Rn 37

§ 22 Abs. 2 sieht vor, dass das Gericht die Pflichten des vorläufigen Insolvenzverwalters in dem Beschluss über die Anordnung dieser Sicherungsmaßnahme im Einzelnen festlegt, wenn dem Schuldner kein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt wurde.

 

Rn 38

Auch für die Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters ohne Verfügungsbefugnis gilt die vollständige Verweisung in § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1. Lediglich § 61 ist nicht anwendbar, da dem schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter die Möglichkeit der Eingehung von Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 2 fehlt (zur Haftung bei der Erteilung von Einzelermächtigungen s. u. Rdn. 61). Gleichwohl muss schon aus Fürsorgegesichtspunkten gegenüber dem vorläufigen Insolvenzverwalter vom Gericht vor dessen Bestellung geprüft werden, ob angesichts der im Einzelfall festgelegten Kompetenzen die sich aus den Verweisungsvorschriften ergebenden Verpflichtungen auch erfüllt werden können, da die Verweisungsregelung in § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 nicht zur Disposition des Gerichts steht.

3.1 Originäre Pflichten

 

Rn 39

Unabhängig von der konkreten Pflichten- und Kompetenzzuweisung durch das Gericht ergeben sich aus der bloßen Stellung als vorläufiger Insolvenzverwalter bereits originäre Pflichten. Dabei gebietet die Maxime der Rechtsklarheit gerade auch im Hinblick auf die haftungsrechtlichen Folgen eine Zurückhaltung bei der Annahme ungeschriebener Pflichten.[70]

 

Rn 40

So obliegt jedem vorläufigen Insolvenzverwalter – ungeachtet einer spezifischen gerichtlichen Pflichtenzuweisung – die Überwachung des Schuldners.[71] Aus dem Zweck der Überwachungspflicht leitet die Rechtsprechung für den vorläufigen Insolvenzverwalter ferner eine originäre Pflicht zur Sicherung und Erhaltung des Schuldnervermögens ab.[72] Um dieser nachzukommen, wird der vorläufige Verwalter die vorhandenen Vermögenswerte erfassen und ein Inventar erstellen müssen.[73] Weiterhin ergibt sich eine Anzeigepflicht für massegefährdendes Verhalten des Schuldners.[74] Zur konkreten Ausgestaltung der Überwachungs- und Sicherungspflicht kann auf die Ausführungen zum starken vorläufigen Insolvenzverwalter verwiesen werden (s. o. Rdn. 13 ff.). Allerdings müssen auch im Hinblick auf die Sicherungsfunktion die Unterschiede in der Verfügungsbefugnis beachtet werden. So kann – im Gegensatz zum starken vorläufigen Insolvenzverwalter (Rdn. 14) – ein schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter nicht selbst eine Besitzschutzklage wegen verbotener Eigenmacht anstrengen.[75]

 

Rn 41

Demgegenüber ist die Vorbereitung der gerichtlichen Entscheidung i. S. v. § 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 keine originäre Pflicht des schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters. Er muss mithin nicht prüfen, ob das Vermögen des Schuldners die Verfahrenskosten decken wird oder ob ein Eröffnungsgrund vorliegt, wenn keine ausdrückliche Festlegung durch das Gericht erfolgt.[76] Die gesetzliche Regelung ist insoweit eindeutig. Zwar ist der Gegenauffassung zuzugestehen, dass § 22 Abs. 3 Auskunftsrechte für alle Arten der vorläufigen Insolvenzverwaltung gleichermaßen regelt, daraus kann aber nicht zwingend der Schluss auf eine originäre Prüfungspflicht im oben genannten Sinne gezogen werden. Auch für die originäre Pflicht zur Überwachung des Schuldners (s. o. Rdn. 40) benötigt der Verwalter nämlich Auskunftsrechte.

[70] HambKomm-Schröder, § 22 Rn. 105a.
[72] BGH ZInsO 2011, 1463, Tz. 49. Ebenso: MünchKomm-Haarmeyer, § 22 Rn. 29.
[73] Vgl. Uhlenbruck-Vallender, § 22 Rn. 9 m. w. N.
[75] LG Leipzig ZInsO 2006, 1003; a. A. HK-Rüntz/Laroche, § 22 Rn. 62.
[76] HK-Rüntz/Laroche, § 22 Rn. 32; a. A. Uhlenbruck-Vallender, § 22 Rn. 7.

3.2 Gerichtliche Pflichtenzuweisung

 

Rn 42

Neben den originären Pflichten, müssen alle übrigen Pflichten und Befugnisse dem vorläufigen Insolvenzverwalter des § 22 Abs. 2 ausdrücklich durch einen gerichtlichen Beschluss zugewiesen werden. Die damit in der Praxis einhergehenden Schwierigkeiten liegen auf der Hand. Das Gericht muss, ohne umfangreiche eigene Ermittlungen durchgeführt zu haben, auf unsicherem Grund die Handlungsanforderungen an einen vorläufigen Insolvenzverwalter im Rahmen des gerade anlaufenden Eröffnungsverfahrens erkennen und entsprechende Pflichten festlegen. Daher empfiehlt es sich für das Gericht, vor Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung ohne allgemeines Verfügungsverbot die jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Dies wird nur durch kurzfristige Einsetzung eines vorgeschalteten (isolierten) Sachverständigen nach § 5 Abs. 1 möglich sein mit dem Auftrag, die individuellen Verhältnisse im Schuldnerunternehmen festzustellen und zu den notwendigen Mindestkompetenzen eines vorläufigen Insolvenzverwalters ohne Verfügungsmacht zu berichten.

3.2.1 Grenzen der Zuweisung

 

Rn 43

Die Obergrenze ist dabei durch § 22 Abs. 2 Satz 2 vorgegeben. Wird dem Schuldner kein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt, dürfen dem vorläufigen Verwalter keine Pflichten übertragen werden, die über diejenigen eines starken vorläufigen Verwalters hinausgehen. Daraus folgt auch, dass d...

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