Leitsatz (amtlich)

1. Zur Frage, wann eine Bildungsmaßnahme eine erfolgreiche berufliche Bildung erwarten läßt (AFG § 34 S 2).

2. Die Förderung der Teilnahme an einer Maßnahme der beruflichen Bildung ist nicht deshalb unzweckmäßig (AFG § 36), weil der Teilnehmer das Ziel hat, anschließend als Selbständiger tätig zu werden.

 

Normenkette

AFG § 41 Fassung: 1969-06-25, § 34 Abs. 2 Fassung: 1969-06-25, § 36 Fassung: 1969-06-25; AFuU § 8 Fassung: 1969-12-18

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil das Bayerischen Landessozialgerichts vom 27. September 1973 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Teilnahme des Klägers an dem Ferienlehrgang des Repetitors für Steuerrecht Wilhelm H zur Vorbereitung auf die Steuerbevollmächtigtenprüfung von der Beklagten zu fördern ist.

Der 1941 geborene Kläger verließ nach Erreichen der mittleren Reife die höhere Schule und machte in der Zeit vom August 1958 bis Februar 1961 eine Lehre durch, die er mit der Prüfung des "Gehilfen in wirtschafts- und steuerberatenden Berufen" abschloß. Danach war er bei einem Steuerbevollmächtigten tätig. Durch Selbststudium bereitete er sich auf die Prüfung als Steuerbevollmächtigter vor. In der Zeit vom 9. bis 25. August 1969 besuchte er einen Ferienlehrgang des Repetitors für Steuerrecht, Buchführung und Bilanzen Wilhelm H in Bad G. Dieser Lehrgang ist als ergänzender Nahunterricht zum Fernunterricht der Repetitors H eingerichtet. Den Teilnehmern wird bei der Anmeldung mitgeteilt, daß der Besuch des Lehrganges ohne vorherige Absolvierung des Fernunterrichtes oder einer der anderen Teilzeit- oder Vollzeitlehrgänge nicht zum Ziel der Vorbereitung auf die Steuerbevollmächtigtenprüfung führen kann. Den Interessenten werden, bevor der Lehrgang beginnt, Klausuraufgaben zugesandt, die sie zu lösen und bei Beginn des Kurses abzuliefern haben. Beim Kläger ergaben die von ihm gelösten Klausurfälle, daß er das nötige Wissen zum erfolgreichen Besuch des Ferienlehrgangs hatte. Er wurde deshalb zugelassen. Der Kurs umfaßte etwa 130 Unterrichtsstunden.

Im September 1969 legte der Kläger den schriftlichen und am 16. Februar 1970 den mündlichen Teil der Steuerbevollmächtigtenprüfung vor dem Prüfungsausschuß der Oberfinanzdirektion M ab. Er übt seitdem den Beruf eines (selbständigen) Steuerbevollmächtigten aus.

Der Antrag des Klägers, seine Teilnahme an dem Kurs des Repetitors H zu fördern, lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 14. August 1970; Widerspruchsbescheid vom 25. November 1970).

Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 7. April 1972 die Beklagte verurteilt, die Teilnahme des Klägers an dem Ferienlehrgang in Bad G vom 9. August 1969 bis 25. August 1969 zu fördern.

Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 27. September 1973 die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und ausgeführt: Der § 41 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) nenne als Maßnahme der beruflichen Fortbildung nicht nur solche, die neuen Wissensstoff vermittelten, sondern auch Maßnahmen, die der Feststellung und der Erhaltung bereits vorhandener beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten dienten. Das sei jedoch bei dem vom Kläger besuchten Ferienlehrgang der Steuerfachakademie H der Fall gewesen. Es handele sich um eine typische Maßnahme der Prüfungsvorbereitung. Der Umstand, daß der Ferienlehrgang des Repetitors H als ergänzender Nahunterricht i. S. des § 5 Abs. 2 der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung vom 18. Dezember 1969 (ANBA 1970, 85 - AFuU 1969 -) geplant sei, ändere nichts daran, daß er als unmittelbar der Prüfungsvorbereitung dienender Nahunterricht eine selbständige, nach § 41 AFG zu fördernde Maßnahme darstelle, ohne daß der Lehrgangsteilnehmer sich sein Wissen durch einen vorhergehenden Fernunterricht desselben Maßnahmeträgers hätte aneignen müssen. Der Teilnehmer könne vielmehr auch durch einen anderen Lehrgang oder durch Selbststudium oder auch allein durch seine berufliche Praxis sich das nötige Vorwissen erwerben. Es sei deshalb nicht zu beanstanden, wenn der Maßnahmeträger den Lehrgang auch solchen Interessenten anbiete, die noch an keiner sonstigen Bildungsmaßnahme teilgenommen hätten, zumal er durch Übersenden von Prüfungsarbeiten vorher den Wissensstand der Teilnehmer prüfe.

Mit der zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der §§ 34, 41, 43 Abs. 1 AFG und führt hierzu insbesondere aus:

Die Feststellung beruflicher Kenntnisse und Fähigkeiten habe, anders als das LSG annehme, nicht unmittelbar Fortbildungscharakter. Sie könne lediglich erforderlich sein, um vor Beginn einer beruflichen Fortbildung die Eignung festzustellen und den richtigen Ansatzpunkt für die Fortbildung zu ermitteln. Die Erhaltung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten könne notwendig werden, wenn diese Kenntnisse und Fertigkeiten nicht durch ständige Übung im Beruf bewahrt, vertieft und verfeinert werden könnten, wie z. B. bei Arbeitslosen. Beide Merkmale lägen beim Kläger nicht vor.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil und das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 7. April 1972 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt, daß das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheidet (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist insofern begründet, als sie zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG führt.

Bei der Weiterbildung des Klägers vom "Gehilfen in wirtschafts- und steuerberatenden Berufen" zum Steuerbevollmächtigten handelt es sich um eine Fortbildung im Sinne des § 41 Abs. 1 Satz 1 AFG. Denn diese Ausbildung hat zum Ziel, die bei dem Kläger schon vorhandenen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten zu erweitern und auf diesem Weg einen beruflichen Aufstieg zu ermöglichen.

Ob die Voraussetzungen vorliegen, unter denen nach § 41 Abs. 1 AFG die Teilnahme an der Fortbildungsmaßnahme gefördert wird, ist vom LSG nicht ausreichend festgestellt. Die Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Fortbildung ist nur dann förderungsfähig, wenn sie eine abgeschlossene Berufsausbildung oder eine angemessene Berufserfahrung voraussetzen (§ 41 Abs. 1 AFG). Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat (vgl. BSGE 36, 48; BSG SozR AFG § 41 Nr. 1), ist eine abgeschlossene Berufsausbildung oder angemessene Berufserfahrung nicht nur als eine auf den Teilnehmer bezogene - subjektive - Förderungsvoraussetzung zu verstehen. Sie müssen vielmehr generell Voraussetzung der Maßnahme sein, wenn diese als berufliche Fortbildung förderungsfähig sein soll. Fortbildungsmaßnahmen sind nur solche Lehrveranstaltungen, die auf dem bisherigen Berufswissen aufbauen und es weiterentwickeln. Maßnahmen hingegen, die nach ihrem Lehrplan auch Absolventen allgemeinbildender Schulen oder Berufsfremden die Teilnahme ermöglichen, sind allgemeine Bildungsveranstaltungen (Urteil vom 22. Oktober 1974 - 7 RAr 38/74 -). Ob der Repetitor H die Teilnahme an seinem Repetitorenkurs von Voraussetzungen abhängig gemacht hat und ggf. von welchen, ist vom LSG nicht festgestellt worden.

Zwar geht aus den Feststellungen des LSG hervor, daß der Repetitionskurs, an dem der Kläger teilgenommen hat, im wesentlichen für solche Personen bestimmt war, die beabsichtigen, die Prüfung als Steuerbevollmächtigter abzulegen. Nach dem Steuerberatungsgesetz (auch der im September 1970 geltenden Fassung) konnte und kann zur Prüfung als Steuerbevollmächtigter nur zugelassen werden, wer das Zeugnis der mittleren Reife besitzt, eine ordnungsgemäße Lehrzeit im steuerberatenden, wirtschaftsberatenden oder kaufmännischen Beruf mit Ablegung der Gehilfenprüfung abgeschlossen oder eine als geeignet anerkannte Verwaltungsakademie oder gleichwertige Lehranstalt vier Semester lang besucht hat und nach Erfüllung dieser Voraussetzungen vier Jahre lang auf dem Gebiet des Steuerwesens hauptberuflich tätig gewesen ist (§ 6 Steuerberatungsgesetz - Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten vom 16. August 1961 - BGBl I, 1301 -, BGBl I 1969, 1411; 1972, 1401). Der Sinn des § 41 Abs. 1 AFG fordert jedoch, daß ein Lehrgang ausschließlich für einen Personenkreis bestimmt ist, der eine abgeschlossene Berufsausbildung oder eine angemessene Berufserfahrung hat. Bei Kursen, die sich auch für andere Teilnehmer offenhalten, ist nicht ohne weiteres gewährleistet, daß es sich um eine auf dem bisherigen Berufswissen aufbauende Bildung handelt und ferner nicht, daß der Ausbildungsgang unter Nutzung des vorhandenen Berufswissens entsprechend gestrafft ist. Deshalb reicht die Feststellung des LSG nicht aus, daß der Repetitionskurs der Schule H insbesondere für Prüfungskandidaten bestimmt und daher mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch auf diesen Personenkreis zugeschnitten ist.

Zwar hat der Senat ausgesprochen (SozR 4100 § 41 Nr. 6), daß bei einem engen Zusammenhang zwischen Vorbereitungslehrgang und Prüfung es ausreichend sei, wenn die Zugangsvoraussetzungen für die Prüfung vorgesehen seien. Dann erstreckten sich die Zugangsvoraussetzungen auch auf die Teilnahme an den Vorbereitungslehrgängen. In dem vom Senat entschiedenen Fall handelte es sich um einen Vorbereitungskurs für die Prüfung als Bilanzbuchhalter, die von dem Veranstalter des Lehrgangs selbst abgenommen wurde. In diesem Fall konnten die Voraussetzungen für Prüfung und Vorbereitungskurs als identisch angesehen werden. Anders liegt es jedoch hier. Nicht alle Teilnehmer des Kurses bereiten sich auf die Prüfung als Steuerbevollmächtigter vor. Der Schluß von den Prüfungsanforderungen auf die Zulassungsanforderungen zu dem Kurs ist deshalb für die hier streitige Bildungsmaßnahme nicht gerechtfertigt.

Wenn aber auch nur für einen Teil der Teilnehmer die Möglichkeit der Teilnahme ohne "abgeschlossene Berufsausbildung oder eine angemessene Berufserfahrung" (§ 41 Abs. 1 AFG) besteht, so ist die Förderung einer Teilnahme an der betreffenden Maßnahme ausgeschlossen (so Urteil des Senats vom 22.10.1974 - 7 RAr 65/73 -).

Ebenso fehlt es an den Feststellungen des LSG, ob die Voraussetzungen des § 34 Satz 2 AFG in Bezug auf den streitigen Kurs gegeben sind. Nach § 34 Satz 2 AFG setzt die Förderung der Teilnahme voraus, daß die Maßnahme nach Dauer, Gestaltung des Lehrplanes, Unterrichtsmethode, Ausbildung und Berufserfahrung des Leiters und der Lehrkräfte eine erfolgreiche berufliche Bildung erwarten läßt. Sinn dieser gesetzlichen Regelung ist zunächst einmal, solche Lehrveranstaltungen von der Förderung auszunehmen, die qualitativ nicht den notwendigen Anforderungen entsprechen. Das ergibt sich schon aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Im Entwurf der Bundesregierung vom Oktober 1967 war die heute in § 34 Satz 2 AFG enthaltene Regelung in § 42 Abs. 3 niedergelegt (BR-Drucks. 484/67 Seite 10). In der Begründung des Entwurfs heißt es hierzu (BR-Drucks. 484/67 Seite 67), die Förderung der Teilnahme an einer beruflichen Fortbildungsmaßnahme sei nur dann zu vertreten, wenn diese selbst den notwendigen Anforderungen entspreche. Deshalb sei die Überprüfung der Maßnahme erforderlich. Sie trage nach den bisherigen Erfahrungen vielfach zu einer Verbesserung der Qualität bei. Die Vorschrift des § 34 Satz 2 AFG ist also dahin zu verstehen, daß die Maßnahme von ihrer Dauer, ihrem Umfang und vom Inhalt des behandelten Stoffes her geeignet sein muß, den mit ihr beabsichtigten Erfolg zu ermöglichen. Die Beklagte hat demgemäß in ihren Anordnungen (Anordnung über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung vom 18. Dezember 1969, vom 9. September 1971 und vom 19. Dezember 1973) niedergelegt § 6 Abs. 1 Satz 1), daß die Dauer einer Maßnahme dem Zeitraum entsprechen muß, der notwendig ist, um das Ziel der Fortbildung (oder Umschulung) zu erreichen. Da in § 34 Satz 2 AFG "Dauer, Gestaltung des Lehrplans, Unterrichtsmethode, Ausbildung und Berufserfahrung des Leiters und der Lehrkräfte" als Kriterien des Erfolgs der Maßnahme bezeichnet werden, müssen diese generell und objektiv für die Maßnahme gegeben sein, um die Teilnahme an ihr fördern zu können. Es genügt daher grundsätzlich nicht, daß sie in Bezug auf das Vorwissen des Teilnehmers - also subjektiv bezogen - zu einer erfolgreichen beruflichen Bildung führen könnte. Dies folgt auch aus den oben erwähnten Motiven, aus denen ersichtlich wird, daß der Beklagten die Möglichkeit gegeben werden sollte, nach objektiven Maßstäben generell die Qualität einer Maßnahme überprüfen zu können. Bei anderer Auffassung würde es der Beklagten im allgemeinen nämlich unmöglich sein, die Maßnahme als solche auf ihre Geeignetheit für die Fortbildung oder Umschulung zu prüfen, ihr vielmehr auferlegen, in jedem einzelnen Fall Maßnahme und Vorwissen des Antragstellers zueinander in Beziehung zu setzen. In Fällen, in denen - wie hier - eine Bildungsmaßnahme wegen ihrer kurzen Dauer auf der Grundlage des Wissenstandes, der in den Zugangsvoraussetzungen für den Lehrgang seinen Ausdruck findet, nicht geeignet wäre, eine erfolgreiche berufliche Bildung zu vermitteln, ist es gerechtfertigt, ihre Geeignetheit (§ 34 Satz 2 AFG) unter Heranziehung des Vorwissens zu prüfen, das der Maßnahmeträger allgemein von den Teilnehmern verlangt. Dafür ist es erforderlich, daß der Veranstalter der Bildungsmaßnahme gegenüber allen Teilnehmern gleich hohe, dem inhaltlichen Niveau der Maßnahme entsprechende Anforderungen an das Vorwissen stellt, und dies durch eine vor Beginn des Lehrgangs von dem Bewerber abzulegende Prüfung feststellt. Dabei müssen - um der Beklagten die objektive Prüfung der Voraussetzungen des § 34 Satz 2 AFG zu ermöglichen - die Prüfungsanforderungen und die Prüfungsweise von dem Maßnahmeträger generell festgelegt sein. Es läßt sich im vorliegenden Fall nicht abschließend entscheiden, ob diese Voraussetzungen bei dem von dem Repetitor H angebotenen 17-tägigen Vorbereitungskurs vorgelegen haben. Den Teilnehmern wurden neun Klausuraufgaben übersandt, die sie noch vor Beginn des Lehrgangs zu lösen und zurückzuschicken hatten. Möglicherweise erlaubten diese Klausuren dem Repetitor - für die Beklagte generell überprüfbar -, schon von vornherein solche Bewerber vom Kurs fernzuhalten, die nicht in der Lage waren, sich durch Teilnahme an dem Lehrgang innerhalb von drei Wochen auf die Prüfung vorzubereiten. Die Voraussetzungen des § 34 Satz 2 AFG wären allerdings nur dann gegeben, wenn der Maßnahmeträger, also der Repetitor H, die Teilnahme an dem 17-tägigen Klausurenlehrgang für Teilnehmer, die nicht den gesamten Kurs, also Fern- und Nahunterricht durchlaufen hatten, von dem Ergebnis der Klausuren abhängig gemacht hat. Die insoweit notwendigen Feststellungen sind vom LSG noch zu treffen.

Auch wenn der Kläger sich fortbildete, um nach Abschluß der Maßnahme selbständig zu werden (nach § 22 Steuerberatungsgesetz haben Steuerbevollmächtigte ihren Beruf grundsätzlich als freien Beruf auszuüben; nach § 23 Steuerberatungsgesetz dürfen sie u. a. Angestellte anderer Steuerbevollmächtigter sein), steht dies der Förderung durch die Beklagte nicht entgegen. Die Voraussetzungen des § 36 AFG liegen auch dann vor. Nach dieser Vorschrift dürfen Leistungen zur individuellen Förderung der beruflichen Bildung, zu der auch die Förderung der beruflichen Fortbildung gehört, nur gewährt werden, wenn die Förderung unter Berücksichtigung der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes sowie der beruflichen Neigung des Antragstellers zweckmäßig erscheint. Der Arbeitsmarkt i. S. des § 36 AFG ist der Markt, auf dem der Unselbständige tätig ist, also derjenige Markt, auf dem die Arbeitskraft für eine abhängige Stellung angeboten und auf dem diese nachgefragt wird (vgl. Urteil des Senats vom 17.12.1974 - 7 RAr 17/73 -).

Bei dem Begriff der "Zweckmäßigkeit" nach § 36 AFG handelt es sich nicht um eine Ermächtigung der Verwaltung zum Erlaß einer Ermessensentscheidung, sondern um einen unbestimmten Rechtsbegriff (Hennig-Kühl-Heuer, Komm. z. AFG, § 36 Anm. 2; Hoppe-Berlinger, Förderung der beruflichen Bildung, § 36 Anm. 7). Schon der Ausschuß für Arbeit (19. Ausschuß) bezeichnet die Begriffe "geeignet" und "zweckmäßig" als unbestimmte Rechtsbegriffe ( zu BT-Drucks. V/4110 S. 3). Allerdings bedeutet das Vorliegen eines unbestimmten Rechtsbegriffes innerhalb einer Anspruchsnorm nicht ohne weiteres, daß die Verwaltung überhaupt keinen Beurteilungsspielraum besitzt. Die Kontrolle der Gerichte ist in diesem Bereich auf die Fragen begrenzt, ob die Verwaltung von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, ob sie die durch Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs abstrakt ermittelten Grenzen eingehalten und beachtet hat und ob sie ihre Subsumtionserwägungen so verdeutlicht und begründet hat, daß im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist. Die Ausübung dieses Beurteilungsspielraumes durch die Verwaltung wird für den Bereich der Förderung der beruflichen Bildung nach §§ 33 ff AFG im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung des § 39 AFG vorgenommen.

Macht die Bundesanstalt von dem ihr bei der Anwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen zustehenden Beurteilungsspielraum durch eine entsprechende Regelung im Rahmen des Satzungsrechts Gebrauch, so beschränkt sich die Kontrolle durch das Gericht darauf, ob die entsprechenden Satzungsbestimmungen von der Ermächtigung gedeckt sind. Durch den Inhalt eines in dieser Weise gesetzeskonformen Satzungsrechts wird der Beurteilungsspielraum der Bundesanstalt in dem dargestellten Sinne konkretisiert (vgl. BSGE 38, 138).

Für den vorliegenden Fall bedeutet das, daß von § 8 AFuU 1969 auszugehen ist. "Zweckmäßig" nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes ist gemäß dieser Vorschrift eine Förderung dann, wenn der Erwerbstätige seine berufliche Beweglichkeit sichern oder verbessern oder beruflich aufsteigen will und durch die Teilnahme an einer Maßnahme arbeitsmarkt- oder sozialpolitischen Bedürfnissen besser entsprochen werden kann, als dies ohne eine berufliche Fortbildung oder Umschulung möglich wäre.

Diese Voraussetzungen liegen im Falle des Klägers vor. Er will seine berufliche Beweglichkeit verbessern und beruflich aufsteigen. Wer Kenntnisse erworben hat, die ihm neben seiner bisher schon vorhandenen Befähigung zu einer bestimmten unselbständigen Tätigkeit auch die Möglichkeit geben, selbständig zu werden, hat in aller Regel bessere Möglichkeiten, sich im Wirtschaftsleben zu behaupten, als derjenige, der es nur bei einer bisher schon vorhandenen Ausbildung beläßt. Diese berufliche Veränderung beeinflußt den Arbeitsmarkt, weil der Kläger nach dem Überwechseln in die selbständige Tätigkeit nicht mehr als Unselbständiger vermittelt zu werden braucht. Damit ist die generelle Beziehung zum Arbeitsmarkt i. S. des § 36 AFG (negativ) gegeben.

Nach § 8 zweiter Halbsatz AFuU 1969 wird weiter vorausgesetzt, daß durch die Teilnahme arbeitsmarkt- oder sozialpolitischen Bedürfnissen besser entsprochen werden kann, als dies ohne eine berufliche Fortbildung (oder Umschulung) möglich wäre. Auch diese Merkmale liegen vor. Zweifel daran, daß durch die Fortbildung des Klägers arbeitsmarktpolitischen oder sozialpolitischen Bedürfnissen besser entsprochen werden kann als dies ohne die berufliche Fortbildung des Klägers möglich wäre, sind bisher von der Beklagten nicht erhoben worden.

Da somit noch Feststellungen zu den Zugangsvoraussetzungen des Kurses des Repetitors H zu treffen sind, ebenso zu den Voraussetzungen, unter denen der Lehrgang geeignet i. S. des § 34 Satz 2 AFG ist, ist der Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen.

Das LSG wird auch über die Kosten zu entscheiden haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1648473

BSGE, 1

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