Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausscheiden im Nachversicherungsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Ist der einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung seiner Berufsgruppe angehörende Nachzuversichernde aus der letzten mehrerer aufeinanderfolgender versicherungsfreien Beschäftigungen nach dem 31.12.1972 ausgeschieden, so sind auf seinen Antrag bei der berufsständischen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung auch diejenigen versicherungsfreien Beschäftigungen nachzuversichern, aus denen er vor dem 1.1.1973 ausgeschieden, für die die Beitragsnachentrichtung jedoch bis zu einem Zeitpunkt nach diesem Stichtag aufgeschoben ist.

 

Leitsatz (redaktionell)

Nachversicherung nach § 9 AVG bei der BfA oder einer Versorgungsanstalt für Ärzte (§ 124 Abs 6a AVG):

Ein Wechsel des Dienstherrn bedeutet stets ein Ausscheiden aus der versicherungsfreien Beschäftigung.

 

Orientierungssatz

Der in § 124 Abs 6a AVG, Art 2 § 48a Abs 2 AnVNG verwendete Begriff des "Ausscheidens" ist in demselben Sinne zu verstehen wie innerhalb der Grundnormen der § 9 Abs 1 und § 124 Abs 1 AVG.

 

Normenkette

AVG § 124 Abs. 6a Fassung: 1972-10-16; AnVNG Art. 2 § 48a Abs. 2 Fassung: 1972-10-16; AVG § 9 Abs. 1, § 124 Abs. 1; RVO § 1232 Abs. 1, § 1402 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 21.05.1981; Aktenzeichen L 5 A 86/80)

SG Koblenz (Entscheidung vom 17.10.1980; Aktenzeichen S 3 A 49/79)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger für Zeiten seiner wissenschaftlichen Ausbildung vor dem 1. Januar 1973 bei der Beklagten oder bei der Beigeladenen zu 1) nachzuversichern ist.

Der im Jahre 1940 geborene Kläger ist Facharzt für innere Medizin. Im Rahmen seiner Facharztausbildung war er vom 1. Juni 1970 bis zum 31. Januar 1972 an der Universität Erlangen-Nürnberg, vom 9. Februar bis zum 15. September 1972 an der Universität Tübingen und vom 16. September 1972 bis zum 30. April 1975 an der Universität Köln als wissenschaftlicher Assistent im Beamtenverhältnis auf Widerruf versicherungsfrei beschäftigt. Die Nachversicherung der beiden erstgenannten Zeiträume war jeweils aufgeschoben. Seit dem 1. September 1975 ist der Kläger als Krankenhausarzt bei der Stadt K angestellt. Er gehört seither der zu 1) beigeladenen Baden-Württembergischen Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte (im folgenden: Versorgungsanstalt) als Pflichtmitglied an.

Auf Antrag des Klägers wurden die Beiträge für seine Nachversicherung für die Zeit vom 16. September 1972 bis zum 30. April 1975 gemäß § 124 Abs 6a des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) in der ab 1. Januar 1973 geltenden Fassung des Art 1 § 2 Nr 34 des Rentenreformgesetzes (RRG) vom 16. Oktober 1972 (BGBl I S 1965) an die beigeladene Versorgungsanstalt abgeführt. Für die Zeiten vom 1. Juni 1970 bis zum 31. Januar 1972 und vom 9. Februar bis 15. September 1972 wurde die Nachversicherung hingegen bei der Beklagten durchgeführt. Den Antrag des Klägers, auch insoweit die Nachversicherung bei der beigeladenen Versorgungsanstalt vorzunehmen und ihr die Beiträge zu überstellen, lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 9. Juni 1976).

Auf die nach erfolglosem Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 28. März 1979) erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Koblenz nach Beiladung der Versorgungsanstalt, des Landesamtes für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg sowie des nunmehr durch die Bezirksfinanzdirektion München vertretenen Freistaates Bayern die Beklagte unter Aufhebung ihrer angefochtenen Bescheide verurteilt, die Nachversicherungsbeiträge des Klägers für die Zeiten vom 1. Juni 1970 bis 31. Januar 1972 und vom 9. Februar bis 15. September 1972 an die Beigeladene zu 1) zu überweisen (Urteil vom 17. Oktober 1980). Das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 21. Mai 1981) und zur Begründung ausgeführt: Auch für die Nachversicherung der Zeiten vom 1. Juni 1970 bis 31. Januar 1972 und vom 9. Februar bis 15. September 1972 sei auf den Antrag des Klägers die Beigeladene zu 1) zuständig. Der Kläger sei im Sinne des Art 2 § 48a Abs 2 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) in der Fassung des RRG nach dem 31. Dezember 1972 aus der die Versicherungsfreiheit begründenden Beschäftigung ausgeschieden. Deswegen sei auch für die vor diesem Zeitpunkt zurückgelegten versicherungsfreien Zeiten § 124 Abs 6a AVG anwendbar. Nach dem System der gesetzlichen Nachversicherungsregelungen betreffe Art 2 § 48a Abs 2 AnVNG bei mehreren versicherungsfreien nachzuversichernden Beschäftigungsverhältnissen das Ausscheiden aus der letzten dieser Beschäftigungen, durch das erst die Pflicht zur Entrichtung der Nachversicherungsbeiträge für alle Beschäftigungsverhältnisse entstehe. Diese Pflicht des Arbeitgebers trete kraft Gesetzes (§ 9 AVG) ein, sobald der Beamte ohne Anspruch auf lebenslängliche Versorgung aus der versicherungsfreien Beschäftigung ausscheide. Für den Regelfall seien alle im Zeitpunkt des Ausscheidens geltenden Vorschriften des Nachversicherungsrechts anzuwenden. § 124 Abs 1 Satz 1 AVG erkläre nur hinsichtlich der Beitragsberechnung die im Zeitpunkt des Ausscheidens für versicherungspflichtig Beschäftigte geltenden Vorschriften als maßgebend. Das Bundessozialgericht (BSG) habe lediglich zur Beitragsberechnung beim Aufschub der Beitragsentrichtung (§ 125 AVG) und zur Entstehung der Nachversicherungspflicht klargestellt, daß es auf die im Zeitpunkt des Ausscheidens aus der versicherungsfreien Beschäftigung geltenden Vorschriften ankomme und insoweit jeder Dienstherrenwechsel ein Ausscheiden aus dem bisherigen Beschäftigungsverhältnis darstelle. Daraus könne aber nicht gefolgert werden, daß bei einem Aufschub der Beitragsentrichtung außer auf die Beitragsberechnung auch auf die Durchführung der Nachversicherung im übrigen die beim jeweiligen Ausscheiden (Dienstherrenwechsel) geltenden Vorschriften angewendet werden müßten. Jedenfalls sei kein zwingender Grund dafür ersichtlich, von dem durch § 124 Abs 6a AVG ab 1. Januar 1973 eingeführten Wahlrecht diejenigen Beschäftigungsverhältnisse auszuschließen, aus denen der Nachzuversichernde vor dem 1. Januar 1973 zwar ausgeschieden, wegen des Aufschubs der Beitragsnachentrichtung aber nicht bereits nachversichert worden sei. § 124 Abs 6a AVG stelle notwendig auf die Zahlungspflicht des Arbeitgebers und demnach auf den Zeitpunkt der Entstehung dieser Pflicht ab. Sie entstehe im Regelfall mit dem Ausscheiden aus der versicherungsfreien Beschäftigung. Der Aufschub der Beitragsentrichtung hemme dagegen ihre Entstehung und bewirke, daß erst mit dem Ausscheiden aus der letzten versicherungsfreien Beschäftigung die Zahlungspflicht des Arbeitgebers eintrete und die Nachversicherung für alle Beschäftigungsverhältnisse durchzuführen sei. Der durch einen Wechsel des Dienstherrn herbeigeführte Aufschub der Nachversicherung sei in seiner Wirkung auf die Entstehung der Beitragsschuld nicht anders zu beurteilen, als hätte der Beschäftigte seinen Dienst bei seinem früheren Dienstherrn noch nicht beendet. Infolge seiner Verknüpfung mit der Beitragszahlungspflicht könne das Wahlrecht nach § 124 Abs 6a AVG erst mit der Entstehung der Zahlungspflicht durch das Ausscheiden aus dem letzten versicherungsfreien Beschäftigungsverhältnis entstehen. Es erstrecke sich damit auf alle nach dem Wegfall des Aufschubs nachzuversichernden Beschäftigungsverhältnisse. Nur in diesem Zusammenhang lasse sich Art 2 § 48a Abs 2 AnVNG sinnvoll einordnen. Auch wenn die Vorschrift schlechthin vom Ausscheiden aus der die Versicherungsfreiheit begründenden Beschäftigung spreche, sei damit ihre Anwendung auf die Fälle des Aufschubs der Beitragsentrichtung, in denen alle Voraussetzungen der Nachversicherung erst mit dem Ausscheiden aus der letzten versicherungsfreien Beschäftigung erfüllt würden, nicht ausgeschlossen.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 124 Abs 6a AVG in Verbindung mit Art 2 § 48a Abs 2 AnVNG. Aufgrund der Zusammengehörigkeit der beiden Vorschriften und ihrer gleichzeitigen Einfügung in die Nachversicherungsregelung des AVG sei der in § 124 Abs 6a AVG verwendete Begriff des "Ausscheidens" in demselben Sinne zu verstehen wie in den Grundnormen der §§ 9 Abs 1 und 124 Abs 1 AVG. Für die Nachversicherung im allgemeinen und speziell für das Wahlrecht des Nachversicherungsberechtigten finde das im Zeitpunkt des "Ausscheidens" geltende Recht Anwendung. Darunter sei die Beendigung des bisherigen versicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisses ausschließlich im sozialversicherungsrechtlichen und nicht im arbeits- oder dienstrechtlichen Sinne zu verstehen. Maßgebend sei vor allem das Ausscheiden aus der versicherungsfreien Beschäftigung und nicht allein das Ende des Beschäftigungsverhältnisses. Deswegen führe zB der Wechsel eines Beamten von einem Dienstherrn zu einem anderen zum "Ausscheiden" im sozialversicherungsrechtlichen Sinne und zum Eintritt des Nachversicherungsfalles. Das habe das BSG sogar für Fälle ausgesprochen, in denen bei ununterbrochener Beschäftigung das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis durch eine Gesetzesänderung geendet habe oder das Ausscheiden durch einen Wechsel von der Arbeiterrentenversicherung zur Angestelltenversicherung herbeigeführt worden sei. Für den Begriff des "Ausscheidens" im Sinne des § 124 Abs 6a AVG sei schließlich unerheblich, daß sich bei einem Wechsel des Beschäftigungsverhältnisses unmittelbar wieder eine versicherungsfreie Beschäftigung anschließe. Das wirke sich allein auf die Durchführung der Nachversicherung aus, nicht aber auf das Recht und die Pflicht zur Nachversicherung. Daher bilde auch in Fällen der vorliegenden Art das Ausscheiden aus der versicherungsfreien Beschäftigung den maßgeblichen Zeitpunkt für das Entstehen der Nachversicherungspflicht. Der Aufschub der Beitragsnachentrichtung betreffe hingegen lediglich die Fälligkeit der Beitragsschuld und beeinflusse die Entstehung des Nachversicherungsrechts im Zeitpunkt des jeweiligen Ausscheidens aus der versicherungsfreien Beschäftigung nicht. Dadurch, daß § 125 Abs 1 Buchst a) AVG den Übertritt von einer versicherungsfreien in eine andere versicherungsfreie Beschäftigung als Unterfall des "Ausscheidens" aufführe, habe der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, daß er mehrere aufeinanderfolgende Beschäftigungsverhältnisse nicht als Einheit, sondern sozialversicherungsrechtlich jeweils für sich allein gewertet wissen wolle. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, daß bei mehreren Beschäftigungsverhältnissen nur das letzte Ausscheiden aus der die Versicherungsfreiheit begründenden Beschäftigung den Nachversicherungsfall solle auslösen können. Auch § 124 Abs 6a AVG in Verbindung mit Art 2 § 48a Abs 2 AnVNG verändere nicht den für das Nachversicherungsrecht einheitlichen Begriff des Ausscheidens. Er konstituiere lediglich eine Erweiterung des Nachversicherungsrechts zugunsten des begünstigten Personenkreises.

Die Beklagte beantragt, unter Aufhebung der Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. Mai 1981 und des Sozialgerichts Koblenz vom 17. Oktober 1980 die Klage abzuweisen.

Die Beigeladene zu 1) beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für rechtsfehlerfrei und schließt sich der Ansicht an, daß § 125 AVG nicht die Fälligkeit der Nachversicherungsbeiträge verschiebe, sondern abweichend von der Regel die Entstehung der Nachversicherungsschuld hemme.

Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht vertreten. Die Beigeladenen zu 2) und 3) haben sich zur Sache nicht geäußert.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die durch Zulassung statthafte Revision der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der mit den angefochtenen Bescheiden der Beklagten abgelehnte Anspruch des Klägers auf Überstellung der von den Beigeladenen zu 2) und 3) für die Nachversicherung der Zeiten vom 1. Juni 1970 bis 31. Januar 1972 und vom 9. Februar bis 15. September 1972 entrichteten Beiträge an die Beigeladene zu 1).

Der Kläger ist während dieser Zeiten versicherungsfrei gewesen. Das ergibt sich aus § 6 Abs 1 Nr 2 AVG. Danach sind versicherungsfrei ua Beamte der Länder, solange sie lediglich für ihren Beruf ausgebildet werden. Scheiden Personen aus der Beschäftigung, während der sie ua nach § 6 Abs 1 Nr 2 AVG versicherungsfrei waren, aus, ohne daß ihnen nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen eine lebenslängliche Versorgung oder an deren Stelle eine Abfindung oder ihren Hinterbliebenen eine diesen Vorschriften, Grundsätzen oder Regelungen entsprechende Versorgung aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses gewährt wird, so sind sie für die Zeit, in der sie sonst in der Rentenversicherung der Angestellten versicherungspflichtig gewesen wären, nachzuversichern (§ 9 Abs 1 AVG). Diese Voraussetzungen der Nachversicherung der zwischen dem 1. Juni 1970 und dem 15. September 1972 liegenden Beschäftigungszeiten des Klägers sind erfüllt. Das ist unter den Beteiligten nicht streitig. Streitig ist allein, ob die Nachversicherung bei der Beklagten oder entsprechend dem Antrag des Klägers bei der beigeladenen Versorgungsanstalt durchzuführen ist.

Rechtsgrundlage für letzteres ist der durch das RRG mit Wirkung ab 1. Januar 1973 eingefügte § 124 Abs 6a Satz 1 AVG. Hiernach hat bei Personen, die innerhalb eines Jahres nach dem Ausscheiden (aus der versicherungsfreien Beschäftigung) aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglieder einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe werden oder während der versicherungsfreien Beschäftigung bis zum Ausscheiden Mitglieder einer solchen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung waren, der Arbeitgeber auf Antrag des Nachzuversichernden den Betrag der Beiträge, der an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte zu entrichten wäre, mit befreiender Wirkung an die Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung zu zahlen, der der Antragsteller im Zeitpunkt der Antragstellung angehörte. Nach der ebenfalls durch das RRG eingefügten Übergangsvorschrift des Art 2 § 48a Abs 2 AnVNG gilt § 124 Abs 6a AVG in den Fällen, in denen der Nachzuversichernde nach dem 31. Dezember 1972 aus der die Versicherungsfreiheit begründenden Beschäftigung ausgeschieden ist.

Der Kläger ist im Sinne des Art 2 § 48a Abs 2 AnVNG nach dem 31. Dezember 1972 lediglich aus seiner Versicherungsfreiheit begründenden Beschäftigung an der Universität Köln ausgeschieden. Sein Ausscheiden aus den versicherungsfreien Beschäftigungen an den Universitäten Erlangen-Nürnberg und Tübingen ist hingegen vor diesem Zeitpunkt erfolgt. Das ergibt sich aus Sinn und Inhalt des in Art 2 § 48a Abs 2 AnVNG verwendeten Begriffs "ausgeschieden". Zwar sind weder dieser noch der Begriff des "Ausscheidens" in § 124 Abs 6a Satz 1 AVG im Gesetz selbst definiert oder näher umschrieben worden. Indes ist der Beklagten darin beizupflichten, daß im Hinblick auf den Zusammenhang beider Vorschriften sowohl miteinander als auch mit der Nachversicherungsregelung des AVG insgesamt der Begriff des "Ausscheidens" in demselben Sinne zu verstehen ist wie innerhalb der Grundnormen der § 9 Abs 1 und § 124 Abs 1 AVG. Dazu hat das BSG in ständiger Rechtsprechung - und zwar entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht nur bezogen auf die Beitragsberechnung beim Aufschub der Beitragsnachentrichtung nach § 125 AVG und auf die Entstehung der Nachversicherungspflicht (vgl zB zur Frage des für die Nachversicherung zuständigen Versicherungszweiges BSG SozR 2200 § 1232 Nr 3 S 4) - ausgesprochen, daß für den Begriff des Ausscheidens aus einer versicherungsfreien Beschäftigung nicht die arbeitsrechtliche Beurteilung, sondern rentenversicherungsrechtliche Merkmale entscheidend sind (BSG SozR 2200 § 1232 Nr 3 S 5 mit eingehenden weiteren Hinweisen). Danach bedeutet Ausscheiden zunächst eine tatsächliche Lösung des Beschäftigungsverhältnisses (BSGE 16, 112, 113 = SozR Nr 2 zu § 1402 RVO; BSG SozR 2200 § 1403 Nr 2 S 4). Indes kann auch bei Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses ein Fall des Ausscheidens gegeben sein. Zwar ist hierfür in der Regel ein Wechsel des Dienstherrn erforderlich. Ein bloßer Laufbahnwechsel mit geänderter Ressortzuständigkeit bei demselben Dienstherrn des öffentlichen Dienstes bewirkt daher ein Ausscheiden aus der versicherungsfreien Beschäftigung nicht (BSGE 39, 123, 124 f = SozR 2200 § 1402 Nr 1 S 1 f). In Ausnahmefällen kann der Beschäftigte jedoch trotz Fortdauer des Beschäftigungsverhältnisses aus diesem im Sinne des Nachversicherungsrechts ausscheiden. Das gilt zB in den Fällen der Umwandlung des zunächst versicherungsfreien in ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis (BSGE 16, 112, 114 = SozR Nr 2 zu § 1402 RVO), der Beurlaubung eines Beamten ohne Dienstbezüge (BSGE 35, 183, 184 = SozR Nr 10 zu § 1402 RVO) und einer Änderung der für die Zuordnung des Beschäftigungsverhältnisses zur Angestelltenversicherung oder zur Arbeiterrentenversicherung maßgebenden Umstände (BSGE 26, 136, 139 = SozR Nr 11 zu § 1232 RVO; BSG SozR 2200 § 1232 Nr 3 S 5).

Unter Anlegung dieser auch im Rahmen der § 124 Abs 6a AVG und Art 2 § 48a Abs 2 AnVNG anwendbaren Rechtsgrundsätze ist der Kläger aus seinen versicherungsfreien Beschäftigungsverhältnissen mit dem Freistaat Bayern (Universität Erlangen-Nürnberg) und mit dem Lande Baden-Württemberg (Universität Tübingen) vor dem 1. Januar 1973 ausgeschieden. Zwar ist er im Rahmen einer einheitlichen Facharztausbildung jeweils im Anschluß an die Beendigung des einen in ein weiteres versicherungsfreies Beschäftigungsverhältnis eingetreten und aus dem letzten von ihnen erst nach dem 31. Dezember 1972 ausgeschieden. Das ist jedoch nicht rechtserheblich. Maßgebend ist ausschließlich, daß er mit der Beendigung seiner Beschäftigungsverhältnisse vom Dienst des Freistaates Bayern in denjenigen des Landes Baden-Württemberg und von dort in den Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen übergetreten ist. Diese Wechsel des Dienstherrn haben zu einem Ausscheiden aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis geführt. Die Zeitpunkte dieses Ausscheidens liegen vor dem 1. Januar 1973.

Entgegen der Ansicht der Beklagten kann jedoch allein daraus, daß der Kläger lediglich aus seiner versicherungsfreien Beschäftigung an der Universität Köln nach dem 31. Dezember 1972 ausgeschieden ist, nicht zugleich hergeleitet werden, daß damit auch die Nachversicherungsbeiträge nur für diese Beschäftigung an die Beigeladene zu 1) abzuführen sind. Vielmehr sind sie auch für die Beschäftigungen in den Diensten des Freistaates Bayern und des Landes Baden-Württemberg an die Beigeladene zu 1) zu entrichten. Das ist eine Konsequenz dessen, daß die Nachentrichtung der Beiträge für diese Beschäftigungsverhältnisse zunächst aufgeschoben gewesen und erst nach dem Ausscheiden des Klägers aus seinem letzten versicherungsfreien Beschäftigungsverhältnis (Universität Köln) nach dem 31. Dezember 1972 erfolgt ist.

Allerdings stellt die Stichtagsregelung des Art 2 § 48a Abs 2 AnVNG auf das Ausscheiden aus der die Versicherungsfreiheit begründenden Beschäftigung im rentenversicherungsrechtlichen Sinne ab. Das läßt den Schluß zu, daß im Regelfall die Beiträge zur Nachversicherung lediglich desjenigen zunächst versicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisses an die berufsständische Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung abgeführt werden dürfen, aus welchem der Beschäftigte nach dem 31. Dezember 1972 ausgeschieden ist. In Übereinstimmung damit hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 23. Februar 1977 zur Verfassungsmäßigkeit der Stichtagsregelung des Art 2 § 48a Abs 2 AnVNG ausdrücklich hervorgehoben, daß zur Vermeidung von Zufallsergebnissen der Gesetzgeber bei der Festsetzung des Stichtages bewußt auf das Ausscheiden aus der versicherungsfreien Beschäftigung und nicht auf die Durchführung der Nachversicherung abgestellt habe (vgl BSGE 43, 200, 203 = SozR 5755 Art 2 § 48a Nr 1 S 4 f). Indes war der Kläger des vom Senat damals entschiedenen Rechtsstreits bereits vor dem 31. Dezember 1972 aus seiner - einzigen - versicherungsfreien Beschäftigung als beamteter Arzt der Versorgungsverwaltung ausgeschieden. Die im vorliegenden Verfahren entscheidungserhebliche Frage, ob im Falle des nach dem 31. Dezember 1972 erfolgten Ausscheidens aus der letzten mehrerer aufeinanderfolgender versicherungsfreier Beschäftigungen die Nachversicherungsbeiträge auch für diejenigen zunächst versicherungsfreien Beschäftigungen, aus welchen der Nachzuversichernde schon vor dem 1. Januar 1973 ausgeschieden ist, auf seinen Antrag an die berufsständische Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung zu zahlen sind, hat sich in dem durch Urteil vom 23. Februar 1977 abgeschlossenen Rechtsstreit nicht gestellt. Gerade sie prägt jedoch die Besonderheiten des vorliegenden Rechtsstreits. Der Senat bejaht die Frage für den Fall und unter der Voraussetzung, daß die Nachversicherung für die versicherungsfreien Beschäftigungen, aus denen der Versicherte bereits vor dem 1. Januar 1973 ausgeschieden ist, erst nach diesem Stichtag durchzuführen ist.

Maßgebend hierfür sind Sinn und Bedeutung des in § 125 AVG geregelten Aufschubs der Beitragsnachentrichtung. Das seit dem 1. Januar 1957 geltende Recht regelt die Nachversicherung getrennt nach Voraussetzungen und Durchführung (BSGE 12, 179, 180 = SozR Nr 1 zu § 1418 RVO). Der Nachversicherungsfall als solcher tritt kraft Gesetzes allein mit dem unversorgten Ausscheiden aus einer versicherungsfreien Beschäftigung ein und läßt das Nachversicherungsverhältnis unabhängig davon entstehen, ob der Arbeitgeber die Beiträge sogleich zu entrichten hat oder aber die Beitragsnachentrichtung aufgeschoben ist (BSGE 32, 71, 73 = SozR Nr 9 zu § 1402 RVO; BSGE 32, 76, 79 = SozR Nr 2 zu § 1403 RVO; BSGE 35, 183, 185, 187 = SozR Nr 10 zu § 1402 RVO; BSGE 35, 195, 196 = SozR Nr 4 zu § 1403 RVO). Zugleich mit dem Eintritt des Nachversicherungsfalls entsteht regelmäßig die Pflicht zur (Durchführung der) Nachversicherung (BSGE 12, 179, 181 = SozR Nr 1 zu § 1418 RVO; BSGE 16, 112, 115 = SozR Nr 2 zu § 1402 RVO) oder - präziser ausgedrückt - zur Nachentrichtung von Beiträgen (BSG SozR Nr 5 zu § 1402 RVO). Etwas anderes gilt dann, wenn - bei Erfüllung der hierfür aufgestellten Voraussetzungen ebenfalls kraft Gesetzes (vgl vor allem BSGE 35, 195, 196 = SozR Nr 4 zu § 1403 RVO) - die Beitragsnachentrichtung aufgeschoben ist. Zwar läßt dieser Aufschub den Eintritt des Nachversicherungsfalls unberührt (BSGE 35, 183, 187 = SozR Nr 10 zu § 1402 RVO). Er führt jedoch im Hinblick darauf, daß die Verwirklichung der an sich notwendigen Nachversicherung ungewiß ist (BSGE 31, 177, 181 = SozR Nr 10 zu § 1303 RVO) und deswegen die endgültige Rechtslage noch nicht feststeht, zu einem Schwebezustand dergestalt, daß die Wirkungen aus dem unbedingt gültig entstandenen Nachversicherungsverhältnis aufschiebend bedingt sind und die Pflicht des Arbeitgebers zur Nachentrichtung von Beiträgen erst mit dem Eintritt der aufschiebenden Bedingung eines Ausscheidens aus der letzten, den Aufschub begründenden Beschäftigung ohne beamtenrechtliche Versorgung entsteht. Erst bei und mit der Durchführung der Nachversicherung entscheidet sich, ob aus der Nachversicherungspflicht aufgrund des bestehenden Nachversicherungsverhältnisses eine effektive Nachversicherung und ob aus dem Nachzuversichernden ein Versicherter der gesetzlichen Rentenversicherung wird (BSGE 32, 76, 84 = SozR Nr 2 zu § 1403 RVO; BSG SozR 2200 § 1403 Nr 2 S 6). Bis zu diesem Zeitpunkt ist der insbesondere durch einen Wechsel des Dienstherrn herbeigeführte Aufschub der Beitragsnachentrichtung in seiner Wirkung nicht anders zu beurteilen, als habe der Beschäftigte seinen Dienst bei seinem ersten Dienstherrn noch nicht beendet, so daß eine Nachversicherung überhaupt noch nicht in Frage steht (BSGE 31, 177, 181 = SozR Nr 10 zu § 1303 RVO).

Unter Berücksichtigung dessen ist eine Auslegung des Art 2 § 48a Abs 2 AnVNG dahingehend gerechtfertigt und geboten, daß im Falle des nach dem 31. Dezember 1972 liegenden Ausscheidens aus der letzten von mehreren aufeinanderfolgenden versicherungsfreien Beschäftigungen auf Antrag des Nachzuversichernden bei dem berufsständischen Versicherungs- oder Versorgungswerk die Nachversicherung auch für diejenigen versicherungsfreien Beschäftigungen durchzuführen ist, aus denen er vor dem 1. Januar 1973 ausgeschieden ist. Wegen des Aufschubs der Beitragsnachentrichtung für diese Beschäftigungsverhältnisse bis zu einem Zeitpunkt nach dem 31. Dezember 1972 kann dieser Fall nicht anders behandelt werden, als sei der Nachzuversichernde nach dem Stichtag aus einer bereits vorher aufgenommenen versicherungsfreien Beschäftigung bei einem einzigen Dienstherrn ausgeschieden. In letzterem Falle ist auf seinen Antrag die Nachversicherung für die gesamte Dauer der Beschäftigung einschließlich ihrer vor dem 1. Januar 1973 liegenden Zeit bei der berufsständischen Versorgungs- oder Versicherungseinrichtung durchzuführen. Art 2 § 48a Abs 2 AnVNG schließt demnach die Nachversicherung bei einer solchen Einrichtung für Zeiten vor dem 1. Januar 1973 nicht generell aus. Er verlangt lediglich, daß der Zeitpunkt des unversorgten Ausscheidens des Nachzuversichernden, welches die bis dahin aufschiebend bedingte Verpflichtung des Arbeitgebers zur effektiven Durchführung der Nachversicherung entstehen läßt, nach dem 31. Dezember 1972 liegt. Diese Voraussetzung ist aber auch dann erfüllt, wenn der Nachzuversichernde lediglich aus der letzten von mehreren aufeinanderfolgenden versicherungsfreien Beschäftigungen nach dem 31. Dezember 1972 ausgeschieden ist und bis zum Zeitpunkt dieses Ausscheidens die Durchführung der Nachversicherung für die vorhergegangenen Beschäftigungen aufgeschoben war.

Diese Auslegung entspricht dem gesetzgeberischen Zweck der durch § 124 Abs 6a AVG in Verbindung mit Art 2 § 48a Abs 2 AnVNG eingeführten Neuregelung. Bis zu ihrem Inkrafttreten sind nach § 7 Abs 2 AVG unter den dort im einzelnen genannten Voraussetzungen auf Antrag von der Versicherungspflicht die Personen befreit worden, die aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglieder einer öffentlichrechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe sind. Eine Nachversicherung bei berufsständischen Einrichtungen hat das Gesetz zunächst nicht vorgesehen. Das ist vielfach als Mangel angesehen worden. Deswegen hat durch die Neuregelung insbesondere denjenigen Mitgliedern berufsständischer Versorgungseinrichtungen, die Beamte sind und aus dem Beamtenverhältnis ausscheiden, die Möglichkeit eingeräumt werden sollen, zu beantragen, daß die Nachversicherungsbeiträge für die nachzuversichernde Zeit an das jeweilige Versorgungswerk zu entrichten sind. Diese Art der Nachversicherung hat allerdings nur bei Personen zulässig sein sollen, die nach Inkrafttreten des RRG aus der versicherungsfreien Beschäftigung ausscheiden (vgl Amtliche Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Reform der gesetzlichen Rentenversicherung - Rentenreformgesetz, RRG -; BR-Drucks 566/71, BT-Drucks VI/2916; jeweils S 45 und 53). Ungeachtet dieser Stichtagsregelung hat das neue Recht im übrigen die Durchführung der Nachversicherung "für die nachzuversichernde Zeit" bei einer berufsständischen Versorgungseinrichtung ermöglichen wollen. Dann aber kann die Neuregelung in ihrem Gesamtzusammenhang nur dahin verstanden werden, daß das Wahlrecht des Nachzuversichernden seinem Rechtsgrunde nach zwar das Ausscheiden aus einer versicherungsfreien Beschäftigung nach dem 31. Dezember 1972 voraussetzt, seinem Umfange nach aber auch diejenigen versicherungsfreien Beschäftigungen umfaßt, aus denen der Nachzuversichernde schon vor diesem Zeitpunkt ausgeschieden, für die wegen eines Aufschubs der Beitragsentrichtung die Nachversicherung jedoch erst nach dem Stichtag durchzuführen ist.

Dieses Verständnis der Neuregelung trägt schließlich auch dem Zweck der Nachversicherung Rechnung. Er besteht darin, dem aus einer versicherungsfreien Beschäftigung Ausscheidenden als Ersatz für die während dieser Beschäftigung gewährleistete Versorgung eine soziale Sicherung gegen die Wechselfälle des Lebens durch die gesetzliche Rentenversicherung zu verschaffen (BSGE 12, 179, 182 = SozR Nr 1 zu § 1418 RVO; BSG SozR Nr 9 zu § 1255 RVO; BSG SozR 2200 § 1232 Nr 3 S 5). Dieser Zweck wäre unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Beklagten zumindest in den Fällen nicht zu erreichen, in denen der auf Antrag nach § 124 Abs 6a AVG in Verbindung mit Art 2 § 48a Abs 2 AnVNG bei einem berufsständischen Versorgungswerk Nachzuversichernde vor dem 1. Januar 1973 aus einer oder mehreren versicherungsfreien Beschäftigungen mit einer Gesamtdauer von weniger als 60 Kalendermonaten ausgeschieden ist. In diesen Fällen wäre eine Entrichtung der Nachversicherungsbeiträge an die Beklagte geradezu zweckwidrig. Mit den Beiträgen würde der Nachzuversichernde weder die "kleine" Wartezeit für die Rente wegen Berufsunfähigkeit (§ 23 Abs 3 AVG) erfüllen noch auch nur das Recht zur freiwilligen Versicherung erwerben können (vgl § 10 Abs 1a AVG). Damit hätte der Nachzuversichernde einen Ersatz für den durch das Ausscheiden aus der versicherungsfreien Beschäftigung eingetretenen Verlust der Versorgungsanwartschaft trotz Nachentrichtung der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nicht erlangt. Dieses dem Zweck der Nachversicherung zuwiderlaufende Ergebnis wird vermieden, wenn die Nachversicherung auch dieser versicherungsfreien Beschäftigung bei der berufsständischen Versorgungseinrichtung durchgeführt wird.

Nach alledem sind auf den Antrag des Klägers die Beiträge für die Nachversicherung seiner Beschäftigungen an den Universitäten Erlangen-Nürnberg und Tübingen ebenfalls an die Beigeladene zu 1) abzuführen. Das haben die Vorinstanzen im Ergebnis zutreffend erkannt. Dies führt zur Zurückweisung der Revision der Beklagten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 155

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