Gesetzestext

 

Der Schuldner hat die Zustimmung des Gläubigerausschusses einzuholen, wenn er Rechtshandlungen vornehmen will, die für das Insolvenzverfahren von besonderer Bedeutung sind. § 160 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, § 161 Satz 2 und § 164 gelten entsprechend.

1. Bisherige gesetzliche Regelung

 

Rn 1

Die Vorschrift wurde bei Neuschaffung der Insolvenzordnung mit Gesetz vom 5.10.1994 (BGBl. I S. 2866) eingeführt und gilt seitdem unverändert.

2. Allgemeines

 

Rn 2

Will der Schuldner Rechtshandlungen vornehmen, die für das Insolvenzverfahren von besonderer Bedeutung sind, schränkt § 276 die Freiheit des Schuldners in der Eigenverwaltung noch über § 275 hinaus ein, wonach er sich schon bezüglich des allgemeinen Geschäftsbetriebes mit dem Sachwalter abzustimmen hat. Die – zusätzlich durchzuführende – Entscheidung über die Vornahme besonders bedeutsamer Rechtshandlungen durch den Gläubigerausschuss bzw. durch die Gläubigerversammlung betont daher die Bedeutung der Gläubigerautonomie.

 

Rn 3

Im Eröffnungsverfahren nach § 270a ist § 276 noch nicht anzuwenden. Das ergibt sich daraus, dass die Regelung des Eröffnungsverfahrens in § 270a Abs. 1 Satz 2 auf §§ 274, 275 verweist, wo die Mitwirkung des Sachwalters geregelt ist, nicht jedoch auf die Vorschrift des § 276, der die Mitwirkung des Gläubigerausschusses regelt.

3. Bedeutsame Rechtshandlungen

 

Rn 4

§ 276 verweist weitestgehend vollständig auf § 160 und verlangt damit vom Schuldner, vor der Vornahme bedeutender Rechtshandlungen die Zustimmung der Gläubiger einzuholen. Er enthält aber keine abschließende begriffliche Regelung oder Definition, welche Rechtshandlungen als besonders bedeutsam anzusehen sind. Stattdessen zählt § 160 Abs. 2 Regelbeispiele dafür auf. Nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 ist besonders bedeutsam, wenn das Unternehmen oder ein Betrieb, das Warenlager im ganzen, ein unbeweglicher Gegenstand aus freier Hand, die Beteiligung des Schuldners an einem anderen Unternehmen, die der Herstellung einer dauernden Verbindung zu diesem Unternehmen dienen soll, oder das Recht auf den Bezug wiederkehrender Einkünfte veräußert werden soll. Nach § 160 Abs. 2 Nr. 2 ist besonders bedeutsam, wenn ein Darlehen aufgenommen werden soll, das die Insolvenzmasse erheblich belasten würde und nach § 160 Abs. 2 Nr. 3, wenn ein Rechtsstreit mit erheblichem Streitwert anhängig gemacht oder aufgenommen, die Aufnahme eines solchen Rechtsstreits abgelehnt oder zur Beilegung oder zur Vermeidung eines solchen Rechtsstreits ein Vergleich oder ein Schiedsvertrag geschlossen werden soll. Die Aufzählung der Regelbeispiele ist strikt und scheint keine Ausnahme zuzulassen. Selbst bei Veräußerung einer für den Betrieb nicht erforderlichen und ersichtlich über Wert belasteten Immobilie aus freier Hand und Zustimmung aller Grundpfandrechtsgläubiger hat der Schuldner also die Zustimmung einzuholen.

 

Rn 5

Die Aufzählung in § 160 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 ist aber nicht abschließend, so dass auch andere Rechtshandlungen zustimmungsbedürftig sein können. Die Entscheidung über die besondere Bedeutsamkeit ist dann im Einzelfall zu treffen. Dabei spielen verschiedene Kriterien eine Rolle, die Art und Umfang der Rechtshandlung ebenso berücksichtigen müssen wie die Besonderheiten des Schuldnerunternehmens.[1] Die Festlegung einer Wertgrenze in absoluten Beträgen ist nicht möglich und wegen des großen Spektrums der denkbaren Insolvenzmassendimensionen auch nicht sinnvoll. Ausschlaggebend ist vielmehr, ob die Rechtshandlung eine bedeutende Relevanz für die Insolvenzquote[2] oder für die Position der Aus- und Absonderungsberechtigten haben kann. Bei letzteren ist allerdings zu berücksichtigen, dass bereits die §§ 48, 168 einen Schutz bewirken, so dass eine darüber hinaus gehende Besonderheit der Bedeutung vorliegen muss, sofern die Bedeutsamkeit der Rechtshandlung alleine in der Betroffenheit der Aus- oder Absonderungsberechtigten alleine liegt. Aus dem Merkmal der Quotenrelevanz folgt auch, dass Rechtshandlungen, die einen wesentlichen Anteil der zu erwartenden Insolvenzmasse betreffen oder erhebliche (Haftungs-)Risiken auslösen, zustimmungsbedürftig sind. Bei der Frage nach der besonderen Bedeutsamkeit ist auch zu sehen, ob der Gläubigerausschuss oder die Gläubigerversammlung bereits ihren Willen geäußert haben, so dass bei einer durch die Gläubiger beschlossenen Fortführung die dem Fortführungskonzept zugrunde gelegten Rechtshandlungen nur noch dann eine besondere Bedeutung erlangen können, wenn sich die ursprünglich vorliegenden Umstände oder Pläne geändert haben. Zu berücksichtigen ist auch, ob dem Schuldner überhaupt ein Handlungs- oder Beurteilungsspielraum zur Verfügung steht. Je eingeschränkter die Handlungsalternativen oder die Möglichkeiten für eine abweichende rechtliche Wertung sind, desto weniger kann man vom Schuldner verlangen, vorher die Zustimmung der Gläubiger einzuholen.

 

Rn 6

Die Gläubigerversammlung oder der Gläubigerausschuss können auch Kriterien dafür aufstellen, welche Rechtshandlungen als besonders bedeutsam erachtet werden.[3] Eine Pflicht zur Durchführung der Rechtshandlung ergibt sich aus der Z...

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