Gesetzestext

 

(1) 1Ist der Antrag des Schuldners auf Eigenverwaltung nicht offensichtlich aussichtslos, so soll das Gericht im Eröffnungsverfahren davon absehen,

1. dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot aufzuerlegen oder
2. anzuordnen, dass alle Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind.

2Anstelle des vorläufigen Insolvenzverwalters wird in diesem Fall ein vorläufiger Sachwalter bestellt, auf den die §§ 274 und 275 entsprechend anzuwenden sind.

(2) Hat der Schuldner den Eröffnungsantrag bei drohender Zahlungsunfähigkeit gestellt und die Eigenverwaltung beantragt, sieht das Gericht jedoch die Voraussetzungen der Eigenverwaltung als nicht gegeben an, so hat es seine Bedenken dem Schuldner mitzuteilen und diesem Gelegenheit zu geben, den Eröffnungsantrag vor der Entscheidung über die Eröffnung zurückzunehmen.

1. Bisherige gesetzliche Regelung

 

Rn 1

Bisher existierte keine besondere Regelung für das Eröffnungsverfahren bei der Eigenverwaltung. § 270a wurde durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG)[1] eingeführt. In der Praxis des alten Rechts wurde trotz des Antrages auf Anordnung der Eigenverwaltung regelmäßig ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, von dessen Zustimmung die Wirksamkeit der Verfügungen des Schuldners abhängig war.

[1] Gesetz vom 7.12.2011 (BGBl. I, S. 2582).

2. Eröffnungsverfahren bei Eigenverwaltung (Abs. 1)

 

Rn 2

Die Vorschrift betrifft die nach § 21 InsO grundsätzlich auch im Rahmen einer vorläufigen Eigenverwaltung anzuordnenden Sicherungsmaßnahmen, die erforderlich erscheinen, um bis zur Entscheidung über den Antrag eine den Gläubigern nachteilige Veränderung der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten.

 

Rn 3

Das Eigenverwaltungsverfahren bietet dem Schuldner einen besonderen Anreiz, da es ihm ermöglicht, auch weiterhin selbst die Geschicke des Unternehmens bestimmen zu können. Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis soll nach der gesetzlichen Regelung grundsätzlich bei ihm verbleiben. Problematisch war bisher, wie in der Zeit zwischen der Stellung des Insolvenzantrages und der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Anordnung der Eigenverwaltung verfahren werden sollte. Unterhält ein Schuldner einen laufenden Geschäftsbetrieb – wie es bei Beantragung der Eigenverwaltung regelmäßig sein wird – besteht im Normalfall ein Bedürfnis zur Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nach §§ 21 ff. Damit wäre aber der Vorteil der Eigenverwaltung insbesondere in den Fällen, in denen ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wird, bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens schon wieder zunichte gemacht. Für diesen Fall sieht § 270a zusammen mit § 270b eine besondere Regelung vor, die es verhindert, dass der Schuldner die Verfügungsmacht über sein Unternehmen verliert, sofern nur sein Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung nicht offensichtlich aussichtslos ist. Das Vertrauen der Geschäftspartner des Schuldners in dessen Sanierungskonzept wird mit dieser Konzeption also nicht dadurch gefährdet, dass ein bislang Unbeteiligter als vorläufiger Insolvenzverwalter unvorhergesehene Maßnahmen ergreift.[2]

 

Rn 4

Nicht geregelt ist allerdings, ob das Gericht zur Feststellung der "offensichtlichen" Aussichtslosigkeit des Antrags von Amts wegen Ermittlungen anstellen darf oder nicht. Hierzu wird vertreten, dass die Beschränkung auf Offensichtliches den Insolvenzgerichten die Ermittlung von Amts wegen verwehrt.[3] Das ist aber nicht zutreffend, weil das Gericht nach § 5 den Amtsermittlungsgrundsatz zu beachten hat, der weder nach dem Gesetzeswortlaut noch nach der Gesetzesbegründung ausdrücklich eingeschränkt wurde. Danach kann es den Schuldner zumindest nach den Nachteilen befragen, die nach § 270 Abs. 2 Nr. 2 nicht durch die Eigenverwaltung eintreten dürfen. Die Bestellung eines Sachverständigen ist lediglich in der Phase bis zur Entscheidung des Gerichts über den Antrag nach § 270b ausgeschlossen.[4] Der Schuldner sollte bei Antragstellung daher unbedingt Ausführungen hierzu machen, weil er ansonsten Nachfragen durch das Gericht und damit zeitliche Verzögerung riskiert. Nicht ausreichend ist dagegen, wenn der Antragsteller sich hierzu nicht einlässt und schlichtweg keine Angaben macht. Es kann vom Insolvenzgericht nicht erwartet werden, dass es dem Schuldner auf einer nicht vorhandenen Tatsachengrundlage trotz vorliegender Insolvenz einen Vertrauensvorschuss gibt und von Sicherungsmaßnahmen absieht.

 

Rn 5

Das Gericht "soll" nach § 270a von bestimmten – öffentlichkeitswirksamen – Sicherungsmaßnahmen (allgemeines Verfügungsverbot; Zustimmungsvorbehalt) absehen, wenn der Antrag nicht offensichtlich aussichtslos ist. Die Vorschrift räumt dem Insolvenzgericht daher kein freies ("kann"), sondern ein intendiertes Ermessen ein, wonach das Gericht im Regelfall – nicht aber in atypischen Fällen – von der Anordnung der Sicherungsmaßnahmen abzusehen hat. Ein solcher atypischer Fall kann z.B. dann vorliegen, wenn der Antrag des Schuldners auf Eigenverwaltung zwar nicht offensichtlich aber doch weit überwiegend aussichtslos ist und ...

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