Leitsatz (amtlich)

1. AVG § 146 Abs 1 (= RVO § 1424 Abs 1) gilt auch für Beiträge, die der Arbeitgeber zur Durchführung der Nachversicherung gemäß AVG § 9 iVm § 124 (= RVO § 1232 iVm § 1402) in der irrtümlichen Annahme der Nachversicherungspflicht zu Unrecht entrichtet hat.

2. Die gemäß AVG § 124 Abs 6 S 2 (= RVO § 1402 Abs 6 S 2) vom Versicherungsträger ausgestellte Aufrechnungsbescheinigung ist in der Regel kein Verwaltungsakt, mit dem er über die Beitragspflicht des Arbeitgebers gemäß AVG § 9 iVm §§ 124,125 (= RVO § 1232 iVm § 1402, 1403) entscheidet.

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Einzug der Nachversicherungsbeiträge vollzieht sich - wie der Beitragseinzug bei versicherungspflichtig Beschäftigten - im allgemeinen durch schlichtes Verwaltungshandeln, ohne daß es eines die Nachversicherungspflicht feststellenden Verwaltungsaktes des Rentenversicherungsträgers bedarf; auch die dem Versicherten gemäß RVO § 1402 Abs 6 S 2 (AVG § 124 Abs 6 S 2) vom Rentenversicherungsträger zu erteilende Aufrechnungsbescheinigung über die Durchführung der Nachversicherung stellt in der Regel keinen Verwaltungsakt dar.

 

Normenkette

AVG § 146 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1424 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23; AVG § 124 Abs. 6 S. 2 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1402 Abs. 6 S. 2 Fassung: 1957-02-23; AVG § 125; RVO § 1403; AVG § 9 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1232 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 11. Februar 1969 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Beigeladenen die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Im übrigen sind außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob zu Unrecht entrichtete Nachversicherungsbeiträge gemäß § 146 Abs. 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) zurückgefordert werden können, nachdem der Versicherungsträger eine Aufrechnungsbescheinigung nach § 124 Abs. 6 Satz 2 AVG erteilt hat.

Der Beigeladene trat am 16. Juni 1952 bei der Klägerin als Fernmeldepraktikant ein und wurde am 8. April 1954 als Fernmeldeinspektoranwärter in das Beamtenverhältnis berufen. Nachdem er vom 8. April 1954 bis zum 28. Februar 1957 an der Ingenieurschule der Klägerin studiert hatte, war er anschließend bei ihr als Beamter, zuletzt als technischer Fernmeldeinspektor beschäftigt. Vom 1. November 1961 an war er ohne Dienstbezüge beurlaubt. Am 30. April 1962 schied er ohne Gewährung einer beamtenrechtlichen Versorgung aus und nahm eine versicherungspflichtige Beschäftigung als technischer Angestellter bei einer Büromaschinengesellschaft auf.

Am 17. Oktober 1963 entrichtete die Klägerin für den Beigeladenen für die Zeit vom 16. Juni 1952 bis 7. April 1954 und vom 1. März 1957 bis 31. Oktober 1961 Nachversicherungsbeiträge in Höhe von 4.528,86 DM. Die Beklagte erteilte hierüber am 20. Januar 1964 eine Aufrechnungsbescheinigung nach § 124 Abs. 6 Satz 2 AVG, von der sie der Klägerin und dem Beigeladenen je eine Ausfertigung übersandte.

Im November 1965 bat die Klägerin die Beklagte um Rückzahlung der für die Zeit vom 16. Juni 1952 bis 7. April 1954 entrichteten Nachversicherungsbeiträge in Höhe von 456,40 DM, weil die damalige Beschäftigung des Beigeladenen als Fernmeldepraktikant nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 AVG in der bis zum 31. Dezember 1956 geltenden Fassung (AVG aF) versicherungsfrei gewesen sei. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 27. Januar 1967 und Widerspruchsbescheid vom 24. April 1967 die Rückzahlung ab. Zwar hätten für die genannte Zeit die Voraussetzungen für eine Nachversicherung gemäß § 9 AVG nicht vorgelegen. Nachversicherungsbeiträge könnten aber nicht mehr nach § 146 Abs. 1 AVG zurückgefordert werden, wenn der Versicherungsträger gemäß § 124 Abs. 6 Satz 2 AVG eine nicht angefochtene Aufrechnungsbescheinigung erteilt habe. Diese stelle alsdann einen die Nachversicherungspflicht abschließend regelnden und die Beitragspflicht feststellenden Verwaltungsakt dar, der alle Beteiligten gemäß § 77 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) binde.

Das Sozialgericht (SG) Stuttgart hat mit Urteil vom 14. März 1968 die gegen den Widerspruchsbescheid erhobene Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat - unter Zulassung der Revision - das Urteil des SG sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. Januar 1967 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 1967 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin 456,40 DM zurückzuzahlen (Urteil vom 11. Februar 1969). Nach seiner Auffassung steht die Aufrechnungsbescheinigung der Beklagten vom 20. Januar 1964 der Rückforderung der zu Unrecht entrichteten Nachversicherungsbeiträge gemäß § 146 Abs. 1 AVG nicht entgegen, weil sie ebenso wie die Aufrechnungsbescheinigung nach § 134 Abs. 2 AVG kein Verwaltungsakt sei.

Gegen das Urteil hat die Beklagte Revision eingelegt. Die Revisionsbegründungsfrist ist bis zum 24. Juni 1969 verlängert worden, die Revisionsbegründungsschrift jedoch erst am 25. Juni 1969 beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen. Gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist hat die Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

Die Revision rügt unrichtige Anwendung des § 146 Abs. 1 AVG. Sie hält an ihrer Auffassung fest und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Stuttgart vom 14. März 1968 zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Der Beigeladene ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt.

II

Die Revision der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.

Gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist ist der Beklagten auf ihren Antrag gemäß § 67 Abs. 1 SGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil die Fristversäumnis nicht auf ihrem Verschulden beruht. Durch den Vermerk über die Absendung der Revisionsbegründungsschrift ist glaubhaft gemacht, daß sie am 20. Juni 1969 zur Post gegeben worden ist, also zu einem Zeitpunkt, an dem erfahrungsgemäß mit hinreichender Sicherheit erwartet werden durfte, daß sie bei regelmäßigem Beförderungsverlauf rechtzeitig bis zum 24. Juni 1969 beim Revisionsgericht eingehen würde (BSG in SozR Nr. 17 zu § 67 SGG).

Der Entscheidung des LSG, daß die Beklagte die Nachversicherungsbeiträge im Betrage von 456,40 DM zurückzuzahlen hat, ist beizutreten.

Diese Beiträge hat die Klägerin für den Beigeladenen i. S. des § 146 AVG zu Unrecht entrichtet. § 146 AVG gilt auch für Beiträge, die der Arbeitgeber zur Durchführung der Nachversicherung eines Beschäftigten gemäß § 9 i. V. m. § 124 AVG in der irrtümlichen Annahme der Nachversicherungspflicht zu Unrecht entrichtet hat (RVA AN 32, 192; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung S. 626 s IV; Hanow-Lehmann-Bogs RVO, 4. Buch, Rentenversicherung der Arbeiter, 5. Aufl. § 1402 Rdnr. 11; Köhler, Das Nachversicherungsrecht, 1953 S. 125). Für die Rückforderung zu Unrecht entrichteter Nachversicherungsbeiträge sieht das Gesetz eine von der Vorschrift des § 146 AVG abweichende Regelung nicht vor. Auch die Eigenart des Nachversicherungsverhältnisses (vgl. BSG 12, 179, 181; 27, 164 ff) steht der Anwendung der Vorschrift nicht entgegen. Mit § 146 AVG verfolgt das Gesetz ganz allgemein den Zweck, durch Begründung des Rückforderungsanspruchs eine Vermögensverschiebung wieder rückgängig zu machen, die dadurch eingetreten ist, daß mit der zu Unrecht erfolgten Beitragsentrichtung an eine öffentlich-rechtliche Körperschaft eine Leistung ohne Rechtsgrund bewirkt worden ist (vgl. hierzu Kommentar zur Reichsversicherungsordnung, herausgegeben vom Verband der Rentenversicherungsträger - VerbKom - RVO § 1424 Anm. 3; Gesamtkomm. RVO § 1424 Anm. 1). Dieser Gesetzeszweck gilt in gleicher Weise für den Fall, daß der Arbeitgeber Nachversicherungsbeiträge an den Versicherungsträger zu Unrecht entrichtet hat.

Der Beigeladene war für die Zeit vom 16. Juni 1952 bis zum 7. April 1954 nach § 9 AVG nicht nachzuversichern, weil seine Versicherungsfreiheit auf § 12 Abs. 1 Nr. 4 AVG aF beruhte (Art. 2 § 4 Abs. 1 Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz). Für diese Zeit war mithin ein Nachversicherungsverhältnis gemäß § 9 AVG nicht entstanden. Die Klägerin schuldete der Beklagten deshalb für diese Zeit auch keine Nachversicherungsbeiträge. Sie hat die Beiträge insofern zu Unrecht entrichtet.

Gleichwohl wären diese nichtgeschuldeten Nachversicherungsbeiträge, worauf die Beklagte mit Recht hinweist, dann nicht im Sinne des § 146 Abs. 1 AVG zu Unrecht - ohne Rechtsgrund - entrichtet worden und könnten nicht zurückgefordert werden, wenn sie ihre Rechtsgrundlage in einem nach § 77 SGG für die Beteiligten in der Sache bindend gewordenen Verwaltungsakt finden würden, mit dem die Beitragspflicht der Klägerin für die hier streitige Zeit festgestellt ist, mag dieser bindende Verwaltungsakt auch der materiellen Rechtslage nicht entsprechen. Zu Unrecht wären die Beiträge erst entrichtet, nachdem ein dahingehender Bescheid der Beklagten aufgehoben worden wäre, wie dies auch sonst bei zu Unrecht gewährten Leistungen gilt (BSG 7, 275 ff; 20, 223). Die Beklagte meint, die Aufrechnungsbescheinigung vom 20. Januar 1964, die sie gemäß § 124 Abs. 6 Satz 2 AVG erteilt und dem Beigeladenen sowie in Abschrift der Klägerin übersandt hat, stelle einen solchen bindenden Verwaltungsakt dar. Dem kann indessen nicht beigepflichtet werden.

Die Nachversicherungspflicht tritt gemäß § 9 AVG kraft Gesetzes ein. Sie bildet einen selbständigen Rechtsgrund für die öffentlich-rechtliche Pflicht des Arbeitgebers zur Entrichtung von Beiträgen für die Zeit einer versicherungsfreien Beschäftigung (BSG 27, 164, 165; Jantz-Zweng, Rentenversicherung, 2. Aufl. § 1232 RVO, Anm. I). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG entsteht bei der Nachversicherung das gesetzliche Versicherungsverhältnis und damit in der Regel auch die Pflicht des Arbeitgebers, die Nachversicherungsbeiträge zu entrichten, mit dem unversorgten Ausscheiden des Beschäftigten aus der versicherungsfreien Beschäftigung (BSG 1, 219, 222; 11, 278, 285; 12, 179, 181; 27, 164, 165). Der Arbeitgeber schuldet mithin auf Grund des entstandenen Nachversicherungsverhältnisses die Beiträge für versicherungsfreie Beschäftigte in einem Betrage kraft Gesetzes in ähnlicher Weise wie der Arbeitgeber sonst auf Grund des Versicherungsverhältnisses die Beiträge für versicherungspflichtige Beschäftigte kraft Gesetzes gemäß § 118 AVG laufend zu entrichten hat (BSG 11, 278 f). Schon deshalb kann der Auffassung nicht zugestimmt werden, die Vorschriften des § 124 Abs. 6 AVG stellten klar, daß der Träger der Rentenversicherung auf das Nachversicherungsangebot - des Arbeitgebers - hin einen besonderen Verwaltungsakt zu erlassen habe, der materieller Natur sei und zugleich ein Anerkenntnis im Sinne des § 145 Abs. 3 Satz 2 AVG enthalte (so Koch/Hartmann/von Altrock/Fürst AVG § 9 AVG Anm. III, 5). Im Falle der Nachversicherung genügt vielmehr der Arbeitgeber durch die Entrichtung der Beiträge in einer Summe und durch die Übersendung der Bescheinigung über die versicherungsfreien Beschäftigungszeiten und die Höhe der Bruttoentgelte (einer Entgeltsbescheinigung - vgl. Elsholz-Theile, Die gesetzliche Rentenversicherung, Syn. Kom Nr. 125 Anm. 8 b) an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) gemäß § 124 Abs. 6 Satz 1 AVG im wesentlichen der gleichen gesetzlichen Pflicht, wie sie bei einer versicherungspflichtigen Beschäftigung für den Arbeitgeber besteht, der die Beiträge laufend zu entrichten und zum Nachweis der durch Abführung an eine Einzugsstelle entrichteten Beiträge (§ 133 Abs. 1 AVG) die Beschäftigungszeiten und Arbeitsentgelte in die Versicherungskarte des Beschäftigten einzutragen hat (§ 123 Abs. 1 und 2 AVG). Die Nachversicherung wird somit durch die einmalige Beitragsentrichtung des Arbeitgebers an den Versicherungsträger bereits durchgeführt (Elsholz-Theile a. a. O. Nr. 125 Anm. 1 b), ohne daß ein die Nachversicherung feststellender Verwaltungsakt zuvor oder nachträglich zu ergehen hätte.

Dementsprechend erfüllt die BfA lediglich eine ihr aus dem gesetzlich begründeten Nachversicherungsverhältnis obliegende öffentlich-rechtliche Beurkundungspflicht, wenn sie gemäß § 124 Abs. 6 Satz 2 AVG die in der Arbeitgeberbescheinigung eingetragenen Zeiten und Entgelte in die von ihr auszustellende Aufrechnungsbescheinigung überträgt und sie dem Versicherten zusendet.

Der Zweck, den § 124 Abs. 6 AVG verfolgt, stimmt mit dem überein, der den entsprechenden Vorschriften über die Entgeltsbescheinigungen der Arbeitgeber und über die Aufrechnungsbescheinigungen der Ausgabestellen bei der versicherungspflichtigen Beschäftigung (§§ 123, 134 Abs. 2 AVG) zugrunde liegt. Wie die in die Versicherungskarte vom Arbeitgeber einzutragende Entgeltsbescheinigungen (§§ 123, 133 Abs. 1 AVG) und die von den Ausgabestellen auszustellenden Aufrechnungsbescheinigungen (§ 134 Abs. 2 AVG) nur zum Nachweis der entrichteten Beiträge, der Entgelte und der Beschäftigungszeiten dienen, so kommt auch der nach § 124 Abs. 6 AVG vom Arbeitgeber auszustellenden Entgeltsbescheinigung und der von der BfA dem Versicherten zu erteilenden Aufrechnungsbescheinigung in der Regel nur die Bedeutung zu, die für den Nachweis des Versicherungsverhältnisses rechtserheblichen Tatsachen in der vorgeschriebenen urkundlichen Form festzustellen.

Der Revision kann nicht darin zugestimmt werden, daß bei Durchführung der Nachversicherung "schlichte Verwaltungshandlungen" ausgeschlossen seien. Haben weder der Arbeitgeber noch der Versicherungsträger Zweifel darüber, daß die gesetzlichen Voraussetzungen der Nachversicherung eines Beschäftigten gemäß § 9 AVG vorliegen, so wird die Beitragsentrichtung, die Ausstellung der Entgeltsbescheinigung und die Beurkundung der Zeiten und Entgelte gemäß § 124 Abs. 6 AVG im wesentlichen nach denselben Grundsätzen durchgeführt, die auch sonst bei der laufenden versicherungspflichtigen Beschäftigung und Beitragszahlung gemäß §§ 123, 133, 134 AVG zu beachten sind. Wie sich hier in den meisten Fällen der Beitragseinzug durch "schlichte Verwaltungshandlungen" vollzieht, ohne daß die Einzugsstelle Verwaltungsakte setzt, die eine "Entscheidung" über die Versicherungspflicht, die Beitragspflicht und die Beitragshöhe i. S. des § 121 Abs. 3 AVG enthalten (vgl. hierzu BSG 15, 118, 124), so erfolgt auch bei Durchführung der Nachversicherung gemäß § 9 AVG i. V. m. § 124 AVG der Beitragseinzug der Nachversicherungsbeiträge unmittelbar durch die BfA in der Regel durch "schlichte Verwaltungshandlungen", ohne daß die BfA Verwaltungsakte setzt, mit denen sie über die Nachversicherungspflicht, die Beitragspflicht und die Beitragshöhe "entscheidet".

Hiermit ist bereits gesagt, daß die gemäß § 124 Abs. 6 Satz 2 AVG erteilte Aufrechnungsbescheinigung der BfA, wenn sie sich auf die hier vorgesehenen Angaben beschränkt, nur rechtserhebliche Tatsachen feststellt, aber kein Verwaltungsakt ist, der für einen an dem Nachversicherungsverhältnis Beteiligten mangels Anfechtung im Sinne des § 77 SGG in der Sache bindend werden könnte; denn diese Bescheinigung als reine Beweisurkunde enthält keine Entscheidung in der Sache, die in Bindung erwachsen könnte. Die Vorschrift des § 77 SGG setzt aber einen Verwaltungsakt voraus, mit dem in der Sache entschieden wird. Das wäre nur dann der Fall, wenn die BfA mit einem Verwaltungsakt die sachliche Entscheidung getroffen hätte, daß die Klägerin als Arbeitgeber nach § 9 AVG i. V. m. §§ 124, 125 AVG für die Zeit vom 16. Juni 1952 bis 7. April 1954 die in Frage stehenden Nachversicherungsbeiträge zu entrichten hat. Hieran aber fehlt es gerade.

Der Ausstellung einer Bescheinigung nach § 124 Abs. 6 Satz 2 AVG könnte allenfalls die Bedeutung eines beurkundenden Verwaltungsaktes zukommen; denn als öffentliche Urkunde ist die Bescheinigung dazu bestimmt, in Ansehung von Tatsachen eine besondere Beweiskraft herzustellen. Ein solcher beurkundender Verwaltungsakt enthält über seine Beurkundungswirkung hinaus aber keine Regelung einer Rechtslage, da durch ihn nichts begründet oder geändert wird; die von ihm unmittelbar ausgehende Rechtswirkung erschöpft sich darin, daß die geschaffene öffentliche Beweisurkunde eine erhöhte Beweiskraft hat (vgl. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 9. Aufl. S. 204).

Zwar hat der 11. Senat des BSG in seinem Urteil vom 8. Juli 1970 (SozR Nr. 1 zu § 1412 RVO) entschieden, daß die Eintragung von Ersatz- und Ausfallzeiten in die Versicherungskarte durch den Versicherungsträger ein feststellender Verwaltungsakt ist, mit dem der Versicherungsträger in bindender Weise die Ersatz- und Ausfallzeiten von Versicherten feststellt. Mit Rücksicht auf die weittragende Bedeutung eines die Beitragspflicht feststellenden Bescheides und im Hinblick auf die besonderen für die Nachversicherung ebenfalls geltenden Vorschriften der §§ 145 Abs. 2 und 3, 146 Abs. 1 und 2 AVG könnte jedoch allenfalls ausnahmsweise angenommen werden, daß die bloße Eintragung von Beschäftigungszeiten und Entgelten in die Aufrechnungsbescheinigung ein Verwaltungsakt ist, mit dem die BfA verbindlich feststellt, daß für die eingetragenen Beschäftigungszeiten die Nachversicherung durchzuführen war und daß die Beiträge des Arbeitgebers auf Grund einer ihn treffenden Beitragspflicht zu zahlen waren und wirksam entrichtet sind. Ein über die Beitragspflicht und die Nachversicherung entscheidender Verwaltungsakt liegt dagegen insbesondere dann nicht vor, wenn der Versicherungsträger erkennbar ohne Ermittlung der für eine solche sachliche Entscheidung erforderlichen Tatsachen sich darauf beschränkt hat, die in der Entgeltsbescheinigung des Arbeitgebers enthaltenen Eintragungen nur auf offensichtliche Unvollständigkeiten und offenbare Unrichtigkeiten hin zu prüfen, und sodann die Zeiten und die Entgelte gemäß § 124 Abs. 6 Satz 2 AVG beurkundet und dem Versicherten die Aufrechnungsbescheinigung erteilt und sie auch dem Arbeitgeber übersandt hat (vgl. hierzu BSG in SozR Nr. 3 zu § 1421 RVO sowie BSG 11, 248).

Die verwaltungsmäßige Bearbeitung der Nachversicherungsfälle gemäß § 9 AVG durch die BfA zeigt ebenfalls, daß diese sich in der Regel darauf beschränkt, die Eintragungen des Arbeitgebers in der nach § 124 Abs. 6 Satz 1 AVG ausgestellten Entgeltsbescheinigung auf ihre formelle Vollständigkeit und ihre äußere Richtigkeit zu überprüfen, und daß sie sodann die Zeiten und Entgelte beurkundet und dem Versicherten die Aufrechnungsbescheinigung erteilt. Die für eine sachliche Entscheidung über die Nachversicherungspflicht des Beschäftigten während der einzelnen versicherungsfreien Beschäftigungszeiten und über die Beitragspflicht des Arbeitgebers unentbehrlichen tatsächlichen Feststellungen werden dagegen in der Regel nicht getroffen, wie insbesondere der vorliegende Rechtsstreit zeigt. Auch hier ist keine besondere sachlich-rechtliche Prüfung der Nachversicherungspflicht für die einzelnen Zeiten erfolgt, weil die BfA andernfalls hätte feststellen müssen, daß der Beigeladene für die Zeit vom 16. Juni 1952 bis 7. April 1954 nicht nach § 9 AVG nachzuversichern war.

Da es mithin an einem Verwaltungsakt der Beklagten BfA fehlt, mit dem sie bindend über die Pflicht zur Zahlung der Nachversicherungsbeiträge für die Zeit vom 16. Juni 1952 bis 7. April 1954 sachlich entschieden hat, sind die Beiträge für diese Zeit im Sinne des § 146 Abs. 1 AVG zu Unrecht entrichtet worden, so daß der Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung der Beiträge gegen die BfA - da die sonstigen Voraussetzungen erfüllt sind - begründet ist.

Die Revision der Beklagten muß aus diesen Gründen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 71

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