Gesetzestext

 

(1) 1Der Insolvenzverwalter hat die Zustimmung des Gläubigerausschusses einzuholen, wenn er Rechtshandlungen vornehmen will, die für das Insolvenzverfahren von besonderer Bedeutung sind. 2lst ein Gläubigerausschuss nicht bestellt, so ist die Zustimmung der Gläubigerversammlung einzuholen. 3lst die einberufene Gläubigerversammlung beschlussunfähig, gilt die Zustimmung als erteilt; auf diese Folgen sind die Gläubiger bei der Einladung zur Gläubigerversammlung hinzuweisen.

(2) Die Zustimmung nach Absatz 1 ist insbesondere erforderlich,

1. wenn das Unternehmen oder ein Betrieb, das Warenlager im ganzen, ein unbeweglicher Gegenstand aus freier Hand, die Beteiligung des Schuldners an einem anderen Unternehmen, die der Herstellung einer dauernden Verbindung zu diesem Unternehmen dienen soll, oder das Recht auf den Bezug wiederkehrender Einkünfte veräußert werden soll;
2. wenn ein Darlehen aufgenommen werden soll, das die Insolvenzmasse erheblich belasten würde;
3. wenn ein Rechtsstreit mit erheblichem Streitwert anhängig gemacht oder aufgenommen, die Aufnahme eines solchen Rechtsstreits abgelehnt oder zur Beilegung oder zur Vermeidung eines solchen Rechtsstreits ein Vergleich oder ein Schiedsvertrag geschlossen werden soll.

1. Allgemeines

 

Rn 1

Entsprechend den früheren Regelungen in der KO und der GesO geht auch die InsO davon aus, dass "Wichtigkeit, Tragweite und Ungewöhnlichkeit"[1] einzelner Handlungen ein Mitwirken der Gläubigerschaft erfordern. So sind auch weiterhin bestimmte, in §§ 160 bis 162 aufgeführte Rechtsgeschäfte des Verwalters (vor ihrem Abschluss) zustimmungsbedürftig. Die InsO übernimmt insoweit allerdings nicht die starre Regelung der KO, sondern lehnt sich an die GesO an, nach der bereits keine abschließende Aufzählung galt; vielmehr sind alle Rechtshandlungen "von besonderer Bedeutung" zustimmungspflichtig und die aufgezählten Fälle sind Beispiele. Durch die entsprechende Formulierung der Generalklausel bzw. der Beispiele in § 160 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 werden nur noch wirtschaftliche Vorgänge von einigem Gewicht erfasst, andererseits gilt in den Fällen wirtschaftlicher Relevanz das Zustimmungserfordernis nunmehr generell.

[1] Vgl. Motive zur Konkursordnung, S. 354 sowie Uhlenbruck-Zipperer, § 160 Rn. 15.

2. Zustimmungspflichtige Rechtshandlungen

2.1 Rechtshandlungen von besonderer Bedeutung (Abs. 1 Satz 1)

 

Rn 2

Durch die Generalklausel in Abs. 1 Satz 1 wird sichergestellt, dass die Gläubiger an Rechtshandlungen von besonderer Bedeutung des Verwalters beteiligt werden. Dem Charakter einer Generalklausel entsprechend ist diese Aufzählung nicht abschließend. Die Berücksichtigung nur der wirtschaftlich für das Verfahren bedeutungsvollen Vorgänge soll die Abwicklung für den Verwalter flexibler gestalten.[2] Andererseits wird davon ausgegangen, dass die in § 160 Abs. 2 genannten Vorgänge so wichtig sind, dass in jedem Fall eine Zustimmung der Gläubigerschaft notwendig ist. Nicht mehr grundsätzlich zu den wirtschaftlich bedeutenden Fällen zählt seit Einführung der InsO die Anerkennung eines Aussonderungsrechts (vgl. § 47 Rn. 104), hier kommt es auf den Einzelfall und dessen wirtschaftliche Bedeutung an.[3]

 

Rn 3

Entscheidend ist bei allen Tatbeständen immer, dass die Rechtshandlungen eine für die Masse erhebliche Wirkung mit sich bringen. Zum Teil wird als Faustregel die Grenze der Bedeutsamkeit dann als überschritten angesehen, wenn das jeweilige Rechtsgeschäft bzw. die jeweilige Handlung einen Betrag von mehr als 10 % der Masse betrifft[4]. Sofern es sich hierbei nicht um eine starre Grenze handelt, kann dem als Indikation grundsätzlich zugestimmt werden, wobei als absoluter Sockelbetrag mindestens 25 000 EUR bis 50 000 EUR festgelegt werden sollten, da der Verwalter anderenfalls in wenig massereichen Verfahren durch ständige Zustimmungserfordernisse in der praktischen Abwicklung unnötig behindert würde.

Von der Generalklausel erfasst werden – bei vorausgesetzter besonderer Bedeutung – z.B. das Erfüllungsbegehren des Insolvenzverwalters nach § 103 bei wirtschaftlich bedeutsamen Verträgen[5], die Freigabe massezugehöriger Gegenstände[6], die Eingehung neuer Dauerschuldverhältnisse[7] oder In-Sich-Geschäfte des Verwalters[8].

[2] Uhlenbruck-Zipperer, § 160 Rn. 15.
[3] Uhlenbruck-Zipperer, § 160 Rn. 16.
[4] A. A. und für die Anwendung qualitativer Maßstäbe im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung FK-Wegener, § 160 Rn. 3; MünchKomm-Janssen, § 160 Rn. 8, 9; HambKomm-Decker, § 160 Rn. 2.
[5] Kübler/Prütting/Bork-Webel, § 160 Rn. 20; HambKomm-Decker, § 160 Rn. 2.
[6] Kübler/Prütting/Bork-Webel, § 160 Rn. 20; Uhlenbruck-Zipperer, § 160 Rn. 16.
[7] MünchKomm-Janssen, § 160 Rn. 25; HambKomm-Decker, § 160 Rn. 2.
[8] MünchKomm-Janssen, § 160 Rn. 25; Uhlenbruck-Zipperer, § 160 Rn. 17.

2.2 Regelbeispiele (Abs. 2)

 

Rn 4

Angesichts der Qualifizierung des Abs. 1 Satz 1 als Generalklausel kommt den in Abs. 2 geregelten Fällen der Charakter von Regelbeispielen zu. Da diese überwiegend den Regelungen der früheren §§ 133, 134 KO entsprechen, bleiben für die Auslegung die Literatur und Rechtsprechung zur KO anwendbar.

2.2.1 Veräußerungen (Abs. 2 Nr. 1)

– Unternehmen, Betrieb oder Warenlager im Ganzen

 

Rn 5

Erforderlich ist eine Zustimmung des Gläubigerausschusses oder ...

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