Leitsatz (amtlich)

Aufgrund eines Dienstherrnwechsels aufgeschobene Nachversicherungsbeiträge (RVO § 1403 Abs 1 Buchst a) Sind keine "nachzuentrichtenden Beiträge" iS des RVO § 1402 Abs 4 S 1; sie bleiben bei der Beurteilung der Frage, ob nach RVO § 1233 das Recht zur freiwilligen Weiterversicherung besteht und deshalb eine Beitragserstattung nach RVO § 1303 Abs 1 ausgeschlossen ist, außer Betracht.

 

Normenkette

RVO § 1303 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23, § 1233 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23, § 1402 Abs. 4 S. 1 Fassung: 1957-02-23, § 1403 Abs. 1 Buchst. a Fassung: 1957-02-23

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 21. Januar 1969 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger auf seinen Antrag die Hälfte der für ihn vom 3. August 1953 bis 13. Oktober 1957 entrichteten Beiträge (= 51 Kalendermonate) gemäß § 1303 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) zu erstatten hat.

Der Kläger ist vom 3. August 1953 bis 13. Oktober 1957 als Zimmerlehrling und -geselle versicherungspflichtig beschäftigt gewesen; für diese Zeit sind in den Quittungskarten Nr. 1 und 2 Pflichtbeiträge zur Arbeiterrentenversicherung nachgewiesen (= 51 Kalendermonate). Vom 16. Oktober 1957 bis 15. Januar 1962 war der Kläger Soldat auf Zeit und vom 16. Januar 1962 bis 31. Dezember 1963 Regierungsassistenten-Anwärter und Regierungsassistent bei der Bundeswehrverwaltung. Seit dem 1. Januar 1964 ist er Beamter bei der Stadtverwaltung W. . Seine Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung für die Zeit vom 16. Oktober 1957 bis zum 31. Dezember 1963 ist nach § 125 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) (= § 1403 RVO) aufgeschoben.

Die Beklagte lehnte es ab, dem Kläger die Hälfte der von 1953 bis 1957 entrichteten Beiträge gemäß § 1303 Abs. 1 RVO zu erstatten, weil einschließlich der Zeit, für welche die Nachversicherung durchzuführen sei, eine Versicherungszeit von 125 Kalendermonaten zurückgelegt sei, so daß der Kläger berechtigt sei, sich in der Arbeiterrentenversicherung freiwillig weiterzuversichern (Bescheid vom 8. Juli 1966).

Der Kläger hat mit der Klage u a geltend gemacht, abgesehen davon, daß er sich eine freiwillige Weiterversicherung als Alleinverdiener seiner Familie nicht leisten könne, beabsichtige er nie, seinen Beamtenberuf aufzugeben, so daß die aufgeschobene Nachversicherung nicht durchgeführt werden könne; außerdem werde ihm die Zeit seiner Tätigkeit, für welche die Nachversicherung aufgeschoben sei, auf seine Beamtendienstzeit angerechnet, so daß er den Höchstanspruch auf Ruhegeld habe, wenn er die Altersgrenze erreiche. Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 8. Juli 1966 für verpflichtet erklärt, dem Kläger die für die Zeit vom 3. August 1953 bis 13. Oktober 1957 entrichteten Beiträge gemäß § 1303 Abs. 1 RVO zur Hälfte zu erstatten. Das SG hat die Berufung zugelassen (Urteil vom 23. Juni 1967). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückgewiesen und die Revision zugelassen (Urteil vom 21. Januar 1969).

Die Beklagte hat gegen dieses Urteil Revision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung des § 1303 Abs. 1 i.V.m. §§ 1233 Abs. 1 (= § 10 Abs. 1 AVG), 1402 Abs. 4 Satz 1 (= § 124 Abs. 4 AVG) und 1403 Abs. 1 und 2 RVO (= § 125 AVG).

Die Beklagte beantragt,

die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 21. Januar 1969 und des Sozialgerichts Bayreuth vom 23. Juni 1967 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 8. Juli 1966 abzuweisen.

Der Kläger ist nicht vertreten.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einverstanden erklärt.

II

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat das LSG zu Recht entschieden, daß die Beklagte nach § 1303 Abs. 1 RVO verpflichtet ist, dem Kläger antragsgemäß die Hälfte der für ihn entrichteten Pflichtbeiträge zu erstatten. Nach § 1303 Abs. 1 Satz 1 RVO ist dem Versicherten auf Antrag ua die Hälfte der für die Zeit nach dem 20. Juni 1948 im Bundesgebiet entrichteten Beiträge zu erstatten, wenn die Versicherungspflicht in allen Zweigen der gesetzlichen Rentenversicherung entfällt, ohne daß nach § 1233 RVO das Recht zur freiwilligen Weiterversicherung besteht. Die erste Voraussetzung dieser Vorschrift, nämlich diejenige des Wegfalls der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Rentenversicherung, ist erfüllt. Wie das LSG zutreffend festgestellt hat, ist der Kläger seit dem 14. Oktober 1957 in allen Zweigen der gesetzlichen Rentenversicherung nicht mehr versicherungspflichtig gewesen, da er am 13. Oktober 1957 seine versicherungspflichtige Tätigkeit als Zimmergeselle beendet hatte, um zunächst Soldat auf Zeit zu werden. Der Kläger hat auch die Antragsfrist des § 1303 Abs. 1 Satz 3 RVO gewahrt, da seit dem Wegfall der Versicherungspflicht zwei Jahre verstrichen sind und der Kläger inzwischen nicht erneut eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt hat.

Dem Berufungsgericht ist im Ergebnis auch darin beizustimmen, daß es das weitere Tatbestandsmerkmal des § 1303 Abs. 1 Satz 1 RVO: "ohne daß nach § 1233 das Recht zur freiwilligen Weiterversicherung besteht" bejaht hat. Das Recht zur freiwilligen Weiterversicherung steht dem zu, der weder nach der RVO noch nach dem AVG, dem Reichsknappschaftsgesetz (RKG) oder dem Gesetz über die Altersversorgung für das Deutsche Handwerk versicherungspflichtig ist und innerhalb von zehn Jahren während mindestens sechzig Kalendermonaten Beiträge für eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit entrichtet hat (§ 1233 Abs. 1 Satz 1 RVO).

Da für den Kläger nur für 51 Kalendermonate Pflichtbeiträge entrichtet worden sind, hängt der Erstattungsanspruch des Klägers davon ab, ob weitere Pflichtbeiträge hinzutreten, um so das Recht zur Weiterversicherung nach § 1233 RVO auszulösen. Dies könnte unter Berücksichtigung des § 124 Abs. 4 Satz 1 AVG (= § 1402 Abs. 4 Satz 1 RVO) der Fall sein, denn nach dieser Vorschrift gelten die nachzuentrichtenden Beiträge als rechtzeitig entrichtete Pflichtbeiträge. Daß der Kläger an sich wegen seiner Dienstzeiten als Soldat auf Zeit sowie als Regierungsassistentenanwärter und -assistent bei der Bundeswehrverwaltung nachzuversichern ist, und zwar wegen seiner letzten Dienststellung als Assistent in der Rentenversicherung der Angestellten (§ 9 AVG), ist nicht zweifelhaft. Indes ist diese Nachversicherung, wie dies auch das Wehrbereichsgebührnisamt V am 15. Dezember 1965 bescheinigt hat, nach § 125 Abs. 1 Buchst. a AVG aufgeschoben, da der Kläger in eine andere in der Rentenversicherung der Angestellten versicherungsfreie Beschäftigung, nämlich als Beamter bei der Stadt Wunsiedel (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 AVG), übergetreten ist. Nach § 125 Abs. 2 AVG wären sonach die Beiträge erst dann zu entrichten, wenn dem Kläger aus dieser den Aufschub begründenden Beschäftigung nach beamtenrechtlichen Vorschriften eine lebenslängliche Versorgung oder an deren Stelle eine Abfindung nicht gewährt werden würde. Trotz des Aufschubes der Nachversicherung möchte die Revision das Recht zur Weiterversicherung unter Berücksichtigung der nachzuentrichtenden Beiträge annehmen. Sie stützt sich dabei vornehmlich auf den Inhalt von drei Schreiben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA), nämlich:

1) des Schreibens des BMA vom 20. Juni 1960 - IV b2-4512-2547/60 an die Arbeitsminister und Senatoren für Arbeit der Länder (BABl 1960, 422 f),

2) des Schreibens des BMA vom 24. Mai 1961 - IV b 2-4512-1957/61 an die Arbeitsminister und Senatoren für Arbeit der Länder (BABl 1961, 496) und

3) des Schreibens des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung an den Verband Deutscher Rentenversicherungsträger vom 26. September 1962 - IV b 2-4512-3221/62.

Der BMA hat sich darin auf § 1402 Abs. 4 RVO (§ 124 Abs. 4 AVG) berufen, wonach die nachzuentrichtenden Beiträge als rechtzeitig entrichtete Beiträge gelten; die Fassung "die nachzuentrichtenden Beiträge" weiche bewußt von § 1242 a RVO aF ab; sie entspreche aber derjenigen des § 2 Abs. 3 der VO vom 4. Oktober 1930 (RGBl I 449) idF der Verordnung vom 5. Februar 1932 (RGBl I 64); sie stelle klar, daß den Nachversicherungsbeiträgen schon vor ihrer Entrichtung eine Rechtswirkung beigemessen werde, die sich nach der Sachlage nur auf das Recht zur Weiterversicherung beziehen könne, so daß bereits vor der aufgeschobenen Nachversicherung die Weiterversicherung zulässig sei, wenn nach dem Inhalt der Aufschubsbescheinigung mit den Nachversicherungszeiten die Voraussetzungen des § 1233 Abs. 1 RVO (§ 10 Abs. 1 AVG) erfüllt seien.

Das LSG ist dem nicht gefolgt. Dafür hat es mehrere Gründe ins Feld geführt. Zum ersten hat es hervorgehoben, daß die Nachversicherung nach § 9 AVG auf tatsächlicher Beitragsentrichtung nach § 124 AVG (= § 1402 RVO) und nicht auf Fiktion wie etwa bei § 72 des Gesetzes zu Art. 131 des Grundgesetzes (GG) beruhe. Trotz der von dem Wortlaut des § 1242 a Abs. 2 RVO aF ("die nachentrichteten Beiträge gelten als rechtzeitig entrichtete Pflichtbeiträge") abweichenden Fassung des § 124 Abs. 4 AVG: "die nachzuentrichtenden Beiträge" will es dieser Fassung keine Bedeutung beimessen und auch hier die Worte "nachentrichteten Beiträge" lesen, gehe doch § 124 Abs. 1 Satz 1 AVG davon aus, daß "der Arbeitgeber die Beiträge zu entrichten" hat. Für seine Auffassung verweist das LSG zudem noch auf den Wortlaut der §§ 124 Abs. 4 Satz 2 AVG ("der Eintritt des Versicherungsfalles steht der Entrichtung der Beiträge nicht entgegen") und 9 Abs. 5 a AVG ("Eine Beschäftigung oder Tätigkeit, für die im Wege der Nachversicherung Beiträge nachentrichtet worden sind, steht einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit gleich"). Als weiteren Grund hat das LSG angeführt: In dem den Aufschub der Nachversicherung regelnden § 125 AVG (= § 1403 RVO) sei von einer Fiktion der aufgeschobenen Beiträge keine Rede. Wenn der Gesetzgeber dem Aufschub der Nachversicherung (§ 125 AVG) die gleiche Wirkung wie der durchgeführten Nachversicherung (§ 124 AVG) habe beimessen wollen, hätte er dies zum Ausdruck bringen müssen. Gerade das sei aber nicht geschehen. Den Aufschub der Nachversicherung mit der Beitragsentrichtung gleichzustellen, hält das LSG ferner für system- und denkgesetzwidrig. Gesetzesmängel solcher Art rechtfertigten nicht das Recht zur Weiterversicherung nach § 10 AVG, die der Gesetzgeber der Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze habe allgemein erschweren wollen. Es liefe auf eine kaum verständliche Bevorzugung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes hinaus, nur bei ihnen den Aufschub der Nachversicherung mit der tatsächlichen Entrichtung von Beiträgen gleichzustellen. Einen weiteren Grund für seine Auffassung entnimmt das Berufungsgericht dem Wort "Aufschub". In dem Wort "Aufschub" komme unmißverständlich ein Schwebezustand zum Ausdruck. Sowohl mit dem Recht der Weiterversicherung als auch mit dem Leistungsrecht vertrage sich jedoch nicht der Zustand einer Ungewißheit der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit sonst allgemein geforderter Mindestbeitragsleistungen als Anspruchsvoraussetzung, und zwar insbesondere dann, wenn wie hier wegen der Gewährleistung der Anwartschaft auf lebenslängliche Versorgung und Hinterbliebenenversorgung die tatsächliche Nachentrichtung geradezu unwahrscheinlich sei. Den letzten Grund für seine Rechtsauffassung sieht das LSG im Wahlrecht des Versicherten, von einem nach den tatsächlichen Verhältnissen gegebenen Erstattungsrecht Gebrauch zu machen und dabei die Folgen des § 1303 Abs. 7 RVO in Kauf zu nehmen oder, ohne weitere Beiträge zu entrichten, weiterhin der Versicherung anzugehören.

Dem LSG ist im Ergebnis beizutreten. Die hier begehrte Beitragserstattung nach § 1303 Abs. 1 RVO soll sich auf solche Beiträge erstrecken, die bereits entrichtet sind. Soweit das Erstattungsverlangen gemäß § 1303 Abs. 1 Satz 1 RVO davon abhängig gemacht wird, daß kein Recht zur freiwilligen Weiterversicherung gemäß § 1233 RVO besteht, geht das Gesetz ersichtlich von dem Gedanken der Fürsorge für den Versicherten aus, indem es ihn jedenfalls dann vor den Folgen der Erstattung - Ausschluß weiterer Ansprüche aus den bisher zurückgelegten Versicherungszeiten und des Rechts zur freiwilligen Weiterversicherung (§ 1303 Abs. 7 RVO) - bewahren will, wenn er noch das Recht zur freiwilligen Weiterversicherung hat. Ebenso wie der Versicherte die Tatsache der bereits entrichteten Beiträge ohne weiteres feststellen kann, muß es für ihn auch unmittelbar einsichtig sein, ob er das Recht der freiwilligen Weiterversicherung hat. Wenn dies indes im Zeitpunkt seines Erstattungsantrages für ihn nicht überschaubar ist, ist ihm das vom Gesetz zugestandene Recht, zwischen der Erstattung der Beiträge nach § 1303 RVO und dem Stehenlassen der Beiträge zu wählen, wenn nicht vollends genommen, so doch zumindest beträchtlich erschwert. Gerade dies wäre der Fall, wenn - wie hier - die Nachversicherung aufgeschoben worden ist, weil der Beschäftigte seinen Dienstherrn gewechselt hat (§ 125 Abs. 1 Buchst. a AVG) und man mit der Beklagten und dem BMA annehmen wollte, auch aufgeschobene Nachversicherungsbeiträge (§ 125 AVG) fielen unter die Fiktion des § 124 Abs. 4 Satz 1 AVG (= § 1402 Abs. 4 Satz 1 RVO) und könnten daher bei der Beurteilung des Rechts zur Weiterversicherung (§ 1233 RVO) zugunsten des Versicherten berücksichtigt werden. Aus der Natur der Sache wäre dann indes im Zeitpunkt des Antrags auf Beitragserstattung ungewiß, ob die wegen des Dienstherrnwechsels an sich notwendige Nachversicherung jemals verwirklicht werden könnte, also die nachzuentrichtenden Beiträge auch geleistet werden müßten (vgl. Koch/Hartmann/von Altrock/Fürst, AVG, § 9 B III 6 S. V 111; Hanow/Lehmann/Bogs/von Altrock, RVO, 4. Buch, Rentenversicherung der Arbeiter, § 1233 Anm. 5). Diese Ungewißheit beeinträchtigt die für die Entschließung des Berechtigten erforderliche Überschaubarkeit beider Wahlmöglichkeiten, so daß von einem echten Wahlrecht nicht mehr gesprochen werden kann. Schon diese Erwägung und das Ergebnis führen dazu, aufgeschobene Nachversicherungsbeiträge im Recht der Weiterversicherung nicht als entrichtete Beiträge anzusehen, so daß der Kläger berechtigt ist, die Beitragserstattung gemäß § 1303 Abs. 1 Satz 1 RVO von der Beklagten zu fordern.

Zudem kann sich der Senat der Rechtsansicht der Beklagten aus weiteren Gründen nicht anschließen: Die Meinung, auch aufgeschobene Nachversicherungsbeiträge seien ohne weiteres von der Fiktion des § 124 Abs. 4 Satz 1 AVG gedeckt, übersieht, daß dazu schon der Wortlaut dieser Vorschrift nichts hergibt. Von aufgeschobenen Nachversicherungsbeiträgen ist dort keine Rede. Auch fehlt in § 125 AVG eine Verweisung auf § 124 Abs. 4 Satz 1 AVG. Einer in diese Richtung gehenden, ausdrücklichen Regelung hätte es jedoch bedurft, weil die aufgeschobene Nachversicherung ihrem Wesen nach die unmittelbare Beitragsleistung ausschließt, wie dies bei der Nachversicherung nach § 124 AVG stets der Fall ist. Es darf nämlich nicht übersehen werden, daß der infolge Dienstherrnwechsels herbeigeführte Aufschub der Nachversicherung in seiner Wirkung nicht anders zu beurteilen ist, als hätte der Beschäftigte seinen Dienst bei seinem ersten Dienstherrn noch nicht beendet, so daß eine Nachversicherung überhaupt noch nicht in Frage steht. Während die eigentliche Nachversicherung (§ 124 AVG) die Beitragsleistung einschließt, fehlt es hieran bei der aufgeschobenen Nachversicherung. Dem läßt sich auch nicht mit dem Hinweis begegnen, damit werde die gerade zugunsten des Versicherten bewußt gewählte, von der Fassung des § 1242 a Abs. 2 RVO aF ("Die nachentrichteten Beiträge gelten als rechtzeitig entrichtete Pflichtbeiträge") abweichende Wortfassung des § 124 Abs. 4 Satz 1 AVG ("Die nachzuentrichtenden Beiträge gelten als rechtzeitig entrichtete Pflichtbeiträge"), die einen Vorläufer in § 2 Abs. 3 der Verordnung vom 4. Oktober 1930 (RGBl 1930, 459) idF der Verordnung vom 5. Februar 1932 (RGBl 1932, 64) gehabt habe ("Für die Zulässigkeit der freiwilligen Weiterversicherung gelten die nachzuentrichtenden Beiträge als beim Ausscheiden aus der versicherungsfreien Beschäftigung entrichtet"), nicht gebührend beachtet. Es kann entgegen der Auffassung des LSG durchaus ein Sinn darin gesehen werden, daß die "nachzuentrichtenden Beiträge" (§ 124 Abs. 4 Satz 1 AVG) als rechtzeitig entrichtete Pflichtbeiträge gelten, weil so auf die Rechtspflicht zur Nachversicherung abgehoben wird, ohne daß es darauf ankommt, ob die Nachversicherungsbeiträge auch bereits geleistet worden sind, auf einen Umstand also, auf den der Berechtigte kaum Einfluß hat. Insoweit kann dem BMA beigepflichtet werden, daß eine vorzeitige Rechtswirkung von noch zu leistenden Nachversicherungsbeiträgen ausgelöst wird. Diese Rechtswohltat knüpft aber daran an, daß nicht nur die Rechtspflicht zur Nachversicherung besteht, sondern daß die Nachversicherungsbeiträge auch fällig sind, so daß jedenfalls ihre tatsächliche Entrichtung alsbald zu erwarten ist. Das Letztere fehlt aber beim Aufschub der Nachversicherung, wie dies auch die Revision gelten läßt, die zwischen der Pflicht zur Nachversicherung und der sich daraus ergebenden Folge der Beitragsentrichtung unterscheiden möchte. Daher ist die Fiktion des § 124 Abs. 4 Satz 1 AVG zum einen auf bereits entrichtete Nachversicherungsbeiträge - daß diese dort nicht erwähnt sind, ist ein redaktioneller Fehler - und zum anderen auf nach § 124 AVG (§ 1402 RVO) fällige und alsbald nachzuentrichtende Beiträge anzuwenden, nicht aber auf solche Nachversicherungsbeiträge, deren Entrichtung nach § 125 AVG (§ 1403 RVO) aufgeschoben ist.

Da danach im Falle des Klägers keine weiteren Pflichtbeiträge entrichtet sind, hat dieser nicht das Recht zur Weiterversicherung, so daß seinem Begehren auf Beitragserstattung nichts im Wege steht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 177

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