruflichen Bildung, zu der auch die Förderung der beruflichen Fortbildung gehört, nur gewährt werden, wenn die Förderung unter Berücksichtigung der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes sowie der beruflichen Neigung des Antragstellers zweckmäßig erscheint. Der Arbeitsmarkt i. S. des § 36 AFG ist der Markt, auf dem der Unselbständige tätig ist, also derjenige Markt, auf dem die Arbeitskraft für eine abhängige Stellung angeboten und auf dem diese nachgefragt wird (vgl. Urteil des Senats vom 17.12.1974 - 7 RAr 17/73 -).

Bei dem Begriff der "Zweckmäßigkeit" nach § 36 AFG handelt es sich nicht um eine Ermächtigung der Verwaltung zum Erlaß einer Ermessensentscheidung, sondern um einen unbestimmten Rechtsbegriff (Hennig-Kühl-Heuer, Komm. z. AFG, § 36 Anm. 2; Hoppe-Berlinger, Förderung der beruflichen Bildung, § 36 Anm. 7). Schon der Ausschuß für Arbeit (19. Ausschuß) bezeichnet die Begriffe "geeignet" und "zweckmäßig" als unbestimmte Rechtsbegriffe ( zu BT-Drucks. V/4110 S. 3). Allerdings bedeutet das Vorliegen eines unbestimmten Rechtsbegriffes innerhalb einer Anspruchsnorm nicht ohne weiteres, daß die Verwaltung überhaupt keinen Beurteilungsspielraum besitzt. Die Kontrolle der Gerichte ist in diesem Bereich auf die Fragen begrenzt, ob die Verwaltung von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, ob sie die durch Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs abstrakt ermittelten Grenzen eingehalten und beachtet hat und ob sie ihre Subsumtionserwägungen so verdeutlicht und begründet hat, daß im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist. Die Ausübung dieses Beurteilungsspielraumes durch die Verwaltung wird für den Bereich der Förderung der beruflichen Bildung nach §§ 33 ff AFG im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung des § 39 AFG vorgenommen.

Macht die Bundesanstalt von dem ihr bei der Anwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen zustehenden Beurteilungsspielraum durch eine entsprechende Regelung im Rahmen des Satzungsrechts Gebrauch, so beschränkt sich die Kontrolle durch das Gericht darauf, ob die entsprechenden Satzungsbestimmungen von der Ermächtigung gedeckt sind. Durch den Inhalt eines in dieser Weise gesetzeskonformen Satzungsrechts wird der Beurteilungsspielraum der Bundesanstalt in dem dargestellten Sinne konkretisiert (vgl. BSGE 38, 138).

Für den vorliegenden Fall bedeutet das, daß von § 8 AFuU 1969 auszugehen ist. "Zweckmäßig" nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes ist gemäß dieser Vorschrift eine Förderung dann, wenn der Erwerbstätige seine berufliche Beweglichkeit sichern oder verbessern oder beruflich aufsteigen will und durch die Teilnahme an einer Maßnahme arbeitsmarkt- oder sozialpolitischen Bedürfnissen besser entsprochen werden kann, als dies ohne eine berufliche Fortbildung oder Umschulung möglich wäre.

Diese Voraussetzungen liegen im Falle des Klägers vor. Er will seine berufliche Beweglichkeit verbessern und beruflich aufsteigen. Wer Kenntnisse erworben hat, die ihm neben seiner bisher schon vorhandenen Befähigung zu einer bestimmten unselbständigen Tätigkeit auch die Möglichkeit geben, selbständig zu werden, hat in aller Regel bessere Möglichkeiten, sich im Wirtschaftsleben zu behaupten, als derjenige, der es nur bei einer bisher schon vorhandenen Ausbildung beläßt. Diese berufliche Veränderung beeinflußt den Arbeitsmarkt, weil der Kläger nach dem Überwechseln in die selbständige Tätigkeit nicht mehr als Unselbständiger vermittelt zu werden braucht. Damit ist die generelle Beziehung zum Arbeitsmarkt i. S. des § 36 AFG (negativ) gegeben.

Nach § 8 zweiter Halbsatz AFuU 1969 wird weiter vorausgesetzt, daß durch die Teilnahme arbeitsmarkt- oder sozialpolitischen Bedürfnissen besser entsprochen werden kann, als dies ohne eine berufliche Fortbildung (oder Umschulung) möglich wäre. Auch diese Merkmale liegen vor. Zweifel daran, daß durch die Fortbildung des Klägers arbeitsmarktpolitischen oder sozialpolitischen Bedürfnissen besser entsprochen werden kann als dies ohne die berufliche Fortbildung des Klägers möglich wäre, sind bisher von der Beklagten nicht erhoben worden.

Da somit noch Feststellungen zu den Zugangsvoraussetzungen des Kurses des Repetitors H zu treffen sind, ebenso zu den Voraussetzungen, unter denen der Lehrgang geeignet i. S. des § 34 Satz 2 AFG ist, ist der Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen.

Das LSG wird auch über die Kosten zu entscheiden haben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1649217

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