Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Urteil vom 22.01.1964)

 

Tenor

Das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 22. Januar 1964 und das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 7. August 1962 werden aufgehoben.

Soweit der Bescheid der Beklagten vom 25. August 1959 und der Widerspruchsbescheid vom 5. September 1960 sich auf die Beschäftigung des Beigeladenen vom 1. Mai 1943 bis 31. Oktober 1954 beziehen, wird die Beitragsfestsetzung unter Klagabweisung im übrigen auf 2.532,30 DM herabgesetzt.

Hinsichtlich der Beschäftigung vor dem 1. Mai 1943 wird der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil des Landessozialgerichts vorbehalten.

 

Gründe

Es ist streitig, in welcher Höhe die klagende Deutsche Bundespost Nachversicherungsbeiträge für den Beigeladenen an die beklagte Landesversicherungsanstalt zu entrichten hat.

Der Beigeladene war von April 1940 bis Mai 1959 – mit Ausnahme der Zeit von Juli 1945 bis Juni 1946 – im Dienst der Deutschen Reichspost bzw. der Deutschen Bundespost im Bezirk der jetzigen Oberpostdirektion Hannover beschäftigt. Bis Ende April 1943 war er Postjungbote bei einer Vergütung von zuletzt etwa 40 RM monatlich. Danach war er Hilfspostschaffner im Vorbereitungsdienst, von Juli 1946 an Hilfspostschaffner und von März 1949 an Postschaffner. Am 1. November 1954 wurde er als Postassistent in den mittleren Postdienst übernommen. Während dieser ganzen Zeit war er wegen der Anwartschaft auf Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung versicherungsfrei (§ 1234 der Reichsversicherungsordnung –RVO– aF, § 169 RVO). Ende Mai 1959 schied der Beigeladene ohne Anspruch auf beamtenrechtliche Versorgung aus dem Postdienst aus. Deshalb erklärte die Klägerin sich bereit, für die Zeit vom 1. Mai 1943 bis zum 31. Oktober 1954 Beiträge für den Beigeladenen zur Rentenversicherung der Arbeiter in Höhe von 2.246,– DM nachzuentrichten. Diesem – inzwischen an die Beklagte entrichteten – Betrag liegen die Summe der auf die genannte Zeit entfallenden Arbeitsentgelte des Beigeladenen (22.459,95 DM) und ein Beitragssatz von 10 v.H. zugrunde. Die Klägerin hielt diesen Satz für maßgebend, weil am 1. November 1954 mit dem Übertritt des Beigeladenen aus der an sich invalidenversicherungspflichtigen Beschäftigung eines Postschaffners in die an sich angestelltenversicherungspflichtige Beschäftigung eines Postassistenten ein Fall der aufgeschobenen Nachversicherung eingetreten sei und damals der Beitragssatz 10 v.H. betragen habe (§ 8 des Sozialversicherungsanpassungsgesetzes). Die Postjungbotenzeit des Beigeladenen nahm die Klägerin von der Beitragsberechnung aus, weil der Beigeladene damals – so meint sie – mangels Entgelts auch ohne Anwartschaft auf Ruhegehalt nicht versicherungspflichtig gewesen wäre. – Demgegenüber nahm die Beklagte durch Bescheid vom 25. August 1959 die Klägerin auf nachzuentrichtende Beiträge in Höhe von insgesamt 4.322,23 DM in Anspruch. Sie begründete die Anforderung wie folgt:

Es liege kein Fall einer aufgeschobenen Nachversicherung vor, weil der Beigeladene nicht den Arbeitgeber gewechselt habe, vielmehr nur innerhalb dessen Dienstbereichs aus einer an sich invalidenversicherungspflichtigen in eine an sich angestelltenversicherungspflichtige Beschäftigung übergetreten sei. Da er erst 1959 unter Verlust des Versorgungsanspruchs aus dem Postdienst als einer nach § 1229 Abs. 1 Nr. 2 und 3 RVO versicherungsfreien Beschäftigung ausgeschieden sei, habe sich die Nachversicherung nach § 1232 RVO idF des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) zu richten. Nach § 1402 Abs. 1 RVO habe die Klägerin die Beiträge nach den im Jahre 1959 maßgebenden Vorschriften zu leisten, d. h. unter Zugrundelegung eines Arbeitsentgelts von mindestens 150 DM monatlich (§ 1402 Abs. 2 RVO) – auch für die Postjungbotenzeit des Beigeladenen – und eines Beitragssatzes von 14 v.H. (§ 1385 Abs. 1 RVO).

Den von der Klägerin hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Widerspruchsstelle der Beklagten durch Bescheid vom 5. September 1960 zurück.

Die Aufhebungsklage der Klägerin ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das Sozialgericht Hannover hat sich in seinem klagabweisenden Urteil vom 7. August 1962 der Rechtsauffassung der Beklagten angeschlossen. Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen hat durch Urteil vom 22. Januar 1964 die Berufung der Klägerin mit folgender Begründung zurückgewiesen: Es könne unentschieden bleiben, ob bereits der Übertritt des Beigeladenen in den mittleren Dienst – wie die Klägerin meine – oder erst sein Ausscheiden aus dem Postdienst die Nachversicherungspflicht ausgelöst habe. Selbst wenn man der Auffassung der Klägerin folge, wären für die im Jahre 1959 nachzuentrichtenden Beiträge die jetzt geltenden Vorschriften maßgebend. Das ArVNG enthalte keine Übergangsvorschriften für Nachversicherungen, die wegen Aufschubs der Beitragsnachentrichtung am 1. Januar 1957 noch nicht durchgeführt gewesen seien. Die Frage des anzuwendenden Rechts müsse deshalb nach den allgemeinen Grundsätzen über den zeitlichen Geltungsbereich der Rechtsnormen beantwortet werden. Verpflichtungen gegenüber einem Versicherungsträger seien in der Regel nach denjenigen Vorschriften zu beurteilen, die im Zeitpunkt ihrer Erfüllung in Kraft seien. Wenn die Erfüllung zunächst aufgeschoben sei, weil eine aufschiebende Bedingung noch nicht eingetreten sei – wie bei einer aufgeschobenen Nachversicherung –, so sei das beim Eintritt der Bedingung geltende Recht anzuwenden. Da im vorliegenden Fall die Bedingung, von der die Nachentrichtung der Beiträge für den Beigeladenen abhängig gewesen sei, erst mit dem Ausscheiden aus dem Postdienst im Jahre 1959 eingetreten sei, habe die Klägerin die Beiträge nach den zu dieser Zeit geltenden Vorschriften nachzuentrichten, nämlich nach einem Beitragssatz von 14 v.H. und einem Arbeitsentgelt von mindestens 150 DM monatlich. Der Beigeladene sei auch für die Zeit seiner Beschäftigung als Postjungbote nachzuversichern; denn für ihn habe schon während dieser Zeit wegen seiner Anwartschaft auf Versorgung Versicherungsfreiheit bestanden.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Die Klägerin hat Revision eingelegt und diese mit folgenden Ausführungen begründet: Das LSG hätte die versicherungsrechtliche Bedeutung des Übertritts des Beigeladenen in den mittleren Postdienst nicht ungeklärt lassen dürfen. Ein Wechsel von einer an sich invalidenversicherungspflichtigen zu einer an sich angestelltenversicherungspflichtigen, aber wegen der Versorgungsanwartschaft versicherungsfreien Beschäftigung lasse die Nachversicherungsschuld dem Grunde nach entstehen, schiebe sie aber bis zum etwaigen endgültigen Ausscheiden aus dem Dienst auf. Ob der. Wechsel der Beschäftigung mit einem Wechsel des Arbeitgebers verbunden sei, mache keinen rechtlichen Unterschied. Dies gelte sowohl für das Recht vor 1957 als auch für das jetzige Recht. Nach Wegfall der Aufschub gründe werde die Nachversicherungsschuld fällig, sie sei aber nach den Vorschriften zu begleichen, die zu der Zeit, als der Aufschub eingetreten sei, gegolten hätten. Im vorliegenden Falle richte sich die Nachversicherung somit nach § 1242 a RVO idF der Verordnung vom 17. März 1945 und § 4 der Verordnung über die Nachentrichtung von Beiträgen für versicherungsfreie Personen vom 4. Oktober 1930 (RGBl I 459) idF der Verordnung vom 5. Februar 1932 (RGBl I 64). Damit entfalle die Zugrundelegung eines Beitragssatzes von 14. v.H. und eines Mindestarbeitsentgelts von 150 DM monatlich. Als Postjungbote sei der Beigeladene – auch ohne Versorgungsanwartschaft – nicht versicherungspflichtig gewesen, weil er damals kein Entgelt i. S. des Gesetzes bezogen habe.

Die Klägerin beantragt,

die Urteile der Vorinstanzen in vollem Umfang und den Bescheid der Beklagten vom 25. August 1959 und den Widerspruchsbescheid vom 5. September 1960 insoweit aufzuheben, als Nachversicherungsbeiträge von mehr als 2.246,– DM verlangt werden.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen und die Klägerin zur Nachzahlung von 2076,23 DM zu verurteilen.

Sie führt aus: Die Änderung der Beschäftigungsart bei demselben Arbeitgeber bei durchgehender Anwartschaft auf Versorgung löse weder die Fälligkeit der Beiträge aus, noch lasse sie eine Beitragsforderung dem Grunde nach entstehen; denn es komme nicht auf das Ausscheiden aus dem Versicherungszweig, sondern auf das Ausscheiden aus der versicherungsfreien Beschäftigung ohne Versorgung an. Deshalb könne die Nachversicherungsschuld der Klägerin nicht schon im Jahre 1954, sondern erst 1959 entstanden sein. Nach Art. 2 § 3 Abs. 2 ArVNG sei somit § 1232 RVO nF anzuwenden. Die Höhe der nachzuentrichtenden Beiträge richte sich nach den im Jahre 1959 geltenden Vorschriften, d. h. nach einem Beitragssatz von 14 v.H. und einem monatlichen Arbeitsentgelt von mindestens 150 DM. Durch Art. 3 § 2 ArVNG seien alle diesem Gesetz entgegenstehenden Vorschriften außer Kraft gesetzt, auch die Verordnung vom 4. Oktober 1930.

Der Beigeladene ist im Revisionsverfahren nicht durch einen vor dem Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen Prozeßbevollmächtigten vertreten.

Die Revision ist zulässig; sie ist teils begründet, teils unbegründet.

Die Nachversicherung des Beigeladenen richtet sich nach den Vorschriften, die seit der Rentenreform von 1957 gelten; in diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob der Nachversicherungsfall bereits im Jahre 1954 – unter Aufschub der Beitragsnachentrichtung bis 1959 – oder erst im Jahre 1959 eingetreten ist. Nach Art. 3 § 2 ArVNG sind nämlich mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes alle ihm entgegenstehenden oder gleichlautenden Vorschriften außer Kraft getreten; hinsichtlich der Voraussetzungen der Nachversicherung in der Rentenversicherung der Arbeiter ist nunmehr § 1232 RVO maßgebend, auch für die Zeit vor dem 1. März 1957 (Art. 2 § 3, Art. 3 § 8 ArVNG); ihre Durchführung ist in §§ 1402, 1403 RVO geregelt.

Daß der Fall der Nachversicherung in der Person des Beigeladenen eingetreten ist, ist unter den Beteiligten nicht streitig und steht außer Zweifel; denn der Beigeladene ist, wie dies § 1232 Abs. 1 RVO voraussetzt – jedenfalls Ende Mai 1959 – aus einer Beschäftigung, während der er nach § 1229 Abs. 1 Nr. 3 RVO versicherungsfrei war, ausgeschieden, ohne daß ihm nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen eine lebenslängliche Versorgung oder an deren Stelle eine Abfindung oder seinen Hinterbliebenen eine dementsprechende Versorgung gewährt wird. Daraus ergibt sich aber nicht auch, daß die bei der Durchführung der Nachversicherung geltenden Vorschriften für die Höhe der nachzuentrichtenden Beiträge maßgebend wären. Nach § 1402 Abs. 1 RVO hat der Arbeitgeber im Falle der Nachversicherung die Beiträge nach den Vorschriften zu entrichten, die „im Zeitpunkt des Ausscheidens aus der versicherungsfreien Beschäftigung” – i. S. des § 1232 RVO – für die Berechnung der Beiträge für versicherungspflichtige Beschäftigte maßgebend sind. Das LSG hätte sich deshalb der Festlegung dieses Zeitpunkts nicht enthalten dürfen. Auf die Entscheidung der unter den Beteiligten streitigen Frage, ob der Beigeladene bereits mit dem 31. Oktober 1954 oder erst im Mai 1959 im Sinne des Nachversicherungsrechts aus einer wegen der Anwartschaft auf lebenslängliche Versorgung versicherungsfreien Beschäftigung ohne Versorgung ausgeschieden ist, kommt es für die Bemessung der Nachversicherungsbeiträge wesentlich an; die Beitragssätze haben sich nämlich in der Zwischenzeit geändert.

Das Entstehen der Nachversicherungspflicht. (Nachversicherungsfall) hängt nach § 1232 Abs. 1 RVO von zwei Voraussetzungen ab, dem Ausscheiden aus einer Beschäftigung, während der nach § 1229 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 oder nach § 1231 Abs. 1 RVO Versicherungsfreiheit bestanden hat, und der Nichtgewährung einer lebenslänglichen Versorgung oder einer ihr gleichgestellten Leistung.

Die Beklagte meint zu Unrecht, der Übertritt des Beigeladenen in den mittleren Postdienst könne schon deshalb nicht die Nachversicherungspflicht – unter Aufschub der Beitragsnachentrichtung – begründet haben, weil dem Beigeladenen eine lebenslängliche Versorgung über den 31. Oktober 1954 hinaus zugesichert geblieben sei, ein Ausscheiden ohne Versorgung damals also nicht stattgefunden habe. Nach § 1232 Abs. 1 RVO kommt es darauf an, ob Versorgung „gewährt” wird; das Fortbestehen einer Anwartschaft auf spätere Versorgung hindert nicht den Eintritt eines Nachversicherungsfalles. Dies ist im Schrifttum, soweit ersichtlich, allgemein anerkannt (vgl. Jantz/Zweng, Das neue Recht der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten, 2. Aufl., S. 145; Etmer, Reichsversicherungsordnung, Viertes Buch, Rentenversicherung der Arbeiter, § 1232 Erl. 2 S. 8 d 2; Elsholz/Theile, Die gesetzliche Rentenversicherung, Syn. Kommentar, § 1232 Erl. 2) Die Richtigkeit der hier vertretenen Auffassung wird durch § 1403 Abs. 1 Buchst. c, bb RVO bestätigt. Danach wird die Nachentrichtung von Beiträgen aufgeschoben, wenn der aus der versicherungsfreien Beschäftigung ausscheidenden Person oder ihren Hinterbliebenen „lebenslängliche Versorgung … zugesichert bleibt”. Von einem Aufschub der Beitragsnachentrichtung kann aber nur die Rede sein, wenn der Fall der Nachversicherung eingetreten ist. Demnach steht das Fortbestehen der Zusicherung lebenslänglicher Versorgung dem Eintritt des Nachversicherungsfalles nicht entgegen. In der Person des Beigeladenen ist das Erfordernis des Gesetzes, daß lebenslängliche Versorgung nicht gewährt wird, beim Übertritt in den mittleren Postdienst erfüllt gewesen.

Der Beigeladene hatte in diesem Zeitpunkt auch die Voraussetzung erfüllt, aus einer Beschäftigung ausgeschieden zu sein, während der er nach einer dem § 1229 Abs. 1 Nr. 3 RVO entsprechenden Vorschrift versicherungsfrei gewesen war. Ein Ausscheiden aus einer Beschäftigung i. S. des § 1232 Abs. 1 RVO liegt nicht nur dann vor, wenn der Ausgeschiedene überhaupt keiner Beschäftigung mehr nachgeht, sondern auch, wenn er in eine andere Beschäftigung überwechselt. Begründet diese andere Beschäftigung Versicherungspflicht, so ist ohne Aufschub der Beitragsentrichtung nachzuversichern, anderenfalls findet ein Aufschub statt (§ 1403 Abs. 1 RVO). Der vorliegende Sachverhalt ist durch die Besonderheit gekennzeichnet, daß zwar der Beschäftigungswechsel bei ein und demselben Arbeitgeber bzw. Dienstherrn stattgefunden hat, gleichzeitig aber der Versicherungszweig, dem der Beigeladene beim Fehlen der Versicherungsfreiheit wegen Versorgungsanwartschaft angehört haben würde, gewechselt worden ist. Schon der Wortlaut des Gesetzes stützt die Auffassung, daß in einem solchen Falle ein Ausscheiden aus der Beschäftigung i. S. des § 1232 Abs. 1 RVO vorliegt. Bei einem nach § 1229 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 oder nach § 1231 Abs. 1 RVO versicherungsfrei Beschäftigten entfallen nämlich diese gesetzlichen Merkmale, sobald er in eine an sich angestelltenversicherungspflichtige, aber wegen der Anwartschaft auf Versorgung weiterhin versicherungsfreie Beschäftigung übertritt; denn dann ist er nicht mehr nach den angeführten Vorschriften der RVO, sondern nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 oder nach § 8 Abs. 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes versicherungsfrei. Der – hier in sozialversicherungsrechtlichem Sinne zu verstehende – Begriff der Beschäftigung im Gefüge der in verschiedene Versicherungszweige gegliederten Rentenversicherung würde verkannt, wenn man die Auffassung vertreten wollte, daß ohne Beendigung des Arbeits- oder Dienstverhältnisses oder gar ohne Wechsel des Dienstherrn ein „Ausscheiden aus der Beschäftigung” i. S. des § 1232 RVO nicht denkbar sei. Das BSG hat bereits in seiner Entscheidung vom 18. Januar 1962 (BSG 16, 112) ausgesprochen, daß ein Nachversicherungsfall – beim Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – auch bei ununterbrochener Fortdauer des Arbeits- oder Dienstverhältnisses gegeben sein kann, wenn durch Änderung der Rechtslage die bisherige Versicherungsfreiheit wegfällt; dabei hat es die „versicherungsrechtliche Umwandlung des Beschäftigungsverhältnisses” dem Ausscheiden i. S. des Gesetzes gleichgestellt (aaO S. 114) Macht man sich in dieser Weise frei von der arbeits- oder dienstrechtlichen Betrachtung der Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses, so muß man auch in dem Übertritt eines Beschäftigten aus einer an sich arbeiterrentenversicherungspflichtigen in eine an sich angestelltenversicherungspflichtige Beschäftigung ein Ausscheiden i. S. des § 1232 Abs. 1 RVO sehen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob dabei der Arbeitgeber gewechselt wird oder nicht. In einem solchen Falle findet insofern eine „versicherungsrechtliche Umwandlung” statt, als der für die Durchführung der etwaigen Nachversicherung in Betracht kommende Versicherungsträger wechselt. Da dann der Zeitraum abgegrenzt ist, für den möglicherweise in der Rentenversicherung der Arbeiter nachzuversichern sein wird, ist nicht ersichtlich, weshalb der Versicherungsträger nicht schon jetzt in die Lage versetzt werden soll, die etwaige Nachversicherung durch Sicherstellung der erforderlichen Unterlagen vorzubereiten. Insofern ist der Wechsel im Versicherungszweig auch bei einer wegen Versorgungsanwartschaft versicherungsfreien Beschäftigung mindestens ebenso einschneidend wie der Wechsel des Arbeitgebers bei jeweils an sich arbeiterrentenversicherungspflichtigen Beschäftigungen. Übereinstimmung mit der von dem erkennenden Senat vertretenen Auffassung hat bereits das Reichsversicherungsamt (AN 1929 IV 261) den Übertritt von einer an sich invalidenversicherungspflichtigen in eine an sich angestelltenversicherungspflichtige Beschäftigung, auch bei demselben Arbeitgeber, als „Ausscheiden aus der früheren Beschäftigung” i. S. des § 1242 RVO aF angesehen. Im Schrifttum zum neuen Recht wird diese Auffassung geteilt von Jantz/Zweng aaO S. 142, 143; Elsholz/Theile aaO, Erl. 2 zu § 1232 RVO und Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. III, S. 626 h III. Demgegenüber wird allerdings auch die Meinung vertreten, ein Wechsel der Beschäftigung bei ein und demselben Arbeitgeber oder Dienstherrn löse die Nachversicherungspflicht nicht aus (Kommentar zur Reichsversicherungsordnung, herausgegeben vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, § 1403 Erl. 4; Eicher/Haase, Die Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, § 1403 Erl. 4; Etmer aaO § 1403 Erl. 3; Koch/Hartmann/v. Altrock/Fürst, Das Angestelltenversicherungsgesetz, § 9 Erl. IV 4a). Ob hiermit jedoch auch der spezielle Fall des Übertritts aus einer an sich arbeiterrentenversicherungspflichtigen in eine an sich angestelltenversicherungspflichtige Beschäftigung erfaßt sein soll, findet in den angeführten Erläuterungsbüchern keinen Ausdruck. Soweit ersichtlich, äußern lediglich Hanow/Lehmann/Bogs/v. Altrock (Reichsversicherungsordnung, 4. Buch, Rentenversicherung der Arbeiter, 5. Aufl., § 1232 Randn. 6 S. 13) Bedenken gegen die Fortführung der Rechtsprechung des Reichsversicherungsamts, sie begründen aber nicht, inwiefern das neue Recht zu einem anderen Ergebnis führen müßte.

Ist somit in dem Übertritt des Beigeladenen in den mittleren Postdienst ein die Nachversicherungspflicht – unter Aufschub der Beitragsnachentrichtung – begründendes Ausscheiden aus einer versicherungsfreien. Beschäftigung zu sehen, so ergibt sich aus § 1402 Abs. 1 RVO, daß die Machversicherung des Beigeladenen in der Rentenversicherung der Arbeiter nach dem im Jahre 1954 gültigen Beitragssatz von 10 v.H. durchzuführen ist (vgl. BSG 1, 219). Insoweit war daher die Beitragsberechnung der Klägerin richtig; ihre Revision gegen das auf einer abweichenden Rechtsauffassung beruhende Berufungsurteil ist begründet.

Dagegen widerspricht die Beitragsberechnung der Klägerin insofern den geltenden Vorschriften, als sie ausnahmslos von dem tatsächlich erzielten Arbeitsentgelt des Beigeladenen ausgeht. Nach dem jedenfalls auf Nachversicherungen, die vor der Rentenreform noch nicht durchführbar waren, hier anzuwendenden § 1402 Abs. 1 RVO (vgl. auch BSG, SozR Nr. 5 zu § 1402 RVO) sind allerdings die Beiträge grundsätzlich nach den im Zeitpunkt des Ausscheidens aus der versicherungsfreien Beschäftigung maßgebenden Vorschriften zu entrichten. Dieser Grundsatz erfährt jedoch eine Änderung durch § 1402 Abs. 2 Satz 3 RVO; hiernach ist der Nachversicherung mindestens ein Monatsentgelt von 150 DM zugrunde zu legen. Der angeführte Satz 3 bezieht sich nicht nur auf Satz 2 – die Nachversicherung eines Beamten für die Zeit seines Vorbereitungsdienstes –, sondern auf alle Fälle der Nachversicherung nach § 1232 RVO. Dies hat der erkennende Senat bereits durch Urteil vom 30. November 1961 (BSG 16, 30) entschieden; er sieht sich nicht veranlaßt, von seiner Rechtsprechung abzugehen. Somit ist das Arbeitsentgelt des Beigeladenen für alle Monate, in denen es unter 150 DM geblieben ist, auf diese Höhe anzuheben. Insoweit ist also der Rechtsauffassung der Beklagten beizupflichten und die Revision der Klägerin unbegründet. Hinsichtlich der Postjungbotenzeit des Beigeladenen, für welche die Klägerin sich nicht nachversicherungspflichtig hält, ist der Rechtsstreit noch nicht zur Entscheidung reif. Für diese von April 1940 bis Ende April 1943 laufende Zeit ist der Beigeladene nur dann nachzuversichern, wenn er ohne die ihm gewährleistete Anwartschaft auf lebenslängliche Versorgung damals der Versicherungspflicht unterlegen hätte. Ob dies der Fall war, richtet sich nach dem zur Zeit der Beschäftigung geltenden Recht. (BSG 1, 219, 222), also nach der von 1940 bis 1943 geltenden Fassung des § 1226 RVO. Danach wäre der Beigeladene versicherungspflichtig gewesen, wenn er „gegen Entgelt (§ 160 RVO) beschäftigt” war. Ob diese Voraussetzung vorlag, hat das LSG nicht geprüft. Die von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen reichen zu einer revisionsgerichtlichen Entscheidung nicht aus; vor allem steht nicht fest, welcher Art. die dem Beigeladenen gewährte „Vergütung” gewesen ist und wie sie sich auf die einzelnen Monate der Postjungbotenzeit verteilt hat. Insoweit bedarf es einer erneuten Verhandlung und Entscheidung in der Tatsacheninstanz.

Nimmt man den noch nicht entscheidungsreifen Teil aus der Beitragsberechnung der Beklagten heraus, so vermindert sich die Lohnsumme von 30,873,05 DM – um 37mal 150 = 5.550 DM – auf 25,323,05 DM. Demgegenüber ist die Klägerin bei der Ermittlung der nachentrichteten Beiträge von einer Entgeltsumme von 22.459,95 DM ausgegangen. Die Differenz von 2.863,10 DM erklärt sich daraus, daß der Beigeladene in den Jahren bis 1948 weniger als 150 DM monatlich verdient, die Beklagte aber diesen Betrag – mit Recht – als Mindestentgelt zugrunde gelegt hat, während die Klägerin vom wirklichen Arbeitsentgelt ausgegangen ist. Da die Beklagte, wie dargelegt wurde, Beiträge nicht nach einem Satz von 14 v.H., sondern nur nach einem solchen von 10 v.H. verlangen darf, beträgt die Beitragsschuld der Klägerin für die Zeit vom 1. Mai 1943 bis 31. Oktober 1954 10 v.H. des obengenannten Betrages von 25.323,05 DM, also 2.532,30 DM. Auf diesen Betrag muß die Beitragsanforderung der Beklagten herabgesetzt werden. Soweit der Rechtsstreit noch nicht zur Entscheidung reif ist, bedarf es der Zurückverweisung an das LSG (§ 170 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG–); dieses wird in seinem abschließenden Urteil auch über die Kosten des Verfahrens zu befinden haben.

 

Unterschriften

Penquitt, Dr. Ecker, Schmitt

 

Fundstellen

BSGE, 136

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