Rn 2

Zunächst ist von besonderer Bedeutung die Frage nach der Stilllegung oder Fortführung des schuldnerischen Unternehmens. Im Anschluss an den Bericht des Verwalters (§ 156) und damit in Kenntnis der für diese Entscheidung benötigten Informationen sollen die Gläubiger vorrangig entscheiden, ob das Unternehmen des Schuldners stillgelegt oder vorläufig fortgeführt werden soll. Der Bericht des Verwalters gemäß § 156 soll die Grundlage der Entscheidung der Gläubiger darstellen. Der Bericht des Insolvenzverwalters sollte die Chancen und Risiken der zur Verfügung stehenden Optionen hinreichend dargestellt haben (dazu § 156 Rdn. 10 ff.). Ist der Bericht des Verwalters schuldhaft unvollständig oder fehlerhaft und fällen die Gläubiger aufgrund dieser Tatsache eine Entscheidung, aus der für die Insolvenzmasse ein Schaden entsteht, kann den Insolvenzverwalter insoweit eine persönliche Haftung aus § 60 treffen (dazu § 156 Rdn. 16). Die Gläubiger sind allerdings nicht gezwungen, sich in ihrer Entscheidung nach dem Bericht des Verwalters zu richten. Treffen sie eine – u.U. sogar sachfremde – Entscheidung, hat sich der Verwalter gleichwohl danach zu richten.

 

Rn 3

Folglich kann die Versammlung wählen, ob der Betrieb zerschlagen und in seinen Einzelteilen verwertet (Liquidation), durch Investitionen die Wettbewerbs- und Renditefähigkeit des Unternehmens wiederhergestellt (Sanierung) oder der gesamte Betrieb bzw. ein "gesunder" Teil davon, auf einen anderen Rechtsträger übertragen werden soll (übertragende Sanierung).[1]

 

Rn 3a

Soll eine Liquidation des Unternehmens stattfinden, muss die Gläubigerversammlung sich zwischen der sofortigen und der sukzessiven Stilllegung des Unternehmens entscheiden. Bei der Entscheidung für oder gegen eine sofortige Stilllegung ist die wirtschaftliche Betrachtung ausschlaggebend. Der prognostische Liquidationswert ist mit den voraussichtlichen Liquidationswerten einer sukzessiven Stilllegung zu vergleichen, wobei stets das Risiko besteht, dass die Prognosen sich nicht bewahrheiten.[2] Aufgrund dessen ist die Entscheidung für eine sofortige Stilllegung, vor allem bei geringen Wertdifferenzen, nur beschränkt gerichtlich überprüfbar. Eine Aufhebung dieser Entscheidung ist nur zu erwarten, wenn die sukzessive Stilllegung evident und erheblich vorteilhafter für die Masse wäre.[3] Eine sofortige Stilllegung ist grundsätzlich sinnvoll, wenn keinerlei Aussicht auf die Sanierung des Unternehmens besteht und die – auch nur kurzfristige – Fortführung des operativen Geschäftsbetriebes laut der Liquiditäts- und Erfolgsplanung des Verwalters eine erhebliche Schmälerung der Masse zur Folge hätte.[4] Bei der Errechnung einer potenziellen Masseschmälerung durch die sukzessive Stilllegung sind unter anderem die Nichtverwertung von Halberzeugnissen, die Nichtfortführung laufender Verträge und die obligatorische Einbeziehung der Angestellten in Sozialplanregelungen gemäß § 123 zu berücksichtigen.[5] Auf die Entscheidung der sofortigen Stilllegung folgt meist unmittelbar die Liquidation des Unternehmens durch den Verwalter gemäß § 159. Wurde die sofortige Stilllegung bereits beschlossen, so kann deren Umsetzung aufgeschoben werden, sofern bereits ein Insolvenzplan vorgelegt wurde. Das Gericht kann die Liquidation in diesem Fall auf Antrag des Verwalters oder des Schuldners gemäß § 223 aussetzen.[6]

 

Rn 3b

Der Entscheidung für die sukzessive Stilllegung des Unternehmens sollte, wie bei der Erörterung der sofortigen Stilllegung auch, eine wirtschaftliche Gegenüberstellung der beiden Szenarien vorausgehen. Es ist durchzurechnen, wie viel Massezuwachs durch die Fertigstellung vorhandener Aufträge, beziehungsweise die Ausproduktion zu erwarten ist. Zudem ist zu prüfen, ob voraussichtlich ausreichend Liquidität bestehen wird, um die durch die Fortführung des Unternehmens entstehenden Masseverbindlichkeiten zu bewältigen. Ist dies nicht der Fall, ist eine sukzessive Stilllegung von Rechtswegen nicht möglich.[7] Auch muss sichergestellt werden, dass die Verfügbarkeit der materiellen und immateriellen Betriebsmittel für den Zeitraum der Weiterführung gewährleistet ist (z.B.: genügend Arbeitskraft, Lizenzen, Maschinen und Gerätschaften, Gewerberaum etc.).[8] Die vorläufige Fortführung des Unternehmens kann für die Eruierung der Sanierungschancen, die Umsetzung eines bereits vorliegenden Sanierungskonzeptes oder die eingehende Prüfung der Erfolgsaussichten eines Insolvenzplans genutzt werden. Die Voraussetzungen für die vorläufige Fortführung sind dieselben wie für die sukzessive Stilllegung. Die zeitliche Dauer der Fortführung kann von der Gläubigerversammlung starr vorgegeben werden, um allerdings flexibel auf unvorhergesehene negative Entwicklungen reagieren zu können, empfiehlt sich eine stetige Beobachtung der Fortführung und eine situationsbezogene Beendigung der Fortführung.[9] Eine dauerhafte Fortführung kann nur im Rahmen der Abstimmung über den Insolvenzplan gem. § 235 beschlossen werden, da eine dauerhafte Fortführung ...

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